Skotom. Moira Dawkins

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Название Skotom
Автор произведения Moira Dawkins
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991072478



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zur Außenwelt kann sich der Patient in guten Händen wissen, da er jederzeit die Zügel in der Hand hält. Er kann jederzeit abbrechen, sollte es zu viel werden (Hase).

      So ganz passte ich zwar nicht in die Sparte „geeigneter Patient für die Therapie“, aber einen Versuch war es wert.

      Nun stand ich also, aufgeregt wie ein Kind vor dem ersten Schultag, vor dem Start der EMDR-Sitzungen. Meiner Ungeduld gefiel die Aussage meiner Therapeutin überhaupt nicht, dass die Vorbereitung viel Zeit in Anspruch nehmen würde und sie schon zu Anfang vorsichtig sein müsse und nichts überstürzen dürfe. Da ich ihr inzwischen vertraute, respektierte ich ihre Vorgehensweise.

      Nachdem sie mir etwas Infomaterial mitgegeben hatte, bekam ich auch schon die erste von vielen Hausaufgaben: Ich sollte mich über EMDR informieren und ggf. Fragen vorbereiten. Unter anderem recherchierte ich über die Entstehung, das Vorgehen, die Anwendungsgebiete und die Erfolgsaussichten. Mit den oben genannten Infos im Hinterkopf und ein paar Fragen fieberte ich also der nächsten Sitzung entgegen. Denn ein Punkt hatte mich etwas stutzig gemacht. Durch das wiederholte Durchleben der Erinnerung sollte eine minimale bis ausbleibende Belastung erreicht werden. Doch genau hier sah ich ein Problem. Ich empfand rein gar nichts bei meinen Erinnerungen. Wie sollte eine Belastung weggenommen werden, wo gar keine war? Ich wollte ja lediglich die Lücken füllen und so offene Fragen beantworten. Meine Zweifel tat ich meiner Therapeutin kund, doch sie versicherte mir, mit der Zusage zu EMDR die richtige Entscheidung getroffen zu haben. PTBS wäre schließlich nur eine Erkrankung, die mit EMDR erfolgreich behandelt werden konnte.

      So übergab ich meiner Therapeutin eine kleine Liste von Erinnerungen, die ich aus meiner Kindheit hatte und die alles andere als positiv sind. Es war zwar keine Hausaufgabe gewesen, doch mir war wichtig, dass sie alles, was ich ihr erzählt hatte, auch schriftlich vor sich hatte. Zu folgenden Erinnerungen habe ich Lücken und Fragen, die ich gern gefüllt bzw. beantwortet haben wollte und noch immer möchte:

      21 Originalschrieb, den ich meiner Therapeutin so überreicht habe.

      Ich kann mich relativ weit in meine Kindheit zurückerinnern. Die Erinnerungen spielen etwa in einem Alter von drei bis fünf Jahren. Allerdings sind sie so unterschiedlich, manchmal verschwommen, manchmal glasklar, dass es mir schwerfällt zu unterscheiden, ob ich sie mir nur ausgedacht habe oder ob sie wirklich so passiert sind. Daher erhoffe ich mir durch die EMDR-Therapie Klarheit.

      Im Nachfolgenden beschreibe ich Ihnen ein paar Erinnerungen, die mir hin und wieder in den Kopf kommen und bei denen ich mich jedes Mal frage: Hat sich das wirklich so abgespielt oder ist da deine kindliche Fantasie mit dir durchgegangen?

      Noch ein kleiner Hinweis: Wenn ich mich an diese Situationen erinnere, fühle ich absolut gar nichts. Ich gerate weder in Panik noch bekomme ich Angst oder verspüre sonstige Reaktionen. Das Einzige, was ich an mir selbst beobachten kann, ist Neugierde. Ist das so passiert und was war davor bzw. danach?

      Erinnerung 1:

      Wie alt ich hier war, kann ich leider nicht sagen. Ich vermute mindestens vier Jahre. Wir waren zu Besuch bei einer Verwandten. Es kann eine Oma gewesen sein, da ich mich an eine alte Frau erinnere, die mit einem riesigen Messer vor meinem Gesicht herumwedelte und mir irgendwelche Horrorgeschichten erzählte. Typisch Omas eben … 

      Zu dieser Zeit hatte ich, wie jedes Kind, eine Lieblingszeichentrickserie (Gargoyles: Auf den Schwingen der Gerechtigkeit – Erstausstrahlung Ende 1994). Schon damals war ich ein riesiger Fan von Fledermäusen, Monstern und Co. Ich saß auf dem Boden vor dem Fernseher und sah mir also diese Serie an. Auf einmal kam meine Mutter ins Zimmer gestürmt und machte, mitten in der Folge, den Fernseher aus. Sie begründete ihre Tat mit der Erklärung, dass wir jetzt gehen würden. Empört, wie man als kleines Kind, dem man eben die Lieblingssendung unterbrochen hat, eben sein kann, machte ich meinem Ärger Luft. Schlagartig genervt von meinen Beschwerden zog meine Mutter schnaubend ab. Sie hatte sich vor das Mehrfamilienhaus gestellt und qualmte eine Zigarette, um wieder herunterzukommen. Ihre soeben begangene Tat ließ ich nicht unbemerkt, stampfte ihr hinterher und beschwerte mich weiterhin. Ich wolle die Folge zu Ende sehen und danach könnten wir ja gehen. Ganz konnte ich meinem Ärger allerdings nicht freien Lauf lassen, da mich meine Mutter kurzerhand am Arm packte und mich wütend hinter sich herzog, zurück ins Haus. Ich wehrte mich weder verbal noch körperlich, da mich diese Aktion komplett überraschte. Sie schob mich unsanft in den einige Meter entfernten Aufzug, drückte irgendeinen Knopf und zog wutentbrannt wieder ab, um weiterrauchen zu können. Da stand ich nun, allein und völlig perplex im Aufzug, und sah den Türen zu, wie sie sich schlossen und meine Mutter dahinter verschwand. Sofort traten mir die Tränen in die Augen und ich fing an zu weinen. Nur wenige Sekunden später öffneten sich die Türen wieder und ein älteres Ehepaar stand vor dem Aufzug. Sie brachten mich sofort zurück zu meiner Mutter. Was sie allerdings zu ihr sagten und wie sie reagierte, als ich auf einmal wieder zurückgebracht wurde … keine Ahnung. Das wäre interessant zu erfahren.

      Zusatz: Über 15 Jahre später habe ich das Intro der Serie, das ich von damals noch im Kopf hatte, gegoogelt und sie tatsächlich gefunden. Als sie im Fernsehen lief, habe ich mir jede Folge angesehen. Großartig!

      Erinnerung 2:

      Diese Erinnerung spielt in meinem Geburtsort. Ich muss also noch sehr jung gewesen sein, da wir im Laufe der Jahre sehr viel umgezogen sind. Vielleicht war ich drei Jahre alt. Diese Erinnerung unterscheidet sich von allen anderen in dem Punkt, dass sie nur schwarz-weiß ist. Ich weiß nicht warum, aber diese Tatsache lässt mich ein wenig an ihrer tatsächlichen Begebenheit zweifeln. Meine Mutter spielt hier wieder die Hauptrolle. Es fängt abrupt an und hört genauso plötzlich wieder auf. Ich sehe mich selbst, wie ich panisch vor Angst und mit tränenüberströmtem Gesicht von der Küche ins Schlafzimmer renne und versuche, mich zu verstecken. Ich weiß, dass ich verfolgt werde, und wenn mich mein Verfolger erwischen sollte, würde ich mehr als nur Ärger bekommen. Den Part des Verfolgenden übernahm hier meine Mutter. Unsere Wohnung war nicht sonderlich groß und so waren auch die Versteckmöglichkeiten begrenzt. Verzweifelt versuchte ich mich zwischen einen Schrank und das Gitterbett zu quetschen und hoffte, dass mich dieses spärliche Versteck retten würde. Doch auf einmal sehe ich nur noch ein wutverzerrtes Gesicht vor mir … und damit endet auch die Erinnerung.

      Erinnerung 3:

      Ich befinde mich diesmal im Geburtsort meiner kleinen Schwester. Wir sind zu meinem Stiefvater gezogen, der diesmal eine zentrale Rolle spielt. Aus Erzählungen weiß ich, dass er sehr oft betrunken und gewalttätig gegenüber uns allen war. Doch daran kann ich mich nicht erinnern. Seltsamerweise habe ich nur gute Erinnerungen an ihn. Ich erinnere mich an ein Zimmer, in dem eine gewaltige Soundanlage stand. Es liefen lauter Songs von Michael Jackson. Die Tatsache, dass dort eine professionelle Anlage stand, lässt mich stutzen, da wir eigentlich gar nichts hatten. Wir lebten in einer Bruchbude und Luxus war ein absolutes Fremdwort. Trotzdem sitze ich bei meinem Stiefvater auf dem Schoß und sehe mir ein Musikvideo von Michael Jackson an (Song: „They don’t really care about us“). Als kleinen Snack hatte er mir zudem Gummibärchen gereicht, die ich genüsslich futterte.

      Erinnerung 4:

      In dieser Erinnerung bin ich mir sicher, dass das der Tag der Geburt meiner kleinen Schwester war (September 1995). Der Grund ist folgender: Wir waren in einer großen Wohnung. Es gab einen großen Fernseher, vor den mein Bruder und ich auch gleich gesetzt wurden. Wir saßen also auf dem Boden und futterten Rosinen (heute hasse ich Rosinen). Ich weiß nicht, bei wem wir waren. Ich erinnere mich an eine Frau und an einen Mann. Letzterer war evtl. mein Stiefvater. Auf einmal wurden wir eilig in ein leeres Zimmer mit einer Matratze geschoben und die Tür wurde hinter uns abgeschlossen. Uns wurde versichert, dass sie bald wiederkommen würden. Seltsamerweise waren wir an das Eingesperrtwerden gewohnt, da weder mein Bruder noch ich protestierten oder eine sonstige Regung zeigten. Wir wurden schon früh immer ins Schlafzimmer eingesperrt. Gnädigerweise ließ man uns dabei ein Töpfchen zurück, damit wir wenigstens unser Geschäft nicht in der Ecke erledigen mussten. Allerdings wurden wir nicht nur eine halbe Stunde eingesperrt, sondern