Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
«Martinus, Zirkeldreher», rief dieser ihm zu, «jetzt zeige deine Kunst! Wie viele Katapulten, Ballisten, Wurfmaschinen im ganzen haben wir?» – «Dreihundertfünfzig, Herr!» – «Gut! Verteile sie um unsre ganze Belagerungslinie! Oben im Norden, bei der Porta Capuana und bei dem Kastell, die Mauerbrecher gegen die Wälle! Sie müssen nieder und wären sie Diamant. Vom Mittellager aus richte die Geschosse von oben, im Bogenwurf, in die Straßen der Stadt. Biete alle Kraft auf, setze keinen Augenblick aus, vierundzwanzig Stunden lang! Laß die Truppen sich ablösen. Laß alle Werkzeuge spielen.»
«Alle, Herr?» sprach Martinus. «Auch die neuen? Die Pyroballisten, die Brandgeschosse?» – «Auch die! Die zumeist!» – «Herr, sie sind gräßlich! Du kennst noch ihre Wirkung nicht.» – «Wohlan! Ich will sie kennenlernen und erproben.» – «An dieser herrlichen Stadt? An des Kaisers Stadt? Willst du Justinian einen Schutthaufen erobern?» Die Seele Belisars war edel und groß.
Er war unwillig über sich, über Martinus, über die Goten. «Kann ich denn anders?» zürnte er, «diese eisenköpfigen Barbaren, dieser tolldreiste Totila zwingen mich ja. Fünfmal hab’ ich ihnen Ergebung angeboten. Es ist Wahnsinn! Nicht dreitausend Mann stecken in den Wällen. Beim Haupte Justinians! Warum stehen die dreißigtausend Neapolitaner nicht auf und entwaffnen die Barbaren?»
«Sie fürchten wohl deine Hunnen ärger als ihre Goten», meinte Prokop. «Schlechte Patrioten sind sie! Vorwärts Martinus! In einer Stunde muß es brennen in Neapolis.»
«In kürzerer Zeit», seufzte der Geschützmeister, «wenn es denn doch sein muß. Ich habe einen kundigen Mann mitgebracht, der uns viel helfen kann und die Arbeit vereinfachen: er ist ein lebendiger Plan der Stadt. Darf ich ihn bringen?»
Belisar winkte, und die Wache rief einen kleinen, jüdisch aussehenden Mann herein. «Ah, Jochem, der Baumeister!» sprach Belisar. «Ich kenne dich wohl, von Byzanz her. Du wolltest ja die Sophienkirche bauen. Was ward daraus?» – «Mit eurer Gunst, Herr: nichts.» – «Warum nichts?»
«Mein Plan belief sich nur auf eine Million Centenare Goldes: das war der kaiserlichen Heiligkeit zu wenig. Denn je mehr eine Christenkirche gekostet, desto heiliger und gottgefälliger ist sie. Ein Christ forderte das Doppelte und erhielt den Auftrag.»
«Aber ich sah dich doch bauen in Byzanz?»
«Ja, Herr, mein Plan gefiel dem Kaiser doch! Ich änderte ein wenig, nahm die Altarstelle heraus und baute ihm danach eine Reitschule.» – «Du kennst Neapolis genau? Von außen und innen?»
«Von außen und innen. Wie meinen Geldsack.»
«Gut, du wirst dem Strategen die Geschütze richten gegen die Wälle und in die Stadt. Die Häuser der Gotenfreunde müssen zuerst nieder. Vorwärts! Mach deine Sache gut, sonst wirst du gepfählt. Fort!» – «Die arme Stadt!» seufzte Martinus. «Aber du sollst sehen, Jochem, die Pyroballisten, die sind höchst genau – und sie gehen so leicht – ein Kind kann sie loslassen! Und sie wirken allerliebst.»
Und nun begann entlang dem ganzen Lager eine ungeheure und verderbenschwangere Tätigkeit. Die Gotenwachen auf den Zinnen sahen herab, wie die schweren Kolosse, die Maschinen mit zwanzig bis dreißig Rossen, Kamelen, Eseln, Rindern bespannt längs den Mauern hingezogen und auf der ganzen Linie verteilt wurden. Besorgt eilten Totila und Uliaris auf die Wälle und suchten Gegenmaßregeln zu treffen. Säcke mit Erde wurden an den von den Mauerbrechern bedrohten Stellen herabgelassen: Feuerbrände bereitgehalten, die Maschinen, wann sie nahten, in Brand zu stecken; siedendes Wasser, Pfeile, und Steine gegen die Bespannung und die Bedienung gerichtet, und schon lachten die Goten der feigen Feinde, als sie bemerkten, wie die Maschinen, weit außer der gewohnten Schußweite und den Belagerten völlig unerreichbar, Halt machten.
Aber Totila lachte nicht.
Er erschrak, wie die Byzantiner ruhig die Bespannung abschirrten und ihre Maschinen spannten. Noch war kein Geschoß entsandt.
«Nun?» spottete der junge Agila neben Totila. «wollen sie uns von da aus beschießen? Doch lieber gleich von Byzanz her übers Meer! Es wäre noch sicherer!» Er hatte noch nicht ausgeredet, als ein vierzigpfündiger Stein ihn und die ganze Zinne, auf der er stand, herunterschmetterte: Martinus hatte die Tragweite der Ballisten verdreifacht. Totila sah ein, daß sie völlig widerstandslos sich von den Feinden mit Geschossen überhageln lassen mußten.
Entsetzt sprangen die Goten von den Wällen herab und suchten Schutz in den Straßen, den Häusern, den Kirchen. Vergebens! Tausende und Tausende von Pfeilen, Speeren, schweren Balken, Steinen, Steinkugeln sausten und pfiffen im sichern Bogenschuß auf ihre Köpfe: ganze Felstrümmer kamen geflogen und schlugen krachend durch Holzwerk und Getäfel der festesten Dächer, während im Norden, gegen das Kastell unaufhörlich der Sturmbock mit seinen zermürbenden Stößen donnerte. Indes der dichte Hagel der Geschosse buchstäblich die Luft verfinsterte, betäubte das prasselnde Niederfallen der Steine, das brechende Gebälk, die zerschmetterten Zinnen und der Weheschrei der Getroffenen das Ohr mit furchtbarem Lärm. Erschrocken flüchtete die zitternde Bevölkerung in die Keller und Gewölbe ihrer Häuser, Belisar und die Goten um die Wette verfluchend.
Aber noch hatte die bebende Stadt das Ärgste nicht erfahren.
Auf dem Marktplatz, dem Forum des Trajan, nahe dem Hafen, stand ein ungedecktes Haus, eine Art Schiffsarsenal, mit altem wohlgetrocknetem Holz, Werg, Flachs, Teer und dergleichen vollgefüllt. Da kam zischend und dampfend ein seltsames Geschoß gefahren, traf in das Holzwerk, und im Augenblick, da es niederfiel, schlug hellauflodernd die Flamme hervor und verbreitete sich, von dem Schiffsmaterial genährt, mit Windeseile. Jubelnd begrüßten draußen die Belagerer den hochaufwirbelnden Qualm und richteten eifrig die Geschosse nach der Stelle, das Löschen zu hindern.
Belisar ritt zu Martinus heran. «Gut», rief er, «Mann der Zirkel, gut! Wer hat das Geschoß gerichtet?» – «Ich», sprach Jochem, «o ihr sollt zufrieden sein mit mir. Gebt ach! Seht ihr da, rechts von der Brandstätte, das hohe Haus mit den Statuen auf flachem Dach? Das ist das Haus der Valerier, der größten Freunde des Volkes von Edom. Gebt acht! Es soll brennen!»
Und sausend fuhr der Brandpfeil durch die Luft, und bald darauf schlug eine zweite Flamme aus der Stadt gen Himmel.
Da sprengte Prokop heran und rief: «Belisarius, dein Feldherr Johannes läßt dich grüßen: das Kastell des Tiberius brennt, der erste Wall liegt nieder.» Und so war es, und bald standen vier, sechs, zehn Häuser in allen Teilen der Stadt in vollen Flammen.
«Wasser!» rief Totila, durch die brennende Straße nach dem Hafen sprengend, «heraus, ihr Bürger von Neapolis! Löscht eure Häuser. Ich kann keinen Goten von dem Wall lassen. Schafft Fässer aus dem Hafen in alle Straßen! Die Weiber in die Häuser! – Was willst du, Mädchen? Laß mich – du bist’s, Miriam? Du hier? Unter Pfeilen und Flammen? Fort, was suchst du?»
«Dich», sprach das Mädchen. «Erschrick nicht. Ihr Haus brennt. Aber sie ist gerettet.»
«Valeria! um Gott, wo ist sie?» – «Bei mir. In unserm dichtgewölbten Turm: dort ist sie sicher. Ich sah die Flammen aufsteigen. Ich eilte hin. Dein Freund mit der sanften Stimme trug sie aus dem Schutt: er wollte mit ihr in die Kirche. Ich rief ihn an und führte sie unter unser Dach. Sie blutet. Ein Stein hat sie verletzt, an der Schulter. Aber es ist ohne Gefahr. Sie will dich sehen. Ich kam, dich zu suchen!»
«Kind, Dank! Aber komm! Komm fort von hier!»
Und rasch faßte er sie und schwang sie vor sich auf den Sattel. Zitternd schlang sie beide Arme um seinen Nacken. Er aber hielt schützend mit der Linken den breiten Schild über ihr Haupt, und im Sturm sprengte er mit ihr durch die dampfende Straße nach der Porta Capuana.
«O jetzt – jetzt sterben – sterben an seiner Brust, wenn nicht mit ihm!» betete Miriam.