Название | Die Zeit der Völkerwanderung: 14 Historische Romane |
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Автор произведения | Felix Dahn |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027222049 |
«Wer ist bei dir?» rief er und trat vorleuchtend um die Ecke Da sah er die Bewaffneten hinter Jochem kauern. «Verrat, Verrat!» schrie er, «stirb, Schandfleck der Hebräer!» Und wütend stieß er Jochem, der nicht zurück konnte, die breite Partisane in die Brust, daß dieser rücklings hinabstürzte. «Verrat!» schrie er noch einmal.
Aber gleich darauf hieb ihn Johannes nieder, sprang über die Leiche hinweg, eilte auf die Zinne des Turmes und entfaltete die Fahne von Byzanz. Da krachten unten Beilschläge: das Pförtchen fiel, von innen eingeschlagen, hinaus, und mit gellendem Jauchzen jagten – schon war es ganz dunkel geworden – die Hunnen zu Tausenden in die Stadt.
Da war alles aus.
Ein Teil stürzte sich mordend in die Straßen, ein Haufe brach die nächsten Tore ein, den Brüdern draußen Eingang schaffend.
Rasch eilte der alte Uliaris mit seinem Häuflein aus dem Kastell herbei. Er hoffte, die Eingedrungenen noch hinauszutreiben, umsonst: ein Wurfspeer streckte ihn nieder. Und um seine Leiche fielen fechtend die zweihundert treuen Goten, die ihn noch umgaben.
Da, als sie die kaiserliche Fahne auf den Wällen flattern sahen, erhoben sich – unter Führung alter Römerfreunde, wie Stephanos und Antiochos des Syrers – ein eifriger Anhänger der Goten, Kastor, der Rechtsanwalt ward, da er hemmen wollte, erschlagen – auch die Bürger von Neapolis: sie entwaffneten die einzelnen Goten in den Straßen und schickten, glückwünschend und dankend und ihre Stadt der Gnade empfehlend, eine Gesandtschaft an Belisar, der, von seinem glänzenden Stab umgeben, zur Porta Capuana hereinritt.
Aber finster furchte er die majestätische Stirn, und ohne seinen Rotscheck anzuhalten sprach er: «Fünfzehn Tage hat mich Neapolis aufgehalten. Sonst lag ich längst vor Rom, ja vor Ravenna. Was glaubt ihr, daß das dem Kaiser an Recht und mir an Ruhm entzieht? Fünfzehn Tage lang hat sich eure Feigheit, eure schlechte Gesinnung von einer handvoll Barbaren beherrschen lassen. Die Strafe für diese fünfzehn Tage seien nur fünfzehn Stunden – Plünderung. Ohne Mord: – die Einwohner sind Kriegsgefangene des Kaisers – ohne Brand, denn die Stadt ist jetzt eine Feste von Byzanz. Wo ist der Führer der Goten? Tot?»
«Ja», sprach Johannes, «hier ist sein Schwert, Graf Uliaris fiel.»
«Den meine ich nicht!» sprach Belisar. «Ich meine den jungen, den Totila. Was ward aus ihm? Ich muß ihn haben.»
«Herr», sprach einer der Neapolitaner, der reiche Kaufherr Asklepiodor, vortretend, «wenn ihr mein Haus und Warenlager von der Plünderung ausnehmt, will ich’s euch wohl sagen.»
Aber Belisar winkte: zwei maurische Lanzenreiter ergriffen den Zitternden. «Rebell, willst du mir Bedingungen machen? Sprich, oder die Folter macht dich sprechen.» – «Erbarmen! Gnade!» schrie der Geängstigte. «Der Seegraf eilte mit wenigen Reitern während der Waffenruhe hinaus, Verstärkung zu holen von Castellum Aurelians: er kann jeden Augenblick zurückkehren.»
«Johannes», rief Belisar, «der Mann wiegt so schwer, wie ganz Neapolis. Wir müssen ihn fangen! Du hast, wie ich befahl, den Weg nach Rom abgesperrt? Das Tor besetzt?»
«Es hat niemand nach dieser Richtung die Stadt verlassen können», sprach Johannes.
«Auf! Blitzesschnell, wir müssen ihn hereinlocken!
Zieh rasch das gotische Banner auf dem Kastell des Tiberius wieder auf und auf der Porta Capuana. Die gefangenen Neapolitaner stelle wieder bewaffnet auf die Wälle: wer ihn warnt, mit einem Augenwinken, ist des Todes. Zieht meinen Leibwächtern gotische Waffen an. Ich selbst will dabei sein! Dreihundert Mann in der Nähe des Tors. Man lasse ihn ruhig herein. Sowie er das Fallgitter hinter sich hat, läßt man’s nieder. Ich will ihn lebend fangen. Er soll nicht fehlen beim Triumphzug in Byzanz.»
«Gib mir das Amt, mein Feldherr», bat Johannes. «Ich schuld’ ihm noch Vergeltung für einen Kernhieb.» Und er flog zurück zur Porta Capuana, ließ die Leichen und alle Spuren des Kampfes wegschaffen und traf sonst seine Maßregeln.
Da drängte sich eine verschleierte Gestalt heran: «Um der Güte Gottes willen», flehte eine liebliche Stimme, «ihr Männer, laßt mich heran! Ich will ja nur seine Leiche, o gebt acht! Sein weißer Bart! O mein Vater.» Es war Miriam, die der Lärm plündernder Hunnen aus der Kirche nach Hause gescheucht hatte. Und mit der Kraft der Verzweiflung schob sie die Speere zurück und nahm das bleiche Haupt Isaks in ihre Arme.
«Weg, Mädel!» rief der nächste Krieger, ein sehr langer Bajuvare, ein Söldner von Byzanz: – Garizo hieß er. «Halt uns nicht auf! Wir müssen den Weg säubern! In den Graben mit dem Juden!»
«Nein, nein!» rief Miriam und stieß den Mann zurück.
«Weib!» schrie dieser zornig und hob das Beil.
Aber die Arme schützend über des Vaters Leiche breitend und mit leuchtenden Augen aufblickend blieb Miriam furchtlos stehen: – wie gelähmt hielt der Krieger inne: «Du hast Mut, Mädel!» sagte er, das Beil senkend. «Und schön bist du auch, wie die Waldfrau der Luisacha. Was kann ich dir Liebes tun? Du bist ganz wundersam anzuschauen.» – «Wenn der Gott meiner Väter dein Herz gerührt», bat Miriams herzgewinnende Stimme, «hilf mir die Leiche dort im Garten bergen – das Grab hat er sich lange selbst geschaufelt neben Sarah, meiner Mutter, das Haupt gegen Osten.» – «Es sei!» sprach der Bajuvare und folgte ihr. Sie trug das Haupt, er faßte die Knie der Leiche: wenige Schritte führten sie in den kleinen Garten: da lag ein Stein unter Trauerweiden: der Mann wälzte ihn weg, und sie senkten die Leiche hinein, das Antlitz gegen Osten. –
Ohne Worte, ohne Tränen starrte Miriam in die Grube: sie fühlte sich so arm jetzt, so allein; mitleidig, leise schob der Bajuvare die Steinplatte darüber. «Komm!» sagte er dann. «Wohin?» fragte Miriam tonlos. «Ja, wohin willst du?» – «Das weiß ich nicht! – Hab Dank», sprach sie und nahm ein Amulett vom Halse und reichte es ihm: es war von Gold, eine Schaumünze von Jordan, aus dem Tempel.
«Nein!» sagte der Mann und schüttelte das Haupt.
Er nahm ihre Hand und legte sie über seine Augen.
«So», sagte er, «das wird mir gut tun mein Leben lang. Jetzt muß ich fort, wir müssen den Grafen fangen, den Totila. Leb’ wohl.»
Dieser Name schlug in Miriams Herz: – noch einen Blick warf sie auf das stille Grab, und hinaus schlüpfte sie aus dem Gärtchen. Sie wollte zum Tore hinaus auf die Straße: aber das Fallgitter war gesenkt, an den Toren standen Männer mit gotischen Helmen und Schilden. Erstaunt sah sie um sich.
«Ist alles vollzogen, Chanaranges?» – «Alles, er ist so gut wie gefangen.» – «Horch, vor dem Wall, – Pferdegetrappel – sie sind’s, zurück, Weib.»
Draußen aber sprengten einige Reiter die Straße heran gegen das Tor.
«Auf! Auf das Tor», rief Totila von weitem. Da spornte Thorismut sein Roß heran. «Ich weiß nicht, ich traue nicht!» rief er, «die Straße war wie ausgestorben und ebenso drüben das Lager der Feinde: kaum ein paar Wachtfeuer brennen.»
Da scholl von der Zinne ein Ruf des gotischen Hornes. «Der Bursch bläst ja gräßlich!» sprach Thorismut zürnend. «Es wird ein Welscher sein»! meinte Totila. «Gebt die Losung», riefs herab auf lateinisch. «Neapolis», antwortete Totila entgegen. «Hörst du’s? Uliaris hat die Bürger bewaffnen müssen. Auf das Tor! Ich bringe frohe Kunde», fuhr er fort zu den oben Aufgestellten, «vierhundert Goten folgen mir auf dem Fuß: Italien hat einen neuen König.»
«Wer ist’s?» fragte es leise drinnen. «Der auf dem weißen Roß, der erste.» Da sprangen die Torflügel auf, gotische Helme füllten den Eingang. Fackeln glänzten, Stimmen flüsterten.
«Auf mit dem Fallgitter», rief Totila, dicht heranreitend. Spähend blickte Thorismut vor, die Hand vor den Augen. «Sie haben gestern getagt zu Regeta», fuhr Totila fort, «Theodahad ist abgesetzt, und Graf Witichis…» –
Da hob sich langsam das Gitter, und Totila wollte eben dem Roß den Sporn geben, da warf sich vor