Allgemeine Epileptologie. Группа авторов

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Название Allgemeine Epileptologie
Автор произведения Группа авторов
Жанр Медицина
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Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783170350762



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      Das Konzept der First- und Second-Line-Immuntherapien (image Hintergrundinformationen 3) verbreitet sich weltweit nicht nur bei der Anti-NMDAR-Enzephalitis, sondern auch für andere Antikörper-definierte Autoimmunenzephalitiden und für Antikörper-negative Autoimmunenzephalitiden, die aufgrund eine Kombination aus klinischen und paraklinischen Befunden diagnostiziert werden (Lee et al. 2016). Wir geben als First-Line-Behandlung bei nicht auf der Intensivstation behandelten Patienten 80 mg Prednisolon pro Tag für vier Wochen und reduzieren dann wöchentlich um 10 mg/d bis zu einer Tagesdosis von 10 mg. Man kann die Besserung vermutlich durch zusätzliche Immunadsorptionen beschleunigen. Wenn wir einen schnellen Effekt anstreben, machen wir in der Regel zehn solcher Behandlungen über drei Wochen (Dogan Onugoren et al. 2016). Nach etwa vier Monaten bewerten wir den Effekt der First-Line-Therapie. Entweder wird dann eskaliert oder die Therapie über weitere sechs Monate langsam beendet.

      Bei Nachweis eines paraneoplastischen Syndroms ist die Behandlung des Tumors vordringlich, spricht aber in der Regel nicht gegen eine zusätzliche Immuntherapie.

      Man wird in aller Regel auch antikonvulsiv behandeln. Nach einigen Monaten der Anfallsfreiheit, die bei NMDAR- und LGI1-Antikörpern in der Regel rasch eintritt, kann diese Therapie wieder beendet werden.

      3.6 Outcomebeurteilung

      image Klinisches Outcome: Anfallssituation, Kognition, psychiatrischer Befund image

      image Paraklnisches Outcome: MRT, Neuropsychologie, EEG, Antikörpertiter image

      Aus epileptologischer Sicht ist die Ermittlung der Anfallsfrequenz (inklusiver der Anfallsfreiheit) zentral. Das alltagsbezogene Gesamtbefinden wird durch die modifizierte Rankin-Skala beschrieben. Diese liefert breit vergleichbare Daten, die aber wenig Auskunft über die spezifischen Beeinträchtigungen gibt. Daher sind zusätzliche Maße wie standardisierte neuropsychologische Tests, wie sie in der Epileptologie gut etabliert sind, sehr hilfreich. Hinzu tritt die Untersuchung des strukturellen Outcomes mittels serieller MRTs. Durch sie kann man beurteilen, ob z. B. eine persistierende Gedächtnisstörung ihre Ursache in einer hippokampalen Atrophie hat. Langzeit-EEG-Ableitungen können klären helfen, ob ein Patient tatsächlich anfallsfrei geworden ist.

      Hintergrundinformationen 3

      Definitionen

      Bei der Mehrzahl der Autoimmun-Enzephalitiden treten innerhalb der ersten Wochen bis Monate epileptische Anfälle auf. Bei den Autoimmun-Enzephalitiden mit Antikörpern gegen Oberflächenantigene (NMDAR, LGI1) verschwinden die Anfälle typischerweise mit dem Abklingen der übrigen Symptome der Autoimmun-Enzephalitis. Innerhalb der Systematik der Anfallsleiden handelt es sich hier also um (akut-)symptomatische Anfälle (Beghi et al. 2010), wobei die Phase mit Anfällen länger dauern kann als bei den anderen typischen Ätiologien akut-symptomatischer Anfälle (Geis et al. 2019; Steriade et al. 2020). Die Autoimmun-Enzephalitiden diagnostiziert man anhand der weltweit akzeptierten Definitionen durch ein internationales Expertenteam aus dem Jahr 2016 (Graus et al. 2016). Diese Erkrankungen heilen oft, jedenfalls bezüglich der Anfälle, völlig aus, was sie von Epilepsien unterscheidet, die ja bestenfalls »abklingen« können (to resolve) (Fisher et al. 2014). Eine langzeitige antiepileptische Behandlung ist bei den durch Autoimmun-Enzephalitiden verursachten Anfällen nicht indiziert. Rezidive der Autoimmun-Enzephalitiden, auch mit erneuten Anfällen, können vorkommen; dies macht keine chronische Erkrankung aus ihnen, da die Rezidive immuntherapeutisch gut behandelbar sind und wiederum eine gute Prognose aufweisen.

      Im Unterschied zu diesen »(akut-)symptomatischen immunvermittelten Anfällen« handelt es sich um Epilepsien, wenn die im Zuge einer Autoimmun-Enzephalitis entstandenen Anfälle > 1 Jahr nach Immuntherapiebeginn hinaus persistieren und nicht durch eine protrahierte Autoimmun-Enzephalitis entstehen oder – häufiger – wenn die rezidivierende Anfälle (Geis et al. 2019; Steriade et al. 2020) im Kontext von T-Zell mediierten entzündlichen Erkrankungen auftreten. Diese erkennt man an Antikörpern gegen intrazelluläre Antigene (meist hochtitrige GAD-Antikörper, seltener onkoneurale Antigene wie Hu oder Ma2); auch die Rasmussen-Enzephalitiden gehört in diese Gruppe. Vermutlich trägt eine strukturelle Schädigung durch einen Autoimmunprozess zur Epileptogenese bei. Bei diesen mit Autoimmunprozessen verbundenen, aber nicht durch sie aufrechterhaltenen Epilepsien sind immunologischen Therapien typischerweise wenig bis gar nicht hilfreich. Schwierig kann die Abgrenzung sein, wenn eine Autoimmun-Enzephalitis zu einer Hippokampussklerose geführt hat und in eine chronische Epilepsie übergeht (mit oder ohne freies Intervall), ohne dass die Antikörper ganz verschwunden sind: Handelt es sich dann noch um eine Autoimmun-Enzephalitis oder bereits um eine strukturelle Epilepsie?

      Eine Zusammenfassung dieser Gegenüberstellung bietet Tabelle 3.1.

      Tab. 3.1: Symptomatische immunvermittelte Anfälle vs. immunvermittelte Epilepsien (nach Geis et al. 2019 und Steriade et al. 2020)

Images

      Symptomatische immunvermittelte AnfälleEpilepsien im Gefolge autoimmuner Hirnerkrankungen

      Häufigkeit von Autoimmun-Enzephalitiden und mit Autoimmunerkrankungen verbundenen Epilepsien

      Autoimmun-Enzephalitiden weisen nach einer Studie in Olmsted County, Minnesota, USA, eine Inzidenz von 0,8/100.000/Jahr (mit steigender Tendenz aufgrund zunehmend breiter verfügbarer Antikörperdiagnostik) und eine Punktprävalenz am 01.01.2014 von 13,7/100.000 auf; diese Zahlen entsprechen in etwa denen infektiöser Enzephalitiden (Dubey et al. 2018). Man kann schätzen, dass drei Viertel der Betroffenen Anfälle erleiden (Irani et al. 2011).

      Aus epileptologischer Perspektive existieren die folgenden Zahlen:

      Von 124 pädiatrischen fokalen Epilepsiepatienten ohne prima-facie-Hinweisen auf eine Enzephalitis hatte ein Fall (0,8 %) hochtitrige GAD-Antikörper (Borusiak et al. 2016). In einer Serie von 163 erwachsenen Patienten mit Temporallappenepilepsie und einer Erkrankungsdauer > 1 Jahr hatten neun Patienten (5,5 %) Antikörper: gegen GAD (n = 3), LGI1 (n = 2), CASPR2 (n = 2), GABABR (n = 1), Ma2 (n = 1) (Elisak et al. 2018). Vermutlich hatten die Patienten mit Oberflächen-Antikörpern eine noch aktive Autoimmun-Enzephalitis. Unter 100 brasilianischen Patienten mit medialer Temporallappenepilepsie und Hippokampussklerose fanden sich zwei mit hochtitrigen GAD-Antikörpern (Nóbrega-Jr et al. 2018).

      Im Epilepsie-Zentrum Bethel (Krankenhaus Mara: Akutklinik und Rehabilitationsklinik) wurden zwischen 2012 und 2018 10.109 Patienten stationär behandelt. In dieser Zeit war ein besonderes Interesse der Klinik an dieser Patientengruppe bekannt, sodass ein Teil der folgenden Patienten gezielt zugewiesen wurde. Bei 30 (0,3 %) bestanden definitive Autoimmun-Enzephalitiden mit Anfällen (Antikörper gegen die folgenden Antigene: LGI1, n = 15; NMDAR, n = 9; CASPR2, n = 6); 43 Patienten (0,4 %) hatten Antikörper gegen intrazelluläre Antigene und chronische Epilepsieverläufe (Antigene: GAD, n = 41; Ma2, n = 1; Amphiphysin, n = 1); 60 Patienten (0,6 %) hatten eine Rasmussen-Enzephalitis. Alle diese Fälle zusammen: 133 (1,3 %). Zum Vergleich: Im selben Zeitraum 2012–2018 wurden 664 Patienten (6,6 % aller Mara-Patienten) epilepsiechirurgisch behandelt (CG Bien, unveröffentlichte Daten).

      Pathophysiologie

      Antikörper gegen Oberflächen-Antigene

      Ein NMDAR-Antikörper kreuzvernetzt zwei Rezeptoren. Der so entstehende Komplex wird von der Zelle internalisiert, ohne dass diese zerstört wird. Nach Verschwinden der