Allgemeine Epileptologie. Группа авторов

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Название Allgemeine Epileptologie
Автор произведения Группа авторов
Жанр Медицина
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Издательство Медицина
Год выпуска 0
isbn 9783170350762



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ist die Diagnose zu überprüfen und ein Status psychogener nichtepileptischer Anfälle zu erwägen (image Kap. 3).

      2.4.4 Stufe 3: refraktärer Status

      Wenn der Status nach der Behandlung in Stufe 2 nicht sistiert und seine epileptische Natur feststeht, handelt es sich um einen refraktären Status epilepticus. Es ist die Einleitung einer therapeutischen Narkosebehandlung unter EEG-Monitoring erforderlich. Aufgrund des günstigeren Nebenwirkungsprofils sind dabei Midazolam oder Propofol dem Thiopental vorzuziehen.

      Tabelle 2.3 listet Medikamente zur therapeutischen Intubationsnarkose auf.

      Tab. 2.3: Narkotika

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      MedikamentInitialer BolusErhaltungsdosis

      Das vorrangige Therapieziel der Narkosebehandlung unter EEG-Kontrolle ist die vollständige Anfallssuppression. Das Erreichen eines Burst-Suppression-Musters im EEG wird häufig angestrebt, ist aber nach neueren Daten möglicherweise nicht notwendig (Hocker et al. 2013). Eine komplette EEG-Suppression sollte nicht erfolgen. Nach 24 Stunden sollte sich eine Aufwachphase über 6 bis 12 Stunden anschließen, während der das Wiederauftreten von Anfallsaktivität im EEG sorgfältig zu beobachten ist.

      2.4.5 Stufe 4: superrefraktärer Status

      Persistiert ein Status auch nach 24-stündiger therapeutischer Intubationsnarkose, ist er superrefraktär. Es gibt für die Behandlung keine evidenzbasierten Empfehlungen. Prinzipiell können alle enteral und parenteral verfügbaren AED eingesetzt werden. Es gibt Fallberichte zum Einsatz von ketogener Diät, Ketamin, Magnesium, Steroiden, Immunglobulinen und Hypothermie. Bei Vorliegen einer läsionellen Epilepsie ist auch die Durchführung eines notfallmäßigen epilepsiechirurgischen Eingriffs eine prüfbare Option.

      2.4.6 Notfallbehandlung nach klinikinternem Algorithmus

      Ein einheitlicher klinikinterner Behandlungsalgorithmus ist bei der Behandlung des CSE entscheidend.

      Abbildung 2.3 zeigt das entsprechende Behandlungsschema aus dem Krankenhaus Mara, Epilepsiezentrum Bethel, erstellt in Anlehnung an (Trinka et al. 2015b).

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      Abb. 2.3: Beispiel für einen klinikinternen Behandlungsalgorithmus: Behandlungsschema für den CSE, Epilepsiezentrum Bethel, Krankenhaus Mara

      2.5 Therapie anderer Statusformen

      image Beim nichtkonvulsiven Status epilepticus ist eine i. v. Behandlung unter laufender Video-EEG-Ableitung ideal. image

      Die Initialbehandlung erfolgt wiederum mit Benzodiazepinen. Idealerweise sollte die i. v. Injektion bei laufender Video-EEG-Ableitung durchgeführt werden. Bei Therapieresistenz kommen die gleichen Medikamente in Betracht wie beim CSE. Zur Behandlung des Absencenstatus sind insbesondere Valproinsäure oder Levetiracetam gut geeignet, unter Phenytoin ist eine Verschlechterung möglich. Die Indikation zur Therapieeskalation ist beim nichtkonvulsiven Status epilepticus zurückhaltender zu stellen als beim CSE. Dies reflektiert sich auch in der neuen Statusdefinition der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE), wobei sich die zeitliche Frist bis zur Behandlung im Vergleich zum CSE nach hinten verschiebt (image Hintergrundinformation 2). Das Narkoserisiko ist abzuwägen gegenüber einer möglichen Hirnschädigung durch einen langanhaltenden fokalen NCSE (image Hintergrundinformationen 2).

      2.6 Besondere Konstellationen

      2.6.1 Epilepsiebeginn mit einem Status epilepticus

      Ein Status epilepticus kann auch die Erstmanifestation einer Epilepsie darstellen. Selten manifestiert sich eine Epilepsie mit einem refraktären Status epilepticus (NORSE), in 2/3 der Fälle tritt der Status aus einer Prodromalphase mit erkältungsähnlichen Symptomen auf (Sculier und Gaspard 2018). Die Prognose ist ungünstig. Je nach Studie verstarben kurzfristig 12–27 % der Betroffenen. Bei einer Untergruppe dieser Krankheitsentität tritt zwei Wochen und 24 Stunden vor Beginn des Status eine fieberhafte Erkrankung auf (Febrile Infection-Related Epilepsy Syndrome; FIRES). Eine Autoimmunenzephalitis ist die häufigste identifizierte Ursache der genannten Krankheitsbilder. Die beiden Krankheitsbilder treten meist bei gesunden jungen Erwachsenen oder Kindern im Schulalter auf.

      2.6.2 Antiepileptika-induzierter Status epilepticus

      image Beim Lennox-Gastaut-Syndrom ist eine Provokation tonischer Anfälle durch i. v. Benzodiazepingabe möglich. image

      Es wurde wiederholt die Provokation eines Status tonischer Anfälle bei Patienten mit Lennox-Gastaut-Syndrom (LGS) nach (i. v.) Benzodiazepin-Gabe beschrieben (Perucca et al. 1998). Auch für die orale Benzodiazepin-Gabe wurden entsprechende Fälle berichtet. Nach einem Experten-Konsensus trifft dies für Clobazam nicht zu (Cross et al. 2017). Nach der Literatur ist dieser Anfalls- bzw. Status-provozierende Effekt der Benzodiazepine nicht an die sedierenden Effekte dieser Medikamente gebunden. Nach unserer klinischen Beobachtung treten aber gerade bei LGS-Patienten tonische Anfälle häufig bei Müdigkeit auf. Aus diesem Grunde vermeiden wir möglichst bei dieser Patientengruppe tagsüber eine sedierende Medikation.

      2.6.3 Ringchromosom 20-Syndrom

      Beim Ringchromosom 20-Syndrom treten häufige Anfälle mit Verwirrtheit auf, mit und ohne zusätzliche motorische Anfälle. Das iktuale EEG zeigt langanhaltende bilaterale paroxysmale hochgespannte Slow-Waves mit gelegentlichen Spikes (Inoue et al. 1997; Vignoli et al. 2016).

      2.7 Anfallsserien in Abgrenzung zum Status epilepticus

      Die Anfallsfrequenz unterliegt bei zahlreichen Epilepsieverläufen spontanen Schwankungen. Es kann zu einem clusterartigen Verlauf kommen, also z. B. zu mehreren Tagen mit gehäuften Anfällen und dann wieder zu wochenlangen Pausen.

      Es kann aber auch zu mehreren epileptischen Anfällen an einem Tag kommen, ohne dass die Definition eines Status epilepticus bereits erfüllt wäre. In einer solchen Situation sollte ein Bedarfsmedikament zur Unterbrechung der Anfallsserie gegeben werden. Dies gilt insbesondere, wenn die Anfälle körperlich oder psychisch belastend sind oder mit Verletzungsgefahr einhergehen. Auch möchte man die Entwicklung eines Status verhindern. Hier wird das Vorgehen in der Regel durch die klinische Erfahrung geleitet. Selbstverständlich bedarf der einzelne, nicht prolongierte epileptische Anfall keiner speziellen medikamentösen Behandlung (Baier et al. 2017).

      Diazepam kann bei Anfallsserien rektal appliziert werden (image Kap. 2.4.2 »Stufe 1: Initialphase«). Lorazepam-Schmelztabletten sind nicht zur Unterbrechung von Anfallsserien zugelassen, es dauert teilweise recht lange bis zum Wirkeintritt, einige Patienten klagen über anhaltende Sedierung. Für das Kindes- und Jugendalter ist buccal zu verabreichendes Midazolam zugelassen. Die Anwendung ist einfach und das Medikament wird im Erwachsenenbereich