PYROMANIA. DAS WELTENBRENNEN. Victor Boden

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Название PYROMANIA. DAS WELTENBRENNEN
Автор произведения Victor Boden
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783957658937



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fuhr herum und übernahm das Steuer. Durch das vordere Sichtfenster erblickte sie den grünen Planeten Varietas. Wesentlich näher schwebte sein sonderbarer Trabant an die Jules III heran. Das kugelförmige Gebilde war größer als der Raumer und schien aus grünlichem Schleim zu bestehen. Aus den Tiefen dieser Schleimkugel bildete sich ein tentakelähnlicher Fangarm aus. Patricia schätzte den Kurs des Tentakels ab und warf das Steuerrad schwungvoll herum.

      »Ein Seitensegel hat einen Riss!«, verkündete die Sprechanlage scheppernd.

      »Einholen, Olivia«, befahl Patricia der Technikerin am anderen Ende der Verbindung. »Jambaar, was machen die Kanonen? Feuer frei!«

      »Feuer kommt!«, meldete Jambaar. »Kettenladung und Schrapnell.«

      Eine Erschütterung ließ das Schiff erbeben. Von ihrer Position aus sah Patricia, wie die Ladung Metallschrott und zwei mit Ketten verbundenen Kugeln den angreifenden Tentakel in Stücke rissen. Der Trabant bildete weitere Fangarme aus, doch er entfernte sich bereits zu schnell vom Raumer. Seine Umlaufbahn führte ihn von der Jules III fort.

      »Kapitän, ein Seitenruder ist defekt. Das Segel lässt sich nicht einholen. Wir müssen landen und das ganze verdammte Schiff reparieren.«

      »Dann bleibt nur die Landung auf Varietas«, sagte Matt Christie. »Endlich etwas Abwechslung.«

      »Dieser Schleimtrabant ist mit einer lianenartigen Ranke am Planeten befestigt«, sagte Bonnie Leach und ihre Augen strahlten, als sie es mitteilte. »Einzigartig. Wirklich bemerkenswert.«

      »Schön, wenn ich meiner Crew eine Freude machen kann«, murmelte Patricia und sah sich um. »Bonnie, wie lange dauert die Umlaufbahn dieses schleimigen Trabanten eigentlich?«

      »Moment … ich würde sagen, etwa fünf Minuten, warum?« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Oh!«

      »Olivia«, brüllte Patricia in den Trichter der Sprechanlage, »wir landen! Die Stützen ausfahren und die Segel vollständig einziehen.« Ohne ein weiteres Wort zwang die Kapitänin die Jules III in einen spiralförmigen Abwärtsdrift in Richtung Oberfläche.

      »Wann stoßen wir in die Atmosphäre vor?«, fragte sie beiläufig.

      »Gar nicht«, kam die prompte Antwort von Bonnie Leach.

      »Wieso nicht?«, fragte Patricia entsetzt.

      »Weil unsere verwirrte Forscherin zu Beginn etwas von einer Art Planet gemurmelt hat, richtig?«, warf Matt Christie ein.

      »Stimmt. Der Kern von Varietas ist ungewöhnlich leicht. Ich vermute, er besteht nur aus Biomasse.«

      »Nur aus Schleim?« Patricias Hände verkrampften sich am antiken Steuerrad.

      »Nein, die Äthersignale waren schwach, aber ich vermute, dass wir auf komplexe Lebensformen treffen werden.«

      »Wie komplex?«, fragte Matt Christie.

      »Varietas steht für Vielfalt und in dieser Hinsicht wird unser Ziel uns nicht enttäuschen.«

      Die Galionsfigur von Jules Verne bohrte sich tief in den weichen Boden. Grüne und violette Pflanzenteile stoben in jede Richtung davon. Die ausgefahrenen Stützen fanden kaum Halt in dem morastigen Untergrund.

      »Statusmeldung?«, rief Patricia in den Trichter.

      »Hülle intakt, Kapitänin. Ein Segel zerfetzt, aber reparierbar. Zeit, unsere Spinnen anzutreiben. Den Rest muss ich von außen sehen.«

      »Danke«, sagte sie und blickte sich in der Kommandozentrale um. »Was ist mit unseren besonderen ›Gästen‹? Immerhin haben wir sie aus der Hand der Sklavenhändler befreit. Dafür könnten sie sich ruhig etwas nützlich machen. Was wissen sie über Varietas?«

      »Keine Ahnung«, antwortete Bonnie.

      »Dann fragt sie gefälligst.«

      Die Forscherin hob den einzig verfügbaren Kommunikator auf und verließ die Brücke.

      Patricia sah aus dem verdreckten Frontfenster und entdeckte in dem undurchdringlichen Dschungel Lebewesen mit geschuppten Panzern und gelben Augen. Eines der Wesen bleckte die säbelartigen Zähne.

      »Wir können Hilfe brauchen«, murmelte sie.

      Eine der affenartigen Kreaturen stürmte auf die Seitenluke zu und zerrte an dem Metall.

      »An alle«, sagte sie in den Trichter der Sprechanlage, »wir sind notgelandet. Außenmontur anlegen und persönliche Bewaffnung mitführen. Absolute Priorität besitzt die Reparatur der Segel und des Seitenruders. Konfrontationen mit den Bewohnern von Varietas vermeiden. Ende.«

      Sie kehrte zum Steuerrad zurück und lehnte sich daran. Ihr Erster Offizier Christie tauchte neben ihr auf und hielt ihr den ätherbeständigen Druckanzug und die Helmglocke entgegen.

      Er strich über seinen Schnurrbart und sagte: »Da draußen werden wir uns nur schwer behaupten können. Ich würde starke Bewaffnung vorschlagen. Die achtschüssigen Repulsorwaffen könnten sich als zu schwach erweisen …«

      »Woraus schließen Sie das?«

      »Da ist so ein Kribbeln zwischen meinen Schulterblättern«, bekannte er freimütig.

      »Etwas Stichhaltigeres haben Sie nicht?«

      »Es hat mich während meiner ersten Karriere als … Freibeuter am Leben gehalten.« Mit einem breiten Grinsen fügte er hinzu: »Und vollständig intakt.«

      Sie schwor sich, sollte sein Blick ihre Beinprothese streifen, würde sie ihn auspeitschen. Er vermied es und so schlüpfte sie ebenso wie er in den Anzug. Das Schott zur Brücke öffnete sich scheppernd und Bonnie kehrte mit dem roten Gorilla zurück.

      Wie die fremden Sklavenhändler diesen Riesen unter ihre Gewalt gebracht hatten, war Patricia schleierhaft. Fest stand, dass sie trotz Kommunikator weder seinen Namen, noch seine Spezies herausgefunden hatten. Wegen der auffälligen Hautfarbe nannte ihn die Crew »den Marsianer«. Die gelben Augen blickten nach draußen und entdeckten die beschuppten Wesen. Sofort leuchteten die Pupillen lodernd auf. Patricia zeigte auf das Außenschott und der Marsianer machte sich auf den Weg.

      Ob er unsere Gedanken lesen kann?, fragte sie sich. Kopfschüttelnd machte sie sich auf den Weg zum Spinnenraum. Tom, einer von Jambaars einfältigen Bordschützen, blickte gerade in die Luke des Zuchtraumes.

      »Kapitänin Woods«, er nahm so etwas wie Haltung an, »ich fürchte, wir haben Probleme.«

      »Nun, da drin ist irgendwie …«

      Sie warf selbst einen Blick durch die Luke und sah den Zuchtraum der Seidenspinnen. Vor dem Kesselunfall waren Äthersegel reine Dekoration. Jetzt hingegen waren sie überlebenswichtig. Der Raum sah fürchterlich aus, da sie befohlen hatte, sämtliche Fäkalien in die ehemalige Kabine zu leiten. Die damit gezüchteten Fliegen hielten die faustgroßen Seidenspinnen am Leben. Ein Vorgehen, welches die Queen niemals geduldet hätte. Hier draußen jedoch, weitab von den bekannten Handelswegen, verschollen und orientierungslos?

      Ihr Erster Offizier war ein ehemaliger Pirat, viel schlimmer konnte es nicht kommen. Wobei sie sich manchmal nach seinen starken Armen sehnte. Ein Zustand, der zum Glück immer wieder rasch verging.

      Sie verwarf die Gedanken und konzentrierte sich auf den Anblick. Etwas fehlte. Die schwarze Wolke aus Fliegen war verschwunden. Sie drehte sich zu dem Bordschützen um und fragte: »Was ist dort passiert?«

      »Keine Ahnung, Kapitänin. Als ich die Sch…abwässer umgeleitet hatte, kam ein übler Geruch hoch und dann habe ich wohl etwas viel Reinigungskalk zugegeben …«

      »Sie haben was zugegeben?«, schrie sie ihn an. Ihre Hand hob die Peitsche.

      »Ich habe nicht nachgedacht und im nächsten Augenblick …«

      »Sie denken nie nach! Ich sollte Sie in Kalk ertränken lassen, elender Wurm von einem …«

      Aus