Dornröschen und der Mettsommernachts-Traum. Nina MacKay

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Название Dornröschen und der Mettsommernachts-Traum
Автор произведения Nina MacKay
Жанр Языкознание
Серия Hipster-Märchenreihe
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959919883



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Holz. Und ich erinnere mich daran, wie lange Rexia bereits kein Kind mehr verspeist hat. Seit der Geburt ihrer Tochter.

      »Aber mit einer günstigen Lebensversicherung könnte Gretel vermutlich sehr viel Geld machen«, sagt Quinn.

      »Jetzt lass sie doch mal.« Ich drehe mich zur Winzkönigin um, die langsam zur Witzkönigin mutiert.

      »Hab ich was verpasst?«

      Ich zucke zusammen und erleide fast einen Herzinfarkt, als Gretel hinter mir mit beiden Füßen auf dem Waldboden landet. Wie kann man so plötzlich aus der Kutsche gesprungen kommen?

      »Sorry, ich musste asap die Supplier-Liste vom Backoffice updaten.«

      Jaz schnaubt. »Noch mehr Anglizismen konnte man wohl nicht in einem einzigen Satz unterbringen?«

      »Schon, aber dann bräuchtet ihr ein Wörterbuch.«

      Auf diese Diskussion lasse ich mich gar nicht erst ein. Stattdessen steuere ich die Tür der Hütte an, stoße das vermoderte Holz mit spitzen Fingern auf.

      »Finde ich gut, dass du so gelassen mit diesem Ort umgehst«, lobt Jaz Gretel.

      »Wie dieser Ort?« Nach einer kurzen Unterbrechung fügt Gretel hinzu: »Du meinst, das hier ist die Hütte? Mein Gefängnis von vor über zehn Jahren?« Ihre Stimme klingt auf einmal so schrill wie die Türglocke in ihrer Backstube.

      Jaz atmet hörbar erschrocken ein. Der Arme. Gretel hat ihn schon wieder am Haken.

      Immerhin erlöst sie ihn nach ungefähr drei Sekunden. »War ein Spaß. Schau nicht so. Du bist einfach ein zu perfekter Gentleman, Junge. Und Ironie bist du halt echt nicht gewohnt. Ehrlich mal, auf diesem Piratenschiff, gibt’s da noch was anderes außer Rum, Meerjungfrauen und Schenkelklopfer?«

      »Schluss damit.« Ich winke den beiden, taste mich gleichzeitig im Halbdunkel des Flurs vorwärts. »Dann wollen wir mal hoffen, dass Aladin den Köder geschluckt hat und ebenfalls unterwegs ist.«

      Im Stillen danke ich der herzensguten, wenn auch sehr verpeilten Alice, die mir heute nicht nur meinen Rucksack aus Wonderland bringt, den ich in Jasemins Palast zurückgelassen hatte, sondern sich dort vor wenigen Minuten wie zufällig laut erkundigt hat, ob Jasemin nicht durch die drei goldenen Haare des Teufels wieder zum Leben erweckt werden könne. Sie ist einfach die beste schlechte Nicht-Schauspielerin von Wonderland.

      Vor dem Backofen ist dann endlich auch Gretel still.

      Ich neige den Kopf, blinzle mehrmals. »Das ist jetzt nicht wahr, oder?«

      »Das muss doch mit dem Teufel zugehen«, springt mir die Herzkönigin bei. »Wegen Renovierung geschlossen? Was will er denn aus dem Ding machen? Ein Cerankochfeld?«

      »Hab schon Verrückteres gesehen«, meint Gretel, wobei sie die Achseln zuckt. »Aber jetzt wird mir auch klar, warum in Banes Onlineshop das Absperrband ausverkauft ist.«

      Genau wie ich neigt Jaz nun den Kopf in eine Richtung, betrachtet Schild und Absperrung. »Ja, daran hat er echt nicht gespart.«

      Gespart? Den Ofen damit komplett eingewickelt hat der Teufel. Alles in weiß-rot gestreiftes Band.

      »Und jetzt?« Wäre auch zu einfach gewesen, wenn wir hier so ohne Probleme weitergekommen wären. Ich seufze.

      »Wir könnten uns den Weg freisprengen«, schlägt Gretel vor.

      »Oder den Neverland-Tunnel nehmen«, sagt Jaz, »den Pan für … ähm, den er einmal hat ausheben lassen.«

      Für Fear. Er hat ihn für Fear graben lassen. Wissen wir. Komischerweise lässt der Gedanke daran, dass Jaz und Pan einmal mit allen Mitteln um Fear gekämpft haben, meinen Magen gleichzeitig heiß und kalt blubbern.

      »Verfluchter Mist!« Wie von allein donnert meine Faust gegen die Seitenwand des Ofens. »Kann nicht mal eine Sache glatt­laufen, bei allen Schweinchen des Märchenwalds!« Zu allem Unglück spannen und kribbeln meine Finger auf einmal. Vor meinen Augen verformen sich meine Nägel zu Werwolfkrallen.

      Bitte nicht.

      Jemand klopft von draußen an das Fenster hinter der Spüle. »Entschuldigt mal, geht das auch ein wenig leiser? Wir sind hier hart auf der Jagd.« Draußen erkenne ich Sterntaler, die ein Gewehr schwenkt. »Paintball Showdown. Habt ihr doch safe schon gehört!«

      Gerade sie hat uns noch gefehlt. Oh, wie ich diese Ghetto­sprache hasse. Irgendwie hasse ich alles und jeden in diesem Moment.

      Obwohl mir Jaz eine Hand auf die Schulter legt und mir zu­raunt, dass ich mich nicht von meinem Wolfstemperament mitreißen lassen soll, schreie ich los. »Kannst du deinen kindischen Mist nicht woanders ausleben und uns verdammt noch mal in Ruhe lassen? Verflucht!«

      Swusch. Auf einmal verschwimmt alles um mich herum. Zuerst kapiere ich gar nichts, bis eine leise Vorahnung in mir aufkeimt wie Evers Chiasamen. Nein, oder? Das hat er gerade nicht wirklich getan?

      Eine Stunde zuvor

       ~Rose~

      Ich werde mich opfern und zu Charming zurückgehen. Jedenfalls bis Reds Großmutter in Sicherheit ist.« Ein Schluckaufanfall schüttelt Cinders Schultern, während sie schluchzt.

      »Das wirst du nicht müssen«, versucht Pan sie zum hundertsten Mal zu beruhigen.

      Die Grinsekatze beißt schon vor lauter Stress in ihren buschigen Schwanz.

      Sanft tätschelt Rose den Kopf der Katze, beobachtet die dramatische Szene, die sich vor ihr in der Kutsche abspielt.

      Pans Augen strahlen seine Angebetete an, während er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht streicht, die sich in Cinders Wimpern verfangen hat. »Ich werde auf dich achtgeben. Jeden einzelnen Tag meines Lebens.«

      Aus dem Augenwinkel bemerkt Rose, wie Grin seine Worte lautlos nachäfft. Etwas pocht hinter Rose’ linkem Auge. Sie ist fürchterlich müde. Doch jetzt gilt es, Reds Großmutter zu retten. Keine Zeit für ein Nickerchen.

      Allerdings fehlt ihr die Kraft, Cinders Monologen weiter zu folgen, die sich ein ums andere Mal um Selbstaufopferung drehen.

      Sobald die Kutsche zum Stillstand gekommen ist, springen die Hexen zuerst heraus. Deutlich kann man Rexia Pain zuflüstern hören: »Noch ein Wort von ihr und ich fange wieder an, Kinder zu essen.«

      »Regt euch nicht auf, sie meint es nur gut«, versucht Rapunzel die beiden zu beruhigen. »Tief durchatmen.«

      Synchron atmen die zwei gesichtsoperierten Hexen einmal tief durch. Sogar ihre Nasenflügel blähen sich exakt im selben Maß.

      Irgendwo hackt ein Specht mit ungefähr demselben Aggressions­potential in einen Ast. Das Ganze hat irgendwas von der Melodie und Rhythmus des Lieds Highway to Hell.

      Ist sie das?« Rose nickt in Richtung der Hütte. »Sieht genauso aus wie in Spiegleins Projektion.«

      »Völlig korrekt«, sagt der selbst ernannte Whistle-Blower, der die Szene von Cinders Smartphone aus beobachtet, das sie an ihrem zusammengeklappten Selfiestick hält.

      »Jap. Hier haben wir diese Party gefeiert, bevor wir begriffen haben, dass es eigentlich ein Kidnapping war«, sagt Prinz Cedric, der nun einen Arm um Rose’ Hüfte schlingt. »Aber es gab immer anspruchsvolle Seifenopern zu sehen.«

      Die Grinsekatze faucht und schlägt mit ihren Krallen nach seiner Hand.

      »Wir anderen haben dagegen zehnmal eher begriffen, dass euch die Dreizehnte Fee sicher schnell wieder loswerden will«, sagt Snow, wobei sie wie ihre Ex-Stiefmutter klingt.

      »Wie auch immer, Leute. Es ist fünf vor zwölf«, informiert Rapunzel sie, die Herbert immer noch in seiner Tupperdose im Arm hält.

      Rose’ Kopf ruckt nach oben. Nur noch wenige Minuten, um Reds Großmutter zu retten …

      Doch ehe sie etwas sagen kann, ertönt ein Schrei aus der Hütte der Dreizehnten Fee, der alle zusammenfahren