Animant Crumbs Staubchronik. Lin Rina

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Название Animant Crumbs Staubchronik
Автор произведения Lin Rina
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783959913928



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er unten am Tresen abgeholt hatte. Noch etwas, das in Zukunft meine Aufgabe sein würde. Ich sah ihm nach, wie er ohne sich umzudrehen in seinem Büro verschwand und stand nun unschlüssig in der Halle.

      Eine gigantische Anzahl an Dingen war zu tun und ich fühlte mich von der schieren Masse so überwältigt, dass ich wie gelähmt war. Auf was hatte ich mich da nur eingelassen? In was hatte mein Onkel mich nur hineinmanövriert?

      Sicher bereute er selber bereits, dass er mich bei Mr Reed abgeliefert hatte. Sein Blick und das falsche Lächeln hatten ihn verraten. Was er zunächst für einen kleinen Spaß gehalten hatte, erwies sich durch Mr Reeds augenscheinliche Abneigung als höchst kompliziert und nun muss Onkel Alfred aufgegangen sein, was er seiner geliebten Nichte da eigentlich antat.

      Doch es gab jetzt kein Zurück mehr. Zumindest nicht, wenn ich meine Ehre behalten wollte. Wenn ich so schnell aufgab, würde Mr Reed nur schnauben, »Ich hab es ja gewusst« murmeln und weiterhin auf Frauen herabsehen, als wäre sein Beamtenarsch etwas Besseres.

      Außerdem war dies hier ein Traumland voller Bücher und ich musste zumindest die Gelegenheit finden, in ein paar hineinzuschmökern.

      Unruhig durch die neue Verantwortung zog ich die Unterlippe zwischen die Zähne, was ich mir in der Öffentlichkeit oft verkniff, und drückte meinen Notizblock fester an meine Brust.

      Ich würde es einfach angehen, meinen Ehrgeiz und meine Intelligenz nutzen, um mich ordentlich zu strukturieren, und dann wäre es sicher ein Klacks. Hoffte ich zumindest.

      Eilig setzte ich mich an einen der Tische und besah mir all die Aufgaben, die zusammengekommen waren. Sie zu sortieren, fiel mir nicht schwer. Es gab die täglichen und diejenigen, die nur sporadisch vorkamen, und ich erstellte mir dann einen Tagesplan, um dem Ganzen eine Reihenfolge zu geben. Wichtige vor unwichtigeren, große wurden unterteilt in viele kleine.

      Als ich fertig war, fühlte ich mich gleich viel besser, hatte einen ersten Überblick über meine Tätigkeiten und war bereit, es anzugehen. Ich verstaute den Notizblock in meiner Rocktasche und machte mich auf zu den zwei jungen Männern, die Mr Reed mir vorgestellt hatte und die am Tresen arbeiteten.

      Sie hießen Cody und Oscar und musterten mich skeptisch, als ich auf sie zugelaufen kam.

      »Guten Tag, die Herren«, grüßte ich freundlich und schaffte es in meinem Überschwang sogar zu lächeln. »Da Mr Reed ein schwer beschäftigter Mann zu sein scheint und ich noch so viel zu lernen habe, würde ich gerne Ihrer Arbeit ein wenig zusehen. Wäre das wohl möglich?«, formulierte ich höflich und sah in zwei verdatterte Gesichter. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, als hätten die beiden mich nicht verstanden.

      »Äm, klar, Miss. Wenn Sie das gern wollen«, antwortete Oscar flapsig und zuckte unbeholfen mit den Schultern, während er immer wieder zu Cody sah, als wollte er sich vergewissern, dass es in Ordnung war, was er sagte.

      Obwohl die beiden ordentlich angezogen waren, ließ mich das Gefühl nicht mehr los, dass sie wohl nicht aus reichen Elternhäusern stammten und daher sicher auch keine sehr umfassende schulische und charakterliche Bildung genossen hatten. Vielleicht lag es an der Art, wie Oscar gesprochen hatte, vielleicht aber auch an Codys zurückgezogener Haltung, die ihn wie einen geprügelten Hund aussehen ließ.

      Ich wusste nicht recht, wie ich damit umgehen sollte, zwang mein Lächeln zu bleiben, wo es war und trat hinter den Tresen, um mir das Ganze genauer anzusehen.

      Der gesamte untere Bereich des Tresens war voller Schubladen, die nach dem Alphabet beschriftet waren.

      Ein junger Mann mit hellblauer, teuer bestickter Weste kam mit drei Büchern unter dem Arm auf uns zu und legte sie vor Cody auf den Tresen.

      »Mr Lassiter«, sprach Oscar ihn an, während Cody nur verschüchtert nach unten sah und die Schublade L öffnete. Es dauerte nur einen Moment, bis er eine längliche Karte aus schwerem Papier herauszog und sich von Oscar die Titel der Bücher diktieren ließ, die Mr Lassiter gewillt war zu entleihen.

      Oscar öffnete jedes der Bücher am hinteren Deckel, nahm die dort befindlichen Zettel heraus und drückte mit einem Stempel das Rückgabedatum darauf.

      Dieser Vorgang war mir bekannt und es tat gut, dass diese Bibliothek der meinen zu Hause doch nicht so unähnlich war.

      Dann fiel Mr Lassiters Blick auf mich und das leicht ungeduldige Desinteresse, das er den beiden jungen Männern entgegengebracht hatte, verwandelte sich in Überraschung.

      »Wer ist denn die Lady?«, fragte er und sprach damit keine bestimmte Person an, so als würde er die Frage an sich selbst richten. Seine Stimme war angenehm klar und doch so glatt, dass ich kein Interesse daran hatte, diesem Mann vorgestellt zu werden, da sie von Arroganz und einer unguten Verschlagenheit zeugte.

      Er musterte mich so unverhohlen, dass ich mich für sein Betragen schämte und nicht anders konnte, als trotzig den Kopf zu heben und seinem unerhörten Blick standzuhalten.

      »Sie wird die neue Bibliothekarsassistentin«, erklärte Oscar, der offensichtlich der Gesprächigere von den beiden Jungen war, und warf mir einen vielsagenden Blick zu, der von Unsicherheit bis Ungläubigkeit alles enthielt und mir sagte, dass er nicht daran glaubte, dass ich lange bleiben würde.

      »Was? Wirklich?«, platzte es belustigt aus Mr Lassiter heraus, als hätte Oscar einen Witz gemacht, und er musste sich bemühen, seine Stimme gesenkt zu halten.

      Mir wurde es langsam zu bunt. Ich war ja wohl kein Tier im Käfig. Sollte dieser eingebildete Kerl doch glauben, was er wollte. Innerlich schnaubend wandte ich mich mit einer schwungvollen Bewegung ab und trat aus dem U des Tresens hervor. Ohne den Mann anzusehen, ging ich an ihm vorbei, als er sich mir geschmeidig in den Weg schob.

      »Sollte eine schöne Frau sich nicht lieber einen Ehemann suchen, als sich von einem Tyrannen wie Mr Reed herumscheuchen zu lassen?«, wollte er amüsiert von mir wissen und das Glitzern in seinen Augen verriet mir, dass er sich über mich lustig machte.

      Mein erster Gedanke war, dass es für mich keinen Unterschied machte, ob der Tyrann mein Vorgesetzter oder mein Angetrauter war, doch ich sprach ihn nicht aus. »Das ist aber traurig«, sagte ich stattdessen und machte ein mitleidiges Gesicht. »Sie klingen so rückständig wie meine Mutter.« Und damit ließ ich ihn einfach stehen.

      Ich fand in einem der Seitenflügel einen Raum, der wohl für viele meiner Arbeiten gedacht war, und ärgerte mich, dass Mr Reed nicht die Güte besessen hatte, mich darauf hinzuweisen, dass diese Kammer existierte. Sie war groß wie ein kleiner Salon, mit hohen Fenstern, die in den Park hinausgingen. Helle Regale und Aktenschränke standen an den Wänden, gefüllt mit Bücherkarteien, Aufzeichnungen über Buchbestellungen und Lieferungen und sämtlichen Verleihkarten ehemaliger Studenten, die jemals ein Buch aus diesen Hallen ausgeliehen hatten. Auf einem massiven Holztisch standen mehrere eigentümliche Maschinen, die ich aber schnell identifizieren konnte. Die eine war für die Prägung der Metallplättchen, die an die Buchrücken gehörten, und ich probierte mich an ihr, was leichter war als vermutet. Die zweite nietete die Plättchen an die Buchrücken und ich brauchte einen so immensen Kraftaufwand für den Hebel, dass ich mein ganzes Körpergewicht einsetzen musste, um ihn herunterzudrücken.

      Im gleichen Zimmer fand ich auch eine ganze Reihe an hölzernen Platten, jeweils eine Handspanne hoch und breit, dünn wie eine Scheibe Wurst und mit zwei Löchern im oberen Bereich. Auch sie wurden geprägt mit Buchtitel, Autor, Standort des Buches und Schlagwörtern zum Inhalt. Doch leider war es für mich nicht ausreichend ersichtlich, wofür sie gedacht waren. Hatten sie vielleicht etwas mit der besagten Suchmaschine zu tun?

      Auch die beschädigten Werke lagerten hier kreuz und quer und ohne jegliche Ordnung, sodass es mir beinahe schon leidtat um die armen Bücher.

      Ich ging langsam alle Punkte meiner Liste durch, suchte nach den dazugehörigen Arbeitsbereichen innerhalb der Bibliothek und brachte Stunden damit zu, mich zurechtzufinden.

      Die Zeit schritt voran und ich konnte auf der Standuhr, die im rechten Flügel zwischen Theologie und Philosophie an der Wand stand, ablesen, wie schnell.

      Ich fühlte mich, als ob