Название | Animant Crumbs Staubchronik |
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Автор произведения | Lin Rina |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783959913928 |
Und eins wurde mir in diesem Moment überdeutlich. Ich hasste diesen Mann aus vollem Herzen.
Das Fünfte oder das, in dem ich blieb.
Es war genau sieben Uhr neunundzwanzig und ich stand vor der geschlossenen Tür der Royal University Library. Der Morgen war kalt, noch kälter als gestern, und ich hatte mir einen wärmeren Mantel angezogen. Meine Finger waren eisig, obwohl ich Handschuhe trug, und ich holte zittrig Luft.
Wenn man mich gefragt hätte, was mich dazu bewogen hatte, heute Morgen wieder hierherzukommen, ich hätte keine Antwort gehabt.
Mein Onkel war nicht zu Hause gewesen, als mir Mr Dolls, der Butler, die Tür geöffnet hatte. Tante Lillian sagte mir, dass er wohl erst morgen Abend wieder da sein würde und ich schimpfte ihn innerlich einen Feigling, weil er sich so der Auseinandersetzung mit meinem noch frisch entfachten Zorn entzog.
Meine Beine zitterten, als mich meine Tante zum Abendessen nötigte und ich verschlang ganz undamenhaft eine ganze Lammkeule, fünf große Kartoffeln und zwei Schokoladenpudding mit Schlagsahne.
Sie fragte mich, wie es mir in der Bibliothek ergangen war, und ich hatte nichts darauf erwidert.
Unruhig hatte ich mich die halbe Nacht herumgewälzt und die andere Hälfte schlecht geträumt, nur um schließlich um sechs in der Früh hellwach im Bett zu sitzen und mich zu fragen, was ich nun tun sollte.
Wollte ich mir das heute wirklich noch einmal antun?
Ich konnte einfach im Bett bleiben, sagen, dass das alles nichts für mich war und wieder in mein Provinznest zurückkehren. Ich würde einfach alles hinschmeißen und Mr Reed würde weiterhin schlecht von mir denken. Doch was gab ich schon auf die Meinung eines unhöflichen Mannes, der Spaß daran hatte, andere Menschen mit Arbeit zu überfordern, um dabei zuzusehen, wie sie unter der Last zusammenbrachen.
Außerdem würde es zu Hause niemand wissen. Meine Eltern hatten Stillschweigen darüber bewahrt, dass ich vorhatte zu arbeiten, und niemand würde mich je wieder darauf ansprechen.
Außer meiner Mutter vielleicht.
Das klang in meinem Kopf alles fantastisch und doch hatten sich meine Beine aus dem Bett bewegt. Ich hatte mich gewaschen und angezogen und war noch vor Tante Lillian im Esszimmer eingetroffen, um ein schnelles Frühstück zu mir zu nehmen.
Meine Tante hatte mich gefragt, ob ich mir sicher wäre; ich hatte nur schmal gelächelt und nach meinem dickeren Mantel verlangt.
Und jetzt stand ich hier, frierend, unentschlossen und wartete darauf, dass die Türen sich öffneten.
Ich war nur wenigen Menschen begegnet und fühlte mich in dem Vorurteil bestätigt, dass das Studentenleben immer erst nach neun Uhr am Morgen begann.
Eine graue Gestalt kam durch den dünnen Nebel. Mit großen Schritten, den Kragen hochgeschlagen und einen dicken Schal um den Hals, kam Mr Reed durch den morgendlichen Dunst auf mich zu, die Augen auf den Boden gerichtet, die Gedanken ganz weit weg.
Er bog auf den Weg zur Bibliothek ein und kramte in seiner Manteltasche nach einem Schlüsselbund, bevor er den Blick hob und wie angewurzelt stehen blieb.
»Guten Morgen, Mr Reed«, sagte ich aus dem Zwang heraus, höflich zu sein, und verkniff mir, von einem Bein auf das andere zu treten, um mich warm zu halten. Ich wollte schließlich nicht wie ein zappeliges Kind aussehen.
Meine Wut gegenüber diesem Mann war inzwischen verraucht und obwohl ich ihn immer noch nicht besser leiden konnte, fiel es mir schwer, ihn so inbrünstig zu hassen wie noch einen Tag zuvor.
»Miss Crumb«, kam es überrascht aus seinem Mund, als wäre ich heute Nacht von fliegenden Piraten verschleppt worden und durch ein Wunder wieder hier vor die Tür der Bibliothek geraten. »Sie sind hier«, fügte er hinzu und ich entschied, es zu handhaben wie bei meiner Mutter und mich absichtlich unwissend zu stellen.
»Es ist sieben Uhr dreißig. Wo sollte ich sonst sein?«, gab ich also zurück und behielt meinen neutralen Gesichtsausdruck bei.
Mr Reed nickte und setzte sich wieder in Bewegung. Während die Schlüssel beim Aufschließen gegeneinanderklirrten, lag sein Blick prüfend auf mir und ich bemühte mich, ihn nicht anzusehen und richtete meinen Blick stattdessen möglichst gelangweilt auf die Tür.
»Sie sind einer von sechs, die am nächsten Tag wiedergekommen sind«, meinte er plötzlich und ich wandte ihm meinen Blick zu.
Ich hob nur unbeeindruckt die Augenbrauen, auch wenn ich gern laut geschnaubt hätte. Es wunderte mich gar nicht, dass sie nicht wiederkamen, wenn sie von ihm so behandelt wurden wie ich. »Von wie vielen insgesamt?«, fragte ich und die Tür schwang auf.
»Fünfundzwanzig«, antwortete Mr Reed mir und machte eine Geste mit der Hand, die mir bedeutete, als Erste ins warme Innere des Gebäudes zu treten.
Ich raffte meine Röcke und stieg die kleine Stufe hinauf ins Foyer. Das war die erste höfliche Geste gewesen, die Mr Reed mir gegenüber gezeigt hatte, und es überraschte mich, da ich ihm allgemeine Höflichkeit bereits abgesprochen hatte.
Gerne hätte ich zu ihm gesagt, dass es mich nicht wunderte, dass die neunzehn anderen nicht wiedergekommen waren, doch da war Mr Reed auch schon an mir vorbei und lief mit großen Schritten auf die Treppe zu, die seinem Büro am nächsten war.
»Kommen Sie, Miss Crumb. Keine Müdigkeit vortäuschen!«, rief er mir zu und es hörte sich seltsam an, wie der Klang seiner Stimme durch den runden Lesesaal hallte. Es kam dem Entweihen einer Kirche gleich, in einer Bibliothek die Stimme zu heben, ungeachtet dessen, dass außer uns niemand hier war.
Ich blinzelte, nahm mir vor, in Zukunft schneller mit meinen Antworten zu sein und ging trotz Aufforderung nur so zügig, wie es sich für eine Dame gehörte.
Ich stieg die Treppen hinauf, kam an Mr Reeds Bürotür vorbei, hinter der ein Geräusch ertönte, als wäre etwas Schweres zu Boden gefallen. Ein lautes Fluchen folgte und ich machte mich eilig daran, meinen Mantel im Nebenraum abzulegen.
Gerade kam ich wieder heraus, da stand Mr Reed auch schon vor mir. Er trug einen dunkelbraunen Anzug und eine hellere Weste zu einem beigefarbenen Hemd. Es stand ihm gut und betonte die dunkle Farbe seiner Augen.
»Hier«, sagte er und hielt mir einen kleinen Seidenbeutel hin. »Zwei Schilling bekommt der Zeitungsjunge und keinen Penny mehr. Lassen Sie sich nicht von ihm abziehen«, wies er mich an und ich nahm den Beutel entgegen. Er war schwer und ich schob ihn mir in die Rocktasche, aus der ich im gleichen Zug Notizblock und Bleistift herauszog.
2 Schilling, schrieb ich hinter den Punkt mit den Zeitungen auf meiner Liste und lief dabei Mr Reed hinterher, der zurück zur Treppe ging.
»Mr Reed, eine Frage«, sprach ich ihn an, gerade als er die ersten paar Stufen genommen hatte. Er machte auf dem Absatz kehrt und sah mich durchdringend an.
Es war ein komisches Gefühl, auf ihn herabzusehen, obwohl er es scheinbar gar nicht bemerkte.
Ein ungeduldiges Zucken seiner Augenbrauen war die einzige Aufforderung, die ich bekam.
»Wo befindet sich das Archiv und wie finde ich dort den Platz, an den die alten Zeitungen gehören?«, wollte ich wissen und Mr Reeds Gesicht bewegte sich kaum.
»Das waren aber zwei Fragen«, gab er altklug von sich und ich kniff die Lippen zusammen. Meine Laune, die ich bisher recht neutral gehalten hatte, begann sich zu verschlechtern.
»Mein Fehler«, gab ich also zu und zwang mich, die Mundwinkel zu heben, um meine Gefühle zu verbergen.
Mr Reed nickte nur, wandte sich wieder von mir ab und nahm die restlichen Stufen. »Im Westflügel