Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf. Uli Wittstock

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Название Weißes Rauschen oder Die sieben Tage von Bardorf
Автор произведения Uli Wittstock
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783954627929



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      Holger Wirtz klopfte zur Begrüßung auf den alten, speckigen Tresen, während Torsten Dudeck am Eingang stehen blieb. Die Tour begann am Roten Baum, der Lieblingskneipe des Chefs, der von hier aus das ganze Viertel erobert hatte. Schon damals waren Elsi und vor allem ihr Bier so eine Art Mutterersatz für den Chef, was aber keinen Einfluss auf ihre geschäftliche Beziehung hatte. Elsi schob den Umschlag über den Tisch. Dann noch einen zweiten.

      „Der ist von Thai Lin. Die ist gerade mit einem Kunden oben. Der sah aus wie ein Zivilbulle.“

      „Danke für den Tipp. Wir sehen uns.“

      Holger Wirtz klopfte erneut auf den Tresen, steuerte dann zum Ausgang, vorbei an Dudeck, der sich noch einmal umsah und dann folgte. Vom Roten Baum ging es weiter zum Excelsior, einer verrauchten Spielhalle, in denen die Automaten zu dieser Uhrzeit noch vor sich hin dösten, dann zum Sexy Land, in dem sich tagsüber ältere Männer im Dunkel der Videokabinen befleckten und abends Neugierige aus den Vorstädten verlegen herumstanden. Vom Sexy Land ging es noch einmal treppab in Basti’s-Tattoo-Shop. Diesmal blieb Torsten Dudeck draußen. Gegen das Geländer gelehnt winkte er zum Transporter, der sich nun langsam näherte. Als er anhielt, sprang Dudeck hinein und verdrehte den Rückspiegel.

      „Erstes Fenster rechts, bei dem Thai-Mädchen. Da soll ein Zivilbulle sein.“

      Erik Karipke wischte mit der Hand über das Lenkrad.

      „Machen können wir nichts. Wir haben den falschen Wagen.“

      „Wir sollen ja auch gar nichts machen. Ich will den Vogel nur sehen.“

      „Ich kann hier nicht ewig stehen. Hier ist Halteverbot.“

      Der Chef war geizig und ließ die Jungs die Parkscheine und Strafzettel selbst bezahlen. Dies war in seinen Augen aber vor allem eine erzieherische Maßnahme, damit seine Mitarbeiter so unauffällig wie möglich ihre Runde drehten.

      „Die Kleine ist wieder frei.“

      Tatsächlich leuchtete ein roter Lampenschirm hinter der Gardine und Torsten Dudeck drehte den Spiegel tiefer, bis er den Eingang vom Roten Baum sehen konnte.

      „Diese scheiß Stromsparerei. Man sieht überhaupt nichts.“

      Es war tatsächlich schon ziemlich dunkel geworden, aber die meisten Leuchtreklamen hingen noch wie schattige Nester an den Häusern. Holger Wirtz klopfte jetzt gegen das Fenster und Dudeck rutschte in die Mitte. Er hasste es, dort sitzen zu müssen.

      „Hat er dir die Eichel tätowiert oder warum hat das so lange gedauert?“

      Holger Wirtz schob die Couverts in eine Tasche unter dem Sitz. Er sprach wie immer leise.

      „Wie oft soll ich dir das noch sagen. Wir sind ein Service-Unternehmen. Und da gehört die Kommunikation mit dem Kunden dazu. Warum fahren wir eigentlich nicht los?“

      „Ich will sehen, wer da bei der Thai-Mieze war.“

      „Der Tätowierer sagt, das ist ein Geheimbulle. Kommt jeden Montag. Blümchensex, legt für Streicheln noch einen Zehner drauf. Das ist der Vorteil bei richtigem Service: Die Leute reden mit mir, auch ohne dass ich ihnen die Arme breche.“

      Von der Bahnhofstraße fuhren sie jetzt hinüber zum Hanseplatz, hielten kurz vor dem Vierundzwanzig-Stunden-Markt, wo Holger Wirtz eine Cola kaufte, dann ging es weiter zum Netzpoint. Der Inhaber war möglicherweise ein Araber, vielleicht aber auch ein Asiat oder Europäer, so richtig wusste das niemand im Viertel. Hingegen wussten alle, dass die gebrauchten Handys in der Auslage nicht der wirkliche Geschäftszweck des Ladens sein konnten, denn die Modelle wirkten so altertümlich, dass es fraglich schien, ob die klobigen Akkus überhaupt noch ein paar Millivolt Strom bei sich halten würden. Womit der schweigsame Mann hinter der verstaubten Auslage stattdessen seinen Lebensunterhalt bestritt, war also Anlass für zahlreiche Spekulationen und Gerüchte. Der Chef schien jedenfalls einigen Respekt zu haben, denn er hatte das Team angewiesen, einen betont höflichen Umgangston mit dem Inhaber zu pflegen, was auch deswegen eine Herausforderung war, weil der Mann noch nie etwas gesagt hatte.

      „Entschuldigung. Wir sind leider etwas aufgehalten worden.“

      Holger Wirtz brauchte nur fünf Schritte von der Ladentür zur Verkaufstheke. Der Mann saß wie immer auf einer Art Barhocker hinter einem alten Bildschirm, auf dem für gewöhnlich Programmzeilen flackerten. Das Couvert lag schon auf dem Tisch. Holger Wirtz griff danach.

      „Dann wünsche ich noch einen schönen Feierabend.“

      „Ich habe gestern Abend einen braunen Transporter gesehen.“

      Holger Wirtz drehte sich überrascht um. Der Mann hatte eine fast kindliche Stimme und sah ihn mit einem leichten Lächeln an. „Danke für die Hinweis“, sagte Holger Wirtz und verließ den Laden.

      „Wir müssen noch mal in die Drei Goldenen Kugeln“, sagte er, als er zu den beiden anderen in das Auto stieg.

      „Und kein Wort zum Chef.“

      Inzwischen war es so dunkel geworden, dass auch der geizigste Wirt sein Neon eingeschaltet hatte. Die drei goldenen Kugeln leuchteten über einem Eingang, der links und rechts von zwei Recken aus Gips und Plastik gesäumt war. Die echten Aufpasser warteten jedoch hinter der Tür, bullige junge Männer, aus deren zu kurzen Anzugjacken die Tattoos herauswucherten.

      „Wir nehmen den Kundenparkplatz“, sagte Wirtz und der dicke Erik Karipke lenkte den Transporter in eine dunkle Einfahrt. Der Kundenparkplatz war noch nicht sehr voll.

      „Umdrehen und warten“, sagte Holger Wirtz zu Karipke, tippte Dudeck dann auf die Schulter und sie gingen zum Hintereingang, vorbei an den Gemüsekisten, bei denen es immer nach Urin stank, weiter an den Boxen für Frischfisch und Pasta, die drei Stufen hinauf bis zur Tür, die in die Küche führte, grußlos vorbei an den Herden und Fritteusen, dann rechts an der Spüle entlang bis zu einer Tür mit der Aufschrift „Geschäftsführung“, die Holger Wirtz ohne anzuklopfen öffnete.

      „Was wollt ihr denn schon wieder hier?“

      Alex Striese hatte seine Brille in die Stirn geschoben und eine Hand auf einem Stapel Rechnungen, während er mit der anderen auf einem Taschenrechner tippte.

      „Wie immer kommt ihr ungelegen.“

      Die Drei Goldenen Kugeln gehörten direkt in die Firmengruppe des Chefs, sodass alle hier im Raum auf Augenhöhe miteinander redeten.

      „Hast du irgendetwas gehört wegen gestern Abend?“, fragte Holger Wirtz. Alex Striese ließ sich mit der Antwort Zeit. Er blätterte in seinen Unterlagen und tippte weitere Zahlen. Dann sagte er: „Ich weiß ja nicht, was euer Auftrag war, das Geld hat der Typ aber heute nicht vorbeigebracht. Das ist sicher.“

      Holger Wirtz sah ihn überrascht an.

      „Hast du heute noch keine Nachrichten gehört? Der Typ ist tot. Das läuft auf allen Kanälen.“

      Alex Striese grinste.

      „Da habt ihr jetzt aber ein Problem oder? Ihr und euer brauner Transporter.“

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