Kraftvoll beten. Pete Greig

Читать онлайн.
Название Kraftvoll beten
Автор произведения Pete Greig
Жанр Религия: прочее
Серия
Издательство Религия: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783954596058



Скачать книгу

der liebenden Aufmerksamkeit“, siehe Kapitel 10). In diesen Momenten klage und juble und flehe ich nicht: Ich bringe meine Seele zur Ruhe, denke dankbar an den Tag zurück, der nun zu Ende geht, und bereite mich innerlich auf den Schlaf vor.

      Zwischen diesen drei Fixpunkten flechte ich Beten auch auf andere Weise in mein Alltagsleben ein. Zum Beispiel bemühe ich mich, dreimal pro Woche im Fitnessstudio nicht nur meinen Körper zu trainieren, sondern auch meine Seele, indem ich Anbetungsmusik, Predigten oder interessante Podcasts höre, während ich auf dem Crosstrainer schnaufe. Beim Abendessen hat unsere Familie das Ritual entwickelt, das große, klobige Festnetztelefon auf dem Tisch kreiseln zu lassen. Dem, auf den es dann zeigt – auch wenn das ein nichtchristlicher Gast ist – werden zwei große Privilegien gewährt: Er darf das Tischgebet sprechen (Gott für das Essen danken) und jedem Einzelnen am Tisch irgendeine Frage stellen. Wir hatten schon alle möglichen Verhöre im Lauf der Jahre: peinlichstes Erlebnis? Früheste Erinnerung? Das Schlimmste, was du je gegessen hast? Das Ungezogenste, was du je getan hast? Es ist eine wunderbare Regel, die alle in die Sakramente der Gemeinschaft und des Danks einbezieht.

      Das sind also die einfachen, erfreulichen Gewohnheiten, die meinen Tag durchsetzen und mir die Gegenwart und Gesprächsbereitschaft Gottes stärker bewusst machen. Wenn du Mäuschen spielen könntest, wärst du wahrscheinlich nicht beeindruckt, so einfach und kurz sind meine Gebetszeiten oft, so oft vergesse ich auch mal eine, so nebensächlich ist das meiste, was ich mit dem Herrn bespreche, und so oft muss ich sagen: „O Herr, es tut mir wirklich leid.“

      * * *

      In diesem Kapitel habe ich drei der wichtigsten Bausteine des christlichen Gebetsverständnisses dargelegt: Einfachheit, Ehrlichkeit und Ausdauer. Ich habe dich auch ermutigt, deine eigene einfache, erfreuliche Gebetsgewohnheit zu entwickeln, z. B. täglich Stille Zeit zu halten.

      Aber vielleicht ist es gar nicht deine größte Schwierigkeit, Raum und Zeit zum Beten zu finden. Vielleicht betest du schon regelmäßig. Du findest es aber etwas trocken und sehnst dich nach mehr Tiefgang. Gehen wir also den ersten Schritt im „P.R.A.Y.“-Prozess. Wie kaum etwas anderes steht diese Schlüsselerkenntnis für ein tieferes, erfüllteres Gebetsleben unserem Instinkt und unserer Kultur entgegen, ganz leicht wird sie ignoriert: Um anzufangen muss man aufhören. Um im Gebet voranzukommen, müssen wir lernen innezuhalten („Pause“)!

       Weiterführende Literatur: Gary Thomas, Sacred Pathways (dt.: Neun Wege, Gott zu lieben).

       VORBILD IM EINFACHEN GEBET

       Susanna Wesley

       Mutter des Methodismus

      Die Gesundheit von Susanna Wesley, die als „Mutter des Methodismus“ gilt, war angegriffen, ihre Ehe mit einem mittellosen Prediger zutiefst dysfunktional, sie verlor neun Kinder im Säuglingsalter und zog zehn weitere fast allein auf. Ihr Haus wurde niedergebrannt. Zweimal. Ihr Mann wurde inhaftiert. Zweimal. Und dennoch haben ihre einfachen, ehrlichen, ausdauernden Gebete zweifellos die Welt verändert.

      Susanna Wesley bewies eindrückliche Führungsqualitäten, lange bevor ihre Söhne John und Charles berühmt wurden. Als ihr Mann, der Pfarrer von Epworth, wegen finanzieller Misswirtschaft ins Gefängnis kam und sein Vertreter auf der Kanzel in der Evangeliumsverkündigung kläglich versagte, nahm Susanna die Dinge selbst in die Hand. Sie begann in der Küche eine Sonntagsschule für ihre eigenen Kinder zu halten, aber so viele Nachbarn wollten daran auch teilnehmen, dass die Versammlung sehr bald in die Scheune verlegt werden musste. Es dauerte nicht lang, da kamen jeden Sonntag 200 Menschen, um Susanna anzuhören, die Predigten las, Psalmen sang und Gebete sprach. Die beinahe leere Kirche nebenan kümmerte derweil vor sich hin.

      Susanna unterrichtete ihre Kinder täglich sechs Stunden und erzog ihre Töchter in gleicher Weise wie ihre Söhne. Zusätzlich widmete sie jedem Kind eine Stunde pro Woche ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Wie um alles in der Welt schaffte sie das bloß? Wie überlebte sie den Verlust von neun Kindern und das Herzeleid einer instabilen Ehe, ohne zu zerbrechen oder verbittern? Und wie führte sie einen so turbulenten Haushalt und richtete gleichzeitig eine Sonntagsschule ein und unterrichtete zehn Kinder, von denen zwei zu internationalem Einfluss und Ruhm gelangen sollten?

      Susanna Wesley war vor allem eine Frau des Gebets. Da, wo sie täglich auf den Herrn wartete, bekam sie immer wieder neue Kraft.20

      Aber leicht war das alles nicht. Sie konnte sich im Haus nirgends zum Beten zurückziehen. Wenn Susanna also Zeit mit dem Herrn verbringen wollte, zog sie sich die Schürze über den Kopf. Damit war sie in ihrem Gebetsraum und ihre Kinder wussten, dass sie nicht gestört werden durfte. Auf diese Weise schüttete sie Gott ihr Herz aus, betrauerte ihre verstorbenen Kinder, leistete Fürbitte für ihren unerträglichen Mann und betete für jedes ihrer Kinder mit Namen. Gewaltiger hätten solche einfachen, unter einer Schürze geflüsterten Gebete einer Mutter kaum erhört werden können.

      Susanna Wesley ist ein Beispiel für die weltverändernde Macht des einfachen, ausdauernden Gebets. Sie merkte, dass sie berufen war, Menschen zu Jüngern zu machen – nicht in fremden Ländern, sondern unter ihrem eigenen kleinen „Volksstamm“ zu Hause. Und dieser Aufgabe widmete sie sich ohne Unterlass. Indem sie treu für diese zehn Kinder betete, wurde Susanna Wesley, eine Hausfrau mit einem schwierigen Leben in einer kleinen englischen Provinzstadt, zur Mutter von heute etwa achtzig Millionen Methodisten in über 130 Nationen.

       Ein Gebet von Susanna Wesley

      Hilf mir, Herr, nicht zu vergessen, dass Religion nicht auf Kirche oder Gebetskammer beschränkt bleiben und auch nicht nur in Gebet und Meditation ausgeübt werden soll, sondern dass ich überall in deiner Gegenwart bin. Möge ich deshalb stets nach sittlichen Maßstäben reden und handeln. Möge sich alles, was in meinem Leben geschieht, als nützlich und förderlich erweisen. Mögen alle Dinge mich lehren und mir Gelegenheit geben, tugendhaft zu handeln, täglich zu lernen und dir immer ähnlicher zu werden. Amen.

       SCHRITT 1: RUHE

      Entschleunigung und Fokus

      Seid still und erkennt, dass ich Gott bin. (Psalm 46,11 L)

      Um anfangen zu können, muss man aufhören. Um voranzukommen, müssen wir innehalten. Dies ist der erste Schritt zu einem tieferen Gebetsleben: Leg deine Wunschliste weg und warte. Sitz still. Schweige. Sei ganz da in Raum und Zeit, sodass sich deine abgelenkten Sinne in Gottes ewiger Gegenwart sammeln können. Schweigen und Stille bereiten Geist und Seele darauf vor, von einem Ort des größeren Friedens, des Glaubens und der Anbetung aus zu beten. Tatsächlich ist das an sich schon eine wichtige Form des Gebets.

       3: Entschleunigung und Fokus

      Wie man still wird vor Gott

      Alle Probleme der Menschheit wurzeln in der Unfähigkeit des Menschen, schweigend allein in einem Zimmer zu sitzen. (Blaise Pascal, Pensées)1

      Die menschliche Seele ist wild und scheu. Der Psalmist vergleicht sie mit einem Hirsch, der nach frischem Wasser lechzt.2 Die keltische Volkstradition stellte sie als edles und scheues Wild dar. Der Lärm des Lebens verschreckt sie, sie weigert sich, auf Kommando hervorzukommen wie manches sklavisch ergebene, gezähmte Haustier. Aber wenn wir still sind, zeigt sie sich, neugierig und quicklebendig.

      Wie im Leben hat auch im Gebet alles seine Zeit, „Schweigen und Reden“ (Pred. 3,7). Wenn wir den, der im „leisen Säuseln“ spricht, besser