Die dreißig tolldreisten Geschichten. Оноре де Бальзак

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Название Die dreißig tolldreisten Geschichten
Автор произведения Оноре де Бальзак
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783955014674



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weil die Spaßvogelnatur und der erhabene Witz des guten Königs damit in ein besonders helles Licht gerückt werden.

      Es gab damals in der Stadt Tours drei berühmte Geizhälse. Der eine war der Gevatter Cornelius, den man kennt. Der andere hieß mit Namen Peccard und trieb einen Handel mit Rosenkränzen, Kreuzen, Kirchenlotterien und andern vergoldeten und unvergoldeten Bigotterien. Der dritte aber war der Meister Marchandeau, ein reicher Weingärtner. Die beiden letzten waren Tourainer und haben trotz all ihrer Schmutzereien sehr angesehene Familien gegründet.

      Eines Abends nun, als der König bei der Beaupertuys einmal wieder einen besonders guten Tag hatte (obwohl es längst Nacht war), weil man vom Besten trank und nicht nur die Soßen, sondern auch die Reden mehr als gewöhnlich gesalzen waren, der König aber bereits im Oratorium seiner lieben Frau, der Beaupertuys nämlich, seine brünstig inbrünstige Abendandacht gehalten hatte und nun einen andern Zeitvertreib brauchte, sagte er plötzlich zu seinen Kumpanen, dem Gevatter Le Daim, der sein Barbier war, dem Kardinal La Balue und dem alten Dunois, der noch wieherte wie ein junger Hengst: »Meine Freunde«, sagte er, »ihr sollt heut noch einen Spaß erleben. Ich meine, es müsste ein köstlicher Anblick sein, drei Geizhälse vor einem Haufen Gold zu sehen, daran sie nicht rühren dürfen... Holla!«

      Ein Kammerdiener erschien auf seinen Ruf.

      »Mach dich auf zu meinem Schatzmeister«, sagte der König, »er soll unverzüglich sechstausend Goldgulden hierherbringen; dann suche mir meinen Gevatter Cornelius auf, du wirst ihn in der Schlosswache finden, dann den Paternosterschacherer in der Rue du Cygne und endlich den alten Marchandeau und bringe ihnen Order, wie sie gehen und stehen, vor ihrem König zu erscheinen.«

      Nach dieser Unterbrechung fuhr die Gesellschaft fort in ihren geistreichen Tischgesprächen. Sie diskutierten gerade die Streitfrage, was besser sei, eine Frau, die nach der natura naturans, oder eine solche, die nach Seife riecht, eine magere oder eine fette; und da hier die Blüte der Wissenschaft versammelt war, so lautete die hochweise Antwort: die beste sei die, die man wie eine Schüssel voll Austern vor sich habe just in dem Augenblick, wenn einem Gott einen Gedanken schickt, den man ihr mitteilen kann. Der Kardinal warf die Frage auf, was köstlicher sei für ein Weib, der erste oder der letzte Kuss, und erhielt von der Beaupertuys die Antwort, dass man sich wohl für den letzten entscheiden müsse, da eine Frau dann genau weiß, was sie verliert, während sie beim ersten noch nicht weiß, was sie zu erwarten hat. Über solchen Reden und andern, die zum Unglück der Wissenschaft verlorengegangen sind, kamen die sechstausend Goldgulden an, die mindestens den Wert von dreimalhunderttausend Francs hatten nach unserem heutigen Geld, was auch wieder beweist, wie wir in allen Stücken nur ärmer werden. Der König ließ sie auf einem wohlerleuchteten Tisch aufhäufen, und man konnte beobachten, wie die Augen seiner Freunde bei diesem Anblick unwillkürlich aufblitzten; sie mussten sogar selber darüber lachen. Auch die drei Geizhälse erschienen, blass und zitternd vor Furcht, ausgenommen Meister Cornelius, der mit den Launen und Einfällen seines Königs vertraut war.

      »Ihr lieben Leute«, sprach Ludwig, indem er auf den Haufen Goldstücke wies, »wie gefällt euch das?«

      Ihr könnt euch denken, was für Blicke die drei nach dem goldnen Haufen warfen. Die Diamanten der Beaupertuys waren trüb im Vergleich zu dem stechenden Gefunkel ihrer kleinen Grauäuglein.

      »Das soll euer sein«, setzte der König hinzu.

      Da sahen die drei Filze nicht mehr die Dukaten, sondern sahen sich selber an, einer den andern, und ich sage euch, drei alte zahnlose Affen, die eine dicke welsche Nuss beschnüffeln und beäugeln, schneiden keine verzwickteren Grimassen und drolligeren Gesichter als diese drei.

      »Bei der Jungfrau«, sprach der König, »dem von euch dreien, der, die Hand auf dem Golde hier, den andern dreimal hintereinander sagt: ›Ihr könnt mich am Hintern küssen‹, soll der ganze Haufen gehören, nur mag er sich in acht nehmen, dass er ernst dabei bleibt wie ein Fliegerich, der seine Nachbarin notzüchtigt. Wer auch nur im geringsten das Maul zum Lachen verzieht, zahlt der Frau des Hauses einen Dukaten. Es darf aber jeder die Probe dreimal machen.«

      »Das will ich schnell gewonnen haben«, sagte Cornelius, dessen Mund in der Eigenschaft als Holländer ebenso ernst und verschlossen war wie der Mund der Beaupertuys, deren anderer Mund sich doch gern jeder Spaßigkeit offen und zugänglich zeigte.

      Er legte also entschlossen die Hand auf die Taler und sagte höflich zu den beiden andern: ›Küsst mich am Hintern.‹ Die beiden Geizkragen fürchteten nicht umsonst den holländischen Ernst, sie antworteten: ›Wohl bekomm's!‹ so etwa, wie wenn er geniest hätte.

      Die ganze Gesellschaft und Cornelius selber musste lachen.

      Als der alte Marchandeau seine Hand nach den Dukaten ausstreckte, prickelte und kitzelte ihn der Lachreiz derartig, dass sein altes Gesicht, das von Blatternarben durchlöchert war wie ein Sieb, das Lachen so wenig zurückhalten konnte wie ein Seiher das Wasser oder ein alter sprüngiger Ofen den Rauch. Es drang mit Gekicher durch alle Poren, er konnte schon gleich kein Wort hervorbringen.

      Jetzt kam die Reihe an den Rosenkranzhändler, ein kleines, spaßiges Männlein; seine Lippen waren zusammengezogen wie der Hals eines Gehängten. Er ergriff eine Handvoll Dukaten, blickte die andern der Reihe nach an, den König nicht ausgenommen, und mit lauernder Pfiffigkeit sagte er:

      »Ihr könnt mich am Hintern küssen.«

      »Ist er auch sauber?« fragte Marchandeau.

      »Ihr könnt ihn euch ansehen«, antwortete ernst der Rosenkränzler.

      Der König fürchtete schon für seine Dukaten; denn Peccard war bereits daran, das sakramentale Wort ohne das geringste Lachen zum dritten Male auszusprechen, als ihm die Beaupertuys ein Zeichen machte, wie wenn sie sagen wollte: »Ich auch?«, worüber der zusammengepresste Mund des Bigotterienhändlers ein pfuchzendes Lachen fahrenließ gleich einem Furz.

      »Wie hast du es nur fertiggebracht, so lange ernst zu bleiben?« fragte Dunois.

      »Ich habe«, antwortete der Mann, »zuerst an meinen Prozess gedacht, der morgen zur Verhandlung kommt, und dann an meine Frau, die eine verdammte Kratzbürste ist.«

      Aus Gier nach dem Haufen Gold versuchten sie das Spiel nun noch einmal und belustigten wohl eine Stunde den König durch ihre Vorbereitungen, Gesichtsverzerrungen, Fratzen, Grimassen und andere Affigkeiten; aber wie große Duckmäuser sie auch waren und ganz und gar von der Art, die den Ärmel mehr liebt als den Arm, war doch zuletzt das Ergebnis kein anderes, als dass jeder von ihnen der Hausfrau dreihundert Taler zahlen musste. Und mit gesenkten Ohren zogen sie ab.

      »Majestät«, sagte Nicole, »wollt Ihr es nicht auch einmal mit mir probieren?«

      »Papperlapapp«, erwiderte Ludwig lachend, »ich will ihn Euch gern küssen, aber so teuer darf's nicht sein.«

      Das war noch ein haushälterischer König. Er hat es auch in anderen Fällen bewiesen.

      Natürlich fanden auch die Freunde des Königs die dicke Nicole nach ihrem Geschmack und beehrten sie mit gelegentlichen Nachstellungen. Der vollblütige Kardinal La Balue trieb den Scherz eines Abends in Worten und Handgriffen um ein beträchtliches weiter, als es das kanonische Recht vorschreibt, aber die Beaupertuys war nicht auf den Kopf gefallen.

      »Glaubt mir«, sagte sie zu dem Kardinal, »das Ding, das mein König liebt, braucht noch lange nicht die letzte Ölung.«

      Auch Meister Olivier, der Barbier, trug ihr galant seine Dienste an.

      »Nun«, sagte sie, »ich werde den König fragen, ob er erlaubt, dass ich mich rasieren lasse.« Da Meister Olivier nicht einmal um Verschwiegenheit bat, schöpfte sie den Verdacht, die beiden könnten im Auftrag und auf Anstiften des Königs gehandelt haben, dessen Eifersucht sie erweckt haben mochte. Am König selber konnte sie sich nicht rächen, sie beschloss also, sich an seine beiden Affen zu halten und ihnen einen Possen zu spielen, an den sie denken sollten. Sie wusste, dass sie zugleich dem König damit das größte Gaudium machte.

      Als nun König Ludwig wieder einmal zum Abendessen kam, hatte Nicole eine Dame von hohem Rang bei sich, die Seine Majestät