Название | Die dreißig tolldreisten Geschichten |
---|---|
Автор произведения | Оноре де Бальзак |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783955014674 |
Seit einem Monat ungefähr wohnte der arme Stoffel, wie der Viehhüter hieß, als einziger Hausgenosse bei dem Onkel, und so ungelehrt er war, begriff er doch, dass es fast vorteilhafter und leichter sei, einen alten Chorherrn zu hüten als eine Herde Schweine. Mit großer Schlauheit spielte er den Dümmling und Demütigen gegen seinen Onkel und machte sich so recht zum Stab und Stecken seines Alters. Er sagte »Helf Gott!«, wenn der Onkel nieste, »Zur Gesundheit!«, wenn er rülpste, und »Wohl bekomm's!« oder »Gsegen's Gott!«, wenn etwas anderes an ihm lautbar und ruchbar wurde. Er gab, wenn es regnete, auf die Katze acht, dass sie nicht nass wurde, war zu jeder Zeit voll Aufmerksamkeit auf jedes Wort des Alten und ertrug mit Lammsgeduld sein ewiges Gehuste, Gezanke und Gestänke. Er versicherte dem Alten ganz aufrichtig, er sei der schönste Chorherr von der Welt, und der Onkel, den man nicht mit der Nase auf seinen Vorteil zu stoßen brauchte, plagte den armen Stoffel, soviel nur in seinen alten Kräften stand, ließ ihn um sich herumtanzen wie einen Kreisel und belustigte ihn von früh bis spät mit seinem ewigen »Stoffel geh her!«, »Stoffel geh weg!«, »Stoffel komm wieder!«.
»Der Tölpel wird mich unter die Erde bringen«, klagte der Chorherr bei seinen Neffen. Als der Stoffel das hörte, gab er sich noch mehr Mühe, es dem Onkel recht zu machen; er spitzte die Ohren wie ein Schäferhund, aber er hatte nun einmal einen Hintern wie zwei Kürbisse, plumpe Glieder und breite Schultern, kurz, mehr von der Art eines schwerfälligen Silen als eines leichtfüßigen Zephyrs. Im übrigen war er ein frommes Gemüt, nichts machte ihm einen Kummer, also wurde er immer dicker und fetter, lange vor der fetten Erbschaft.
Eines Abends unterhielt sich der Onkel mit ihm über den Teufel, der mit tausend Qualen und Ängsten die armen Seelen martert und die Verdammten am ewigen Feuer röstet, das der liebe Gott zu diesem Ende angezündet hat, usw. Da machte der gute Stoffel zwei Augen so groß wie Pflugräder und lachte ganz albern, das sollte heißen, dass ihm dieser Glaube schlecht einging.
»Du bist also kein Christ?« fragte der Chorherr.
»Warum nicht gar«, antwortete der Neffe.
»Nun also: da es einen Himmel gibt für die Guten, muss es da nicht eine Hölle geben für die Bösen?«
»Wieso, Herr Onkel? Der Teufel ist in der Welt Gottes so unnötig wie ein Kropf. Sagt doch selber, lieber Onkel, wenn Ihr hier in Eurem Hause einen nichtswürdigen Kerl hättet, der alles drunter und drüber brächte, würdet Ihr ihn nicht hinausschmeißen?«
»Und wie ich ihn hinausschmeißen würde!«
»Nun seht, Herr Onkel, da wäre ja der liebe Gott selber ein dummer Teufel, wenn er in seiner Welt, wo er alles so herrlich und schön gemacht hat, den Teufel herumwirtschaften und sich sein schönes Werk von ihm verderben und verschmutzen ließe. Also ich kann nicht an den Teufel glauben, wenn ich an den lieben Gott glauben soll. Ich möchte ihn einmal sehen, diesen Herrn Teufel. Oh, ich hätte keine Angst vor ihm.«
»Wenn ich das gewiss wüsste«, antwortete der Chorherr, »da brauchte mir nicht bange zu sein wegen der Sünden meiner Jugend, wo ich manchmal etwas allzu verschwenderisch absolviert habe.«
»Absolviert immerzu, Herr Kanonikus, das wird Euch im Himmel hoch angerechnet werden.«
»Du glaubst?« – »Ich bin dessen sicher.«
»Und dir ist gar nicht angst, Christoph, so frech den Teufel abzuleugnen?«
»Bei Gott!« rief der Stoffel, »ich kümmere mich um den Teufel soviel wie um eine hohle Nuss.«
»Du wirst bestraft werden für deinen Unglauben.«
»Keineswegs. Der liebe Gott wird mich schon gegen den Teufel zu verteidigen wissen; er ist gewiss nicht so einfältig, wie ihn die Gelehrten hinstellen.«
Über diesen Worten traten beide Neffen ein; sie hörten am Ton der Stimme, dass der Chorherr den Stoffel nicht allzusehr hasste und dass er sich über den Tölpel von Bauern nur beklagt hatte, um ihr Misstrauen einzuschläfern und sie heimlich auszulachen. Sie wechselten verständnisvolle Blicke.
Da sie aber ihren Onkel in so guter Laune sahen, wollten sie ihn auf die Probe stellen.
»Angenommen«, sagten sie, »Ihr würdet Euer Testament machen, lieber Onkel, wer bekäme da Euer Haus?«
»Der Stoffel«, antwortete der Chorherr verschmitzt.
»Und die Hypothek in der Rue Saint-Denis?«
»Der Stoffel.«
»Und den Meierhof zu Ville-Parisis?«
»Der Stoffel.«
»Der Stoffel, der Stoffel! Dieser Stoffel wird also alles erhalten?« platzte der Hauptmann heraus.
»Nein«, antwortete der Chorherr lächelnd, »wer der Schlaueste von euch ist, der wird mein Erbe sein. Ich werde testieren in aller Form Rechtens, und schon bin ich kaum im Zweifel, wer die Braut heimfuhren wird.«
Und der verschmitzte Chorherr warf dem Stoffel einen Blick zu, ähnlich dem, womit jene geschminkten und gepuderten Weibsen ein geputztes Herrlein in ihre Sackgasse locken und worüber dem Stoffel auf einmal der vernagelte Verstand und solchergestalt ein Licht aufging, als es nur je einem Jungfräulein in der Brautnacht aufgegangen ist. Der Advokat und der Hauptmann ließen es sich ebenfalls gesagt sein. Sie machten ihre Katzbuckel und verließen das Haus, aufs äußerste empört über die Albernheit des Chorherrn.
»Was meinst du von diesem Stoffel?« fragte der Sauluder den Hundsaffen.
»Ich meine, ich meine«, sagte der Landsknecht grollend, »ich meine, ich werde ihm in der Straße auflauern und ihm unversehens seinen Kopf vor die Füße werfen; er kann ihn ja wieder aufheben, wenn er Lust dazu spürt.«
»Holla!« sprach der Advokat, »du hast deine eigne Art, Köpfe abzuhauen. Jedermann wird sagen: ›Das war der Schweinsledern.‹ Ich habe einen andern Plan. Ich will ihn zum Abendessen einladen, und nachher wollen wir Sacklaufen spielen. Wir lassen uns in Säcke einnähen und wetten, wer so am besten gehen kann; wenn der Stoffel erst eingenäht ist, werfen wir ihn in den Fluss. Er kann dann schwimmen, wenn's ihm darum ist.«
»Das will überlegt sein«, antwortete der Hundsaffe.
»Ist längst überlegt«, erwiderte der Advokat. »Wenn nur der Vetter erst zum Teufel ist, wer sollte uns noch die Erbschaft streitig machen?«
»Einverstanden«, sprach der Kriegsmann; »aber es ist nötig, dass wir zusammenhalten wie die zwei Beine an einem Rumpf; denn wenn du fein bist wie Seide, so bin ich hart wie Stahl, mein Einfall ist nicht weniger wert als der deine, hörst du?«
»Gut, abgemacht. Aber wie soll er denn nun umkommen, durch das Schwert oder durch den Sack?«
»Du tust ja, als ob wir einen König ermorden wollten. Soviel Gerede um einen Tölpel von Schweinehirten! Machen wir aus, dass derjenige zwanzigtausend Taler an der Erbschaft voraus haben soll, der von uns beiden am raschesten ist zur Tat. Ich werde ihm also sagen: ›Heb deinen Kopf auf, Tölpel!‹«
»Und ich: ›Schwimme, mein Freund!‹« Und der Advokat lachte wie ein offener Hosenlatz.
Dann gingen sie zum Nachtessen, der Hauptmann zu seinem Weibsbild, der Advokat zu der Frau eines Goldschmieds, deren Geliebter er war.
Wer aber war wie aus den Wolken gefallen? Der Stoffel. Denn obwohl die beiden Vettern drunten auf dem Platz zusammen gesprochen hatten und kaum lauter, als man in der Kirche zu sprechen wagt, hatte der Stoffel doch alles gehört, entweder weil die Worte zu ihm hinauf- oder weil seihe Ohren zu den Worten heruntergestiegen waren.
»Hört Ihr, Herr Onkel?«
»Ja«,