Der Seewolf. Джек Лондон

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Название Der Seewolf
Автор произведения Джек Лондон
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783963619649



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entlang kriecht.

      Er musste leicht aufwärts klettern, denn das Segel stand nach oben. Das Fall, das durch verschiedene Blöcke am Gaffel und Mast lief, gab ihm einige Stützpunkte für Hände und Füße. Aber das schlimmste war, dass der Wind nicht kräftig und stetig genug wehte, um das Segel zu blähen. Als er sich etwa in der Mitte befand, machte die ›Ghost‹ eine Schlingerbewegung nach Luv und wieder zurück in ein Wellental. Harrison hielt inne und klammerte sich fest. Achtzig Fuß unter ihm konnte ich seine krampfhaften Muskelbewegungen sehen: er kämpfte um sein Leben. Das Segel wurde schlaff und schwang mittschiffs. Das Fall gab nach, und obgleich sich das alles mit großer Schnelligkeit abspielte, konnte ich doch sehen, wie es durch sein Körpergewicht sackte. Dann schwang die Gaffel mit einem Ruck zur Seite, das große Segel schwoll wie aus der Kanone geschossen, und die dreifache Reihe von Reffseisingen klatschte wie eine Gewehrsalve gegen die Leinwand. Harrison sauste, immer noch festgeklammert, durch die Luft, aber das Fall straffte sich wieder mit einem scharfen Ruck. Es war wie ein Peitschenhieb. Da verlor er den Halt. Die eine Hand wurde losgerissen, die andere krampfte sich einen Augenblick verzweifelt fest, dann folgte auch sie. Der Körper sauste hinunter, aber glücklicherweise blieb er mit den Füßen hängen. Durch eine schnelle Bewegung gelang es ihm, das Fall zu packen, aber es dauerte nicht lange, bis er sich wieder hochgeschwungen hatte. Da hing er – ein kläglicher Anblick.

      »Wetten, dass ihm heute das Abendbrot nicht schmecken wird«, hörte ich Wolf Larsen sagen, dessen Stimme um die Ecke der Kombüse zu mir drang. »Johansen, abhalten! Passen Sie auf! Jetzt kommt die Bö!«

      Harrison musste sich sehr elend fühlen. Lange klammerte er sich an seinen schwankenden Halt, ohne auch nur einen Versuch zu machen, sich zu bewegen. Aber Johansen trieb ihn an, seine Aufgabe zu vollenden.

      »Es ist eine Schande!« hörte ich Johnson in langsamem, aber korrektem Englisch knurren. Er stand beim Großmast, ganz nahe bei mir. »Der Junge hat guten Willen. Mit der Zeit wird er es schon lernen. Aber das ist …« Er machte eine Atempause und beendete dann sein Urteil: »Mord!«

      »Willst du still sein!« flüsterte Louis ihm zu. »Wenn dir dein Leben lieb ist, so halt den Mund.«

      Aber Johnson knurrte weiter.

      Der Jäger Standish sagte zu Wolf Larsen: »Er ist mein Puller, und ich möchte ihn nicht verlieren.«

      »Stimmt, Standish«, lautete die Antwort. »Wenn du ihn im Boot hast, ist er dein Puller, solange ich ihn aber hier an Bord habe, ist er mein Matrose, und da mache ich mit ihm, was mir gefällt.«

      »Aber das ist doch kein Grund …« begann Standish erregt.

      »Es ist gut«, unterbrach ihn Wolf Larsen. »Ich habe meine Meinung gesagt, und damit genug. Der Mann gehört mir, und wenn es mir passt, kann ich Suppe aus ihm kochen und sie essen.«

      Die Augen des Jägers funkelten zornig, aber er drehte sich um und ging die Treppe zum Zwischendeck hinab, wo er stehenblieb und hinaufsah. Alle Mann befanden sich an Deck, und alle Augen waren nach oben gerichtet, wo ein menschliches Wesen mit dem Tode rang. Die Gefühllosigkeit dieser Menschen war Entsetzen erregend. Ich, der ich abseits vom Trubel der Welt gelebt hatte, hätte mir nie träumen lassen, dass es draußen so zuging. Das Leben war mir stets als etwas besonders Heiliges erschienen, und hier galt es nichts, war nur eine Ziffer in einer geschäftlichen Berechnung. Ich muss gestehen, dass manche der Matrosen doch Mitgefühl empfanden, wie Johnson zum Beispiel, aber die Vorgesetzten – die Jäger und der Kapitän – waren ganz herzlos. Selbst der Einspruch Standishs war nur dem Wunsche entsprungen, seinen Bootspuller nicht zu verlieren. Hätte es sich um den Ruderer eines anderen Jägers gehandelt, so würde er sich wie sie darüber belustigt haben.

      Doch zurück zu Harrison! Johansen schmähte und beleidigte den armen Kerl, aber es dauerte volle zehn Minuten, bis er ihn wieder in Bewegung gebracht hatte. Kurz darauf hatte er das Ende der Gaffel erreicht, wo er sich, auf der Spiere reitend, besser festhalten konnte. Er machte das Schoot klar und hätte nun am Fall entlang zum Mast zurückklettern können. Aber er hatte den Kopf verloren. So unsicher seine jetzige Lage war, wollte er sie doch nicht mit der noch unsicheren auf dem Fall vertauschen.

      Er blickte auf den luftigen Weg, den er passieren sollte, und dann hinunter aufs Deck. Noch nie hatte ich soviel Furcht auf dem Gesicht eines Menschen ausgeprägt gesehen. Vergebens rief Johansen, dass er herunterkommen solle. Jeden Augenblick konnte er von der Gaffel geschleudert werden, aber er war hilflos vor Angst. Wolf Larsen, der, in eine Unterhaltung mit Smoke vertieft, auf und nieder schritt, nahm keine Notiz von ihm, nur rief er dem Mann am Rad einmal scharf zu: »Du bist aus dem Kurs, Mann! Pass auf, dass du dir keine Unannehmlichkeiten zuziehst!«

      »Jawohl, Käptn«, erwiderte der Rudergast und drehte das Rad.

      Er hatte die ›Ghost‹ ein paar Strich aus dem Kurs gebracht, damit das bisschen Wind das Vorsegel füllen und prall halten konnte. Er hatte dem unglückseligen Harrison helfen wollen, auf die Gefahr hin, Wolf Larsens Zorn heraufzubeschwören.

      Die Zeit verging, und meine Spannung war furchtbar. Thomas Mugridge hingegen fand die Geschichte außerordentlich lustig, er steckte fortwährend den Kopf zur Kombüse heraus, um scherzhafte Bemerkungen zu machen. Wie ich ihn hasste! Und wie mein Hass in diesen bangen Minuten ins Riesenhafte wuchs! Zum ersten Mal in meinem Leben verspürte ich die Lust, zu morden. Mochte Leben im Allgemeinen etwas Heiliges sein – für Thomas Mugridge galt mir dies nicht mehr. Ich war entsetzt, als ich mir darüber klar wurde, und durch mein Hirn fuhr der Gedanke: War auch ich von der Rohheit meiner Umgebung angesteckt? Ich, der ich selbst für die abscheulichsten Verbrechen die Berechtigung der Todesstrafe geleugnet hatte?

      Wohl eine halbe Stunde verging. Da sah ich Johnson in einem Wortwechsel mit Louis. Er endete damit, dass Johnson den Arm des anderen, der ihn halten wollte, beiseite schob und nach vorn ging. Er überquerte das Deck, sprang in die Takelung und begann zu klettern. Aber das schnelle Auge Wolf Larsens hatte ihn erfasst. »Hallo, Mann, wohin?« rief er.

      Johnson hielt im Klettern inne. Er blickte seinem Kapitän in die Augen und sagte langsam:

      »Ich will den Jungen herunterholen.«

      »Du wirst herunterkommen, und das ein bisschen plötzlich. Verstanden? Runter!«

      Johnson zögerte, aber der langjährige unbedingte Gehorsam gegen den Herrn des Schiffes übermannte ihn, er glitt aufs Deck herab und ging nach vorn.

      Um halb sechs ging ich hinunter, um den Kajütentisch zu decken, aber ich wusste kaum, was ich tat, denn immer sah ich den totenbleichen, zitternden Menschen vor mir, der sich wie ein Käfer an die Gaffel klammerte. Als ich um sechs Uhr an Deck kam, um das Abendbrot aufzutragen, sah ich Harrison immer noch in derselben Lage. Die Unterhaltung bei Tisch drehte sich um andere Dinge. Kein einziger schien sich für das so grundlos gefährdete Leben zu interessieren. Als ich aber noch einmal nach der Kombüse musste, sah ich zu meiner Freude Harrison nach der Back wanken. Er hatte endlich den Mut zum Herunterklettern gefunden.

      Ehe ich diesen Gegenstand verlasse, muss ich eine Unterhaltung berichten, die ich mit Wolf Larsen in der Kajüte hatte, als ich das Geschirr aufwusch.

      »Sie sahen sehr schlecht aus heute Nachmittag«, begann er. »Was fehlte Ihnen?«

      Er wusste natürlich gut, was mich beinahe so elend wie Harrison gemacht hatte, er wollte mich nur reizen. Ich antwortete: »Es war die rohe Behandlung des Jungen.«

      Er lachte kurz: »Wohl eher Seekrankheit. Mancher kriegt sie, mancher nicht.«

      »Nein, das war es nicht«, antwortete ich.

      »Doch gewiss«, fuhr er fort. »Die Erde ist so voller Rohheit wie das Meer voller Bewegung. Manchen macht dies krank, manchen jenes. Das ist alles.«

      »Aber Sie, der Sie Spott mit Menschenleben treiben, legen Sie dem Leben gar keinen Wert bei?« fragte ich. »Wert? Was für Wert?« Er sah mich an, und obwohl seine Augen ruhig und unbeweglich waren, erschien doch ein zynisches Lächeln in ihnen. »Was für einen Wert? Wie ermessen Sie es? Wer schätzt es?«

      »Ich selbst«, gab ich zur Antwort.

      »Wie viel ist es Ihnen denn wert? Das Leben eines anderen, meine ich. Nun, heraus damit! Was ist es wert?«

      Der