Der Seewolf. Джек Лондон

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Название Der Seewolf
Автор произведения Джек Лондон
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783963619649



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abzuräumen, hörte ich ihn kreischen; der erste Guss hatte ihn getroffen.

      Wolf Larsen zählte seinen Gewinn.

      »Genau hundertfünfundachtzig Dollar!« sagte er laut. »Gerade wie ich mir dachte. Der Lump kam ohne einen Cent an Bord.«

      »Und Ihr Gewinn gehört mir, Käptn«, sagte ich beherzt.

      Er beehrte mich mit einem spöttischen Lächeln. »Ich habe mich seinerzeit ein wenig mit Grammatik beschäftigt, Hump, und ich glaube, Sie bringen die Zeiten durcheinander. ›Hat mir gehört‹, hätten Sie sagen sollen.«

      »Hier ist nicht die Rede von Grammatik, sondern von Ethik«, erwiderte ich.

      Er ließ eine Weile verstreichen, ehe er sprach.

      »Wissen Sie, Hump«, sagte er bedächtig und mit einem rätselhaften Klang von Traurigkeit in der Stimme, »wissen Sie, dass dies das erste Mal ist, dass ich auf diesem Schiffe das Wort Ethik aus dem Munde eines Mannes höre. Und Sie und ich sind die einzigen an Bord, die die Bedeutung dieses Wortes kennen. – Es gab eine Zeit in meinem Leben«, fuhr er nach einer Pause fort, »da ich davon träumte, mit Männern sprechen zu dürfen, die eine solche Sprache redeten, mich aus der Lebensstellung, in der ich geboren, emporzuheben und Umgang zu pflegen mit Menschen, die über Dinge wie Ethik sprachen. Es ist das erste Mal, dass ich dies Wort aussprechen höre. – Aber das nur nebenbei! Sie haben unrecht. Dies hat weder etwas mit Grammatik, noch mit Ethik zu tun, es handelt sich einfach um eine Tatsache.«

      »Ich verstehe«, sagte ich. »Um die Tatsache, dass Sie jetzt das Geld haben.«

      Seine Züge erhellten sich. Meine schnelle Auffassung schien ihm zu gefallen.

      »Aber wir umgehen die eigentliche Frage«, fuhr ich fort, »die des Rechtes.«

      »Ach!« bemerkte er und zog den Mund schief. »Ich sehe, Sie glauben noch an so etwas wie Recht und Unrecht.«

      »Glauben Sie denn nicht daran? – Gar nicht? –« fragte ich.

      »Nicht die Spur. Macht ist Recht, das ist alles, was darüber zu sagen ist. Schwäche ist Unrecht. Es ist gut für einen Menschen, wenn er stark, schlecht für ihn, wenn er schwach ist – – oder noch besser: es ist angenehm, stark zu sein, weil man Vorteil davon hat, es ist peinlich, schwach zu sein, weil es Verlust bedeutet Der Besitz dieses Geldes ist etwas Schönes. Sein Besitz ist angenehm. Und da ich die Möglichkeit habe, es zu besitzen, wäre es ein Unrecht gegen mich selbst, wenn ich es Ihnen gäbe und mich des Vergnügens, es zu besitzen, beraubte.«

      »Aber Sie begehen ein Unrecht gegen mich, wenn Sie es behalten«, wandte ich ein.

      »Keineswegs. Ein Mensch kann kein Unrecht gegen den anderen begehen. Nur gegen sich selbst. Von meinem Standpunkt aus tue ich stets ein Unrecht, wenn ich die Interessen anderer beachte. Verstehen Sie? Wie kann ein Stückchen Ferment dem anderen Unrecht tun, wenn er dasselbe zu verschlingen sucht? Der Drang, zu verschlingen und sich selbst gegen das Verschlungenwerden zu wehren, ist ihm angeboren. Unterdrücken Sie diesen Drang, so sündigen Sie.«

      »Sie glauben also nicht an Altruismus?« fragte ich.

      Er sann einen Augenblick nach, als hätte das Wort für ihn einen fremden, aber doch nicht ganz fremden Klang.

      »Warten Sie mal, heißt das nicht so etwas wie Zusammenarbeit?«

      »Nun ja, so etwas Ähnliches«, erwiderte ich, diesmal nicht überrascht durch eine solche Lücke in seinem Wortschatz; da er ja reiner Autodidakt war, ein Mann, der viel gedacht und wenig, vielleicht gar nicht gesprochen hatte. »Eine altruistische Handlung ist eine solche, die man zum Wohle anderer vollbringt. Sie ist uneigennützig, im Gegensatz zu der eigennützigen Handlung, die man zu seinem eigenen Vorteil begeht.« Er nickte. »O ja, jetzt erinnere ich mich. Ich habe bei Spencer darüber gelesen.«

      »Spencer!« rief ich. »Sie haben Spencer gelesen?«

      »Nicht sehr viel«, räumte er ein. »Ich verstand allerhand von seinen ›Grundprinzipien‹, aber seine ›Biologie‹ hat mir doch den Wind aus den Segeln genommen, und seine ›Psychologie‹ hat mich lange in der Flaute treiben lassen. Ich konnte mit dem besten Willen nicht verstehen, worauf er hinauswollte. Ich habe damals die Ursache in meiner geistigen Unvollkommenheit gesucht, bin aber später zu der Überzeugung gelangt, dass mir die Voraussetzungen fehlten. Ich hatte nicht die richtige Grundlage. Nur Spencer und ich wissen, wie ich gebüffelt habe. Aber von seinen ›Ethischen Daten‹ habe ich doch etwas gehabt. Und darin fand ich eine Abhandlung über Altruismus und weiß jetzt auch, in welcher Bedeutung er das Wort anwandte.«

      Ich hätte gern gewusst, was der Mann von diesem Werke gehabt hatte. Ich erinnerte mich genügend an Spencer, um zu wissen, dass der Altruismus für ihn das höchste sittliche Ideal war. Wolf Larsen hatte offenbar unter der Lehre des großen Philosophen Auslese gehalten und seinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen gemäß gewählt und verworfen.

      »Was haben Sie sonst noch darin gefunden?« fragte ich. Er runzelte leicht die Stirn vor Anstrengung, einen treffenden Ausdruck für Gedanken zu finden, denen er noch nie Worte verliehen hatte. Ich spürte in mir einen geistigen Hochmut. Jetzt tastete ich seine Seele ab, wie er die anderer abzutasten pflegte. Ich befand mich auf jungfräulichem Gebiet. Eine fremdartige, eine unheimlich fremdartige Gegend entrollte sich hier vor meinen Augen.

      »Mit so wenigen Worten wie möglich«, begann er, »sagt Spencer etwa folgendes: Zunächst muss ein Mensch zu seinem eigenen Besten handeln – das ist moralisch und gut. Dann muss er zum Besten seiner Kinder handeln. Und drittens zum Besten seiner Familie.«

      »Und die höchste, vornehmste und einzig richtige Handlungsweise«, warf ich ein, »ist die, die gleichzeitig ihm selbst, seinen Kindern und seiner ganzen Familie frommt.«

      »Das unterschreibe ich nicht ganz«, erwiderte er. »Ich kann weder die Notwendigkeit noch die Vernunft davon einsehen. Ich nehme Familie und Kinder aus. Für sie würde ich nichts opfern. Das ist nichts als Sentimentalität, wenigstens für einen Mann, der nicht an ein ewiges Leben glaubt. Gäbe es Unsterblichkeit, so wäre Altruismus ein Geschäft, das sich bezahlt machte. Dann könnte sich meine Seele vielleicht zu den höchsten Höhen aufschwingen. Aber ohne Aussicht auf etwas anderes Ewiges als den Tod und nur die kleine Spanne dieses Leben genannten Gärungsprozesses vor mir, würde mir eine Handlung, die mir ein Opfer auferlegt, unmoralisch erscheinen. Jedes Opfer, durch das ich auch nur das Geringste dieses Gärungspozesses verlöre, wäre Torheit – ja, nicht nur Torheit, sondern ein Unrecht gegen mich selbst, und daher etwas Schlechtes.«

      »Dann sind Sie Individualist, Materialist und, logisch gedacht, Hedonist.«

      »Große Worte«, lächelte er. »Aber was ist ein Hedonist?«

      Als ich es ihm erklärte, nickte er zustimmend.

      »Und«, fuhr ich fort, »dazu sind Sie ein Mann, dem man alles zutrauen kann, sobald man seinem Eigennutz in die Quere kommt.«

      »Jetzt fangen Sie an, zu begreifen«, sagte er lebhaft. »Sie sind ein Mensch, völlig bar dessen, was man Moral nennt.«

      »Stimmt.«

      »Ein Mensch, den man immer fürchten muss – –«

      »Richtig.«

      »Wie man eine Schlange, einen Tiger, einen Hai fürchtet.«

      »Jetzt kennen Sie mich. Und Sie kennen mich so, wie ich allgemein bekannt bin. Andere nennen mich Wolf.«

      »Sie sind eine Art Ungeheuer«, fügte ich kühn hinzu, »ein Kaliban, der gegrübelt hat und in müßigen Augenblicken nach Einfall und Laune handelt.«

      Seine Stirn umwölkte sich bei dieser Anspielung. Er verstand sie nicht, und ich sah sofort, dass er die Dichtung nicht kannte.

      »Ich lese jetzt gerade Browning«, gestand er, »und er ist recht trocken. Ich bin noch nicht weit gekommen und habe so ungefähr die Richtung verloren.«

      Um den Leser nicht zu ermüden, will ich nur berichten, dass ich das Buch aus seiner Kabine holte und ihm vorlas. Er war entzückt. Immer wieder unterbrach er mich mit Erklärungen und kritischen Bemerkungen. Als ich fertig war, ließ er es mich noch einmal und dann zum dritten Mal vorlesen.