Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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war Maien.

      An den Rainen und Hängen blühten dunkelrot die Eriken, die Lärchbäume prangten in hellgrüner Farbe und trugen purpurne Kätzchen; auf den Wiesen glitzerten zerteilte Wässerlein. Der säuselnde, summende, allebendige Wald wurde schattiger und dunkler, je mehr in den Ästen frische Blätter nachwuchsen.

      Die Ameisen kamen hervor und begannen ihre Arbeit mit den Harzkörnern, mit den Zapfenschuppen, mit den dürren Nadeln. Auf den Wipfeln hüpften die Amseln und die Finken und die Rotkehlchen und die Meisen und sangen. – Und hoch oben, im tiefblauen Himmelsauge, kreiste ein Habicht, und sein Gefieder schimmerte silbrig in der Sonne.

      Hinter den dunkelnden Hochwäldern aber ragen die leuchtenden Felszinnen der Wildschroffen empor, in deren Klüften noch der Schnee lagert.

      Es liegt eine wunderbare Ruhe und Reinheit über der Einöde, obwohl einmal geäußert worden ist, die Hochgegend der Einöde mit ihren träumenden, raubtierreichen Wäldern und mit ihren weißen, scharfen Felskanten im Hintergrunde sei in solchen Tagen wie ein lauerndes Ungeheuer, das die Augen halb zudrückt und die Zähne fletscht.

      Über das junge Federgras und über das dunkelrot blühende Wildkraut der Heide ging in sehr kurzen, langsamen Schritten der Heidepeter und führte sein Weib.

      Klaras Kopf war dicht in Tücher und Lappen gewickelt, und sie hielt immer die Hand an den Mund, damit das Alpenlüftchen nicht zu sehr hineinkäme, denn zum Alpenlüftchen hatte sie kein sonderliches Vertrauen. Auch tat ihr der helle Sonnenschein weh. Sie ging gar schleppend und gebeugt und hing sich fest an den treuen Ehemann, obwohl sie behauptete, daß ihr recht gut sei und daß sie Trost habe, endlich doch wieder gesund zu werden.

      »Ich hab' was wahrgenommen, Klara,« flüsterte der Peter geheimnisvoll schmunzelnd, »wie ich jetzt vom Hause fort bin, hab' ich im Stübel die Schmalzkübel pumpern gehört; ich sag', wir kriegen heut' einen guten Sterz, Klara!«

      Ein guter Sterz, das war dem Heidepeter nach Weib und Kind das Liebste auf Erden.

      »Magst ein Brot, Peter? Ich hab' mein gestriges Stückel bei mir.«

      Sie setzten sich endlich auf einen moosigen Stein, und der Peter sagte:

      »Bin wohl rechtschaffen froh, daß Sonntag ist und daß unsereins rasten kann, 's tun mir halt doch dann und wann wollten die Händ' weh beim Pflugführen in der Steinleiten.«

      »Tust dich frei soviel herabrackern, Peter, und du wirst mir schier ein ganzer Hascher; bist eh' schon grau auf dem Kopf und wirst nach und nach letz. Wenn dir was ist, Peter, so sag's, 'leicht kann ich dir doch dann und wann Hilf' reichen. Freilich wohl, schön geduldig ertragen, wer's zuwegen bringen könnt', das wär' ein Glück. Allemal kann man's halt nicht. Und das, denk' ich, fragt einen unser Herrgott, wenn man anklopft bei der Himmelstür: Hast Kreuz und Leiden willig tragen? Geh, zeig' mir deine Schultern! Bist auf dornigen Wegen gegangen? Geh, zeig' mir deine Füße! So komm' herein, die Erden werd' ich verbrennen mit ihrem Kreuz und Leiden, und im Himmel wollen wir zusammen verbleiben. – Dasselb', denk' ich, sagt der liebe Herrgott, wenn unsereins vor die Himmelstür kommt.« Der Peter lächelte mit feuchten Augen.

      »Ja, und jetzt muß ich dir was sagen,« fuhr sie fort, »ich tät' am nächsten Sonntag soviel gern nach Rattenstein hinaushumpeln, ich weiß ja schon völlig nimmer, wie eine Kirchen ausschaut. Schau, Peter, 's könnt bei mir auf einmal zum Sterben sein.«

      »Dasselb' ist wohl richtig«, antwortete der Mann gedrückt und legte die Hand ans Kinn.

      »Und zuletzt wär' gar vom Gabriel ein Brief beim Postmeister!«

      »Wenn ich bei der Arbeit bin,« sagte der Peter, »oder wenn ich allein wo geh und steh, so bet' ich halt gern für unsere Kinder. Geh, Klara, magst mir heut' nicht das Lied vom armen Dienstmägdlein singen?«

      Das Weib schmunzelte ein wenig hinter dem Tücherwall. Singen, das war ihr Lebtag was für sie gewesen, und wenn sie überlaut auch sagte, sie könne gar nicht mehr, ihre Kehle sei so rauh wie ein alter Lodensack, so war es ihr doch heimlich recht, wenn jemand sie bat um ein Lied. – Der Peter war ihr ja einst, als sie Ziegen hütete, im Walde nachgegangen, ihres Singens wegen, hatte sie kennengelernt und hatte sie hierauf geheiratet.

      Darum war ihm ihr Gesang immer noch lieb zu hören.

      Klara hüstelte nun ein paarmal, um die Kehle zu glätten, dann schlug sie ein klein wenig die Tücher auseinander und begann leise – halb singend, halb sagend – Peters Lieblingslied:

      Es war ein armes Dienstmägdeleln,

       Gar keusch und rein im Leben?

       Das ging wohl alle Tag in Wald:

       Da fand es eine Bildnuß bald,

       Die tat es wunderschön zieren.

      Die Bildnuß war alle verwischt und wild.

       Die Bildnuß war kaum zu bekleiden,

       All' Tag mit ein frischen Blümelein,

       Wie's stunden auf der Heiden –

      Hier wurde die Sängerin unterbrochen.

      »Peter!« rief eine derbe Stimme vom Hause her, »wo hat dich denn der Geier wieder, du Dalkerd!«

      »Der Bauer,« sagte der Peter, »jetzt muß ich gleich zum Haus hinablaufen, 's wird ein' Arbeit für mich sein. Hatsch schön stad nach.«

      Und als er zum Hause kam, fluchte der Hahnenkamp, und der Zapfenwirt, der neben ihm stand und mit seinen triefenden Augen blinzelte, sagte höhnische Worte, die dem Peter weh taten.

      »Mein Davidl läßt dich grüßen, Dalkerd,« sagte der Zapfenwirt, »er wär' sonst mitkommen und hätt' dir sein Kompliment gemacht, daß du's so weit bracht hast, aber 's könnt' der Kettenhund toll werden, oder du hättest ihm gar wieder ein Fangeisen gelegt. Ja, ja, Dalkerd, die Welt ist kugelrund!«

      »Laßt mich in Ruh!« entgegnete der Peter kleinlaut, »ich und mein Weib haben Euch nichts in den Weg gelegt und meine Kinder wohl gewiß auch nichts.«

      »Kommt er gleich mit seinen Kindern und prahlt sich damit«, lachte der Zapfenwirt. »Nu, ich will dir's nur sagen, man hört saubere Sachen von deinen Kindern!«

      Da wurde der Heidepeter lebendig:

      »Was hört man von meinen Kindern? Auf der Stell', Wirt, was hört man?«

      »Geh selbst nachfragen, ich bin kein Kostenträger, ich bin der Zapfenwirt!« war die Antwort.

      »Nur peinigen wollt Ihr mich und mein Weib!« rief der Peter mit bebendem Ton.

      »Jetzt troll' dich einmal, alter Brummbär!« schrie der Hahnenkamp, »Futtermähen geh, oder sollen die Melkküh' heut' nichts fressen? Du fragst gleich nach der fetten Butter, aber sonst fragst nach nichts! Wie du dich selbst aufgefressen hast, so willst auch mich auffressen. Na – muß ich dir weiterhelfen?«

      Der Bauer drohte mit der Faust, aber der Peter blieb auf seinem Fleck stehen.

      »'s ist wohl heut' Sonntag,« sagte er endlich, »und die Sonntagsschänderei ist bei mir nie der Brauch gewesen. Hättest zum Futtermähen auch die Kuhmagd – aber ich geh und tu deinen Willen. Euch, Zapfenwirt, frag' ich noch ein andermal später, was für saubere Sachen Ihr von meinen Kindern wißt.«

      Der betagte Mann langte die Sense von der Vorwand und ging hinab auf die Wiese. Und es war doch Sonntag und Ruhetag, und die Leute vergnügten sich und sammelten Kraft für die nächstkommenden Werktage. Nur er mußte das Zugtier sein, das keine Ausnahme erfährt.

      Traurig stand er da und starrte nieder auf das grüne, frische Gras. Siehe, da saß auf einem Rispenhalm eine Heuschrecke, und die hielt ihre zwei Vorderfüße gefaltet empor gegen den hohen, blauen Himmel. – Alles hält Sonntag, selbst das Insekt im Grase feiert den Tag mit dem lieben Herrgott. –

      Aber Gehorsam und Sanftmut ist auch ein Gottesdienst – hatte Gabriel einmal aus einem Buche gelesen. Der Heidepeter dachte daran und hieb die Sense in das Gras.