Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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und da steckte er behäbig seine beiden Daumen hinein.

      So schritt er im Hofe langsam umher, machte die Stall- und Scheunentore auf und besah und betastete die Wände und Torstöcke und die Bedachung, ob wohl alles seinen guten Stand habe. Dabei pfiff er und pfiff höllisch falsch.

      Der Heidepeter saß neben seinem siechenden Weibe in der Stube und legte die Hand an das Kinn.

      Klara hielt die blaue Schürze vor das Gesicht.

      »Hast denn nicht besser wirtschaften können, Peter! Jetzt ist alles hin, was fangen wir an?«

      »Wenn der Bub daheim geblieben, hätten wir uns noch durchgewürgt; aber hast ihn ja selbst noch fortgeschoben mit deinen Reden, Klara. Mir darfst keine Schuld geben.«

      »So, und jetzt wälzest du noch die Schuld auf mich, auf die arme, kranke Haut, die sich nicht zu helfen weiß! Wenn mich der lieb' Herrgott nur gleich zu sich nehmen tät, das wär' das beste!«

      Sie schluchzte so heftig, daß sie kein Wort mehr hervorbrachte. Der Peter mußte sie stützen, daß sie nicht auf den Boden fiel.

      »Klara!« hauchte er ihr auf die Stirn, »tu dir's nur nicht gar so schwer legen. Sag' mir, 's wird wohl nicht unrecht sein, wenn ich dein Gebetbüchel da in den Sack steck', daß sie's nicht finden?«

      »Wo ist denn heut' die Regina?« fragte Klara endlich und trocknete sich die Augen.

      »Sie muß den Leuten das Korn vermessen und die Küh' aus dem Stalle treiben«, sagte der Peter traurig.

      Draußen in der Lauben stand ein Tisch. Da fiel nun der Hammer nieder.

      »Siebenhundert!« schrie der Amtmann.

      »Achthundert!« rief ein anderer.

      »Achthundert zum ersten.«

      »Neunhundert!«

      »Neunhundertundfünfzig!«

      »Neunhundertsechzig!«

      »Tausend!«

      »Tausend zum ersten! Tausend zum zweiten!«

      »Tausendfünfzig!«

      »Tausendundfünfzig zum ersten! Zum zweiten!«

      Es war still, die Leute hielten den Atem an.

      »Tausendundfünfzig zum zweiten!« rief der Amtmann, »gibt keiner mehr? – Tausendundfünfzig zum – dritten!«

      Der Hammer fiel auf den Tisch.

      Das Heidehaus gehörte dem Hahnenkamp.

      Jetzt entstand eine lebhafte Bewegung, und mehrere Gläubiger fluchten und schrien, sie litten keine Verkürzung, und sie ließen es auf einen Prozeß ankommen.

      Der Bader von Rattenstein trat in die Stube.

      »Heidepeter!« sagte er, »es ist schlecht ausgefallen, dein Haus mit allem, was drum und dran, ist um tausendundfünfzig Gulden abgeschlagen worden; schuldig bist aber um ein gut Stück drüber! Ich leid' keinen Schaden, Heidepeter, das sag' ich dir!«

      »Könnt's mir ja den Rock vom Leib ziehen,« sprach der Peter tonlos, »mir ist alles recht.«

      Der Arzt polterte wieder hinaus.

      Der Peter erhob sich:

      »Gleich geh ich es ihm sagen, daß er dich gesund mache«, rief er aufgeregt. »Ich hab' ihm mein halbes Haus dafür gegeben, und ich schenk' ihm's nicht. Auf der Stell' muß er dich gesund machen, Klara, oder ich geh zum Kaiser!«

      »Sei nicht aufgebracht, Peter,« beruhigte ihn nun Klara, »der Arzt kann's halt auch nicht gleich so wie er möcht'. Der Herrgott wird uns nicht verlassen. Geh, ruf mir die Regina her!«

      Jetzt trat der Hahnenkamp zur Tür herein.

      »Bleib' nur sitzen, Peter«, sagte er mit einem Ton, der wohlwollend sein sollte. »Habt es freilich ausgeschrien, ich wär' ein Wildling, aber das ist derweil nicht richtig, und ich sag' euch's gleich, ich werd' euch nicht hinauswerfen; 's Haus ist mein von dieser Stund' an, und euch lass' ich's Oberstübel. Du, Peter, hilfst mir in der Arbeit und verdienst schon die Kost für dich und dein Weib. Ist wohl wahr, und ich sag's: Was mein ist, ist mein, und nicht ein Splitterl von meinem Güterl! Aber Stein bin ich keiner. Kannst jetzt ein Eichtel rasten, Peter, und nachher, wenn die Beschau vorbei, gehst den Schnee vom Grashaufen wegschaufeln und hackest Streu ein!«

      Der Peter sagte nichts, er tat nur einen hohen Atemzug.

      »Deine Tochter wird zum Ameishüter als Stallmagd hinauskommen,« fuhr der Hahnenkamp fort, »wird ihm die dreiundzwanzig Gulden abdienen, die nicht 'zahlt werden können. So, jetzt weißt es, und wenn du willst, so sag's auch deinem Weib.«

      »Hab's schon gehört!« rief Klara, »weiß schon, daß Ihr uns das Haus und unser Kind weggenommen habt. Wollt's uns 'leicht allein lassen in unseren alten, mühseligen Tagen? – Hahnenkamp! – Er hört mich gar nicht an, lachen tut er noch, und fort geht er, und alle lassen sie uns allein. Peter, wir zwei sind zuviel auf der Welt, sie hätten uns am liebsten unter dem Gras. Aber sterben will ich noch nicht, beileib nicht! Will's noch erleben, daß uns der Hahnenkamp um eine Nachtherberge bittet!«

      »Ich möcht' sonst nichts erleben,« entgegnete der Peter, »als daß uns unsere Kinder eine Freud' machen täten, und das ist allweg meine Hoffnung.«

      Regina kam herbei und tröstete die Eltern und sagte, sie wolle ja gern dienen, um den Leuten die Schulden abzustatten, und sie käme jeden Sonntag zu Vater und Mutter und täte sie mit Freuden pflegen. Sie tat heiter, als sie dieses sagte, und sie wischte der Mutter das Feuchte von den Augen.

      Da faßte Klara das Mädchen zitternd an der Hand und führte es aus der Stube hinab in den dunklen Keller.

      »Du gehst jetzt zu fremden Leuten,« sagte sie hier, »und da muß ich noch etwas mit dir reden. Du bist aufgewachsen in Ehren, und bei deinen Eltern daheim hast du Gotts wegen nichts Schlechtes gehört und gesehen. Ich weiß nicht, verstehst mich schon, aber bei dem Menschen ist's einmal so, wenn er in seinen jungen Jahren ist, daß – Regina, jetzt schau her auf deine kranke Mutter, vergiß es nimmer, wie ich da steh' vor dir mit aufgehobenen Händen und dich bitte um Gottes willen, tu mir keine Unehr' an! Tu dich allweg hüten, und wenn's Gott gibt, daß du einstmalen in den Ehestand trittst – Regina, bring' den grünen Kranz mit zum Altare! – Daß du mich jetzt verlassen mußt, in meinen alten Tagen, just deswegen werd' ich nicht sterben, aber wenn du mir mein heiliges Wort vergißt, so hast du mir die Grube gegraben!«

      Gegen Abend schritt Regina hinab zur Waldkapelle, und nun erst brach der Schmerz in Weinen aus, daß es so gekommen war.

      »Ich bin ein armes Mädchen,« schluchzte sie vor dem Marienbilde, »und ich habe die heilige Pflicht, meinen Eltern beizustehen, aber die Leute reißen mich von ihnen fort. Jetzt will es dunkel werden in mir, und kein Mensch ist, der mir zurufen tät': Gute Nacht!«

      Endlich trocknete sich das Mädchen die Tränen von den schönen, dunklen Augen, tat einen tiefen Atemzug und sagte:

      »Ei ja, Tag und Nacht, 's ist so der Brauch auf der Welt. Die Sonne wird schon wiederkommen, das ist ein schlechter Christ, der verzweifelt.«

      Als sie aus der Kapelle trat, blickte sie erstaunt auf die Schneedecke. Hier standen die Worte geschrieben: »Gute Nacht, Regina!«

       * * *

      Wenn die Mutter Natur will, so bringt sie alle Menschen zum Lächeln.

      Gram, Sorge, Liebweh mag noch so groß sein, jegliches Leid wird gemildert, wenn die Welt mit ihrem Frühling kommt. »Sei gut, sei froh und heiter, du Menschengemüt!« sagt Mutter Natur.

      Auch in der Einöde und auf der Heide ist der Frühling schön, gleichwohl er spät kommt, gleichwohl die Junisonne Schnee zu schmelzen hat in den Waldschluchten.

      Wohl lange schon war jener weiße, glitzernde Brief zergangen, auf welchem die Worte geschrieben standen: »Gute Nacht, Regina!«

      Tiefe