Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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so können wir uns nicht helfen!«

      »Und wenn er dableibt, können wir uns auch nicht helfen, und er kann sich selber nicht helfen, und wenn wir uns ins Grab legen, verlassen wir ein unglückliches Kind auf der Welt. Der Gaberl hat mehr Glück und Schick für was anderes als für unsere Einödrackerei, und ich geb' meinen Willen dazu, wenn er was anderes probieren will, und ich trag' mit Freuden den Bettelstab, wenn ich weiß, daß es unserem Kind gut geht. Das wären leicht schlechte Eltern, die ihr Kind vom Glück wegstießen.«

      Da sagte der Heidepeter denn doch endlich:

      »Wenn er fort will, es ist recht, soll's halt auf Gottes Wegen probieren!«

      Sie offenbarten dem Sohne, daß er ihren Segen habe, ja, daß sie es, recht betrachtet, nach allem, was besonders bei der Christenlehre vorgefallen war, für geraten fänden, wenn er von diesen harten Leuten, die ihm so übel wollten, in Gottes Namen für eine Zeit fortzöge. – Da wurde Gabriel lebendig. Die Vorbereitungen zur Abreise, rasch führte er sie nun zu Ende. Die Nachbarn, als sie das bemerkten, schauten einmal auf. Heidepeters Gabriel geht wirklich fort?! –

      Und als er nach wenigen Tagen mit Stock und Bündel vor den Seinen stand und versprach, daß er oft Berichte von sich und möglichst bald Hilfe senden werde, faßte der Vater, was er sonst nie tat, des Sohnes Rechte in seine beiden Hände und sagte:

      »Dasselb' ist meine größte Sorg', daß du mir in der Fremde auf den lieben Gott vergessen wirst!«

      Und die Mutter setzte bei:

      »All' meiner Tage will ich für dich beten. Was wär' das, wenn du fehl gingst? – Und wenn auch ich mit Gottes Will' in den Himmel komm', so könnt' ich ewig und ewig keine Seligkeit haben, wenn ich den Herrgott fragen tät am Jüngsten Tag: Wo ist unser lieber Sohn Gabriel? Und er gäb' mir zur Antwort: Der hat euer vergessen, hat meiner vergessen und steht zur Linken! Nein, an das will ich nicht denken. Wie du noch in der Wiege gelegen bist, hab' ich unser' liebe Frau gebeten: Eh', daß er mir aufwächst und ein Unkraut wird, lass' ihn lieber sterben in der Kindheit. Gottes wegen, ich hätt' den Schmerz ertragen. Aber die liebe Frau hat dich aufwachsen lassen, und daß du nicht verlorengehst, mein Kind, mein liebes Kind, dasselb ist mein Gebet am Morgen und am Abend und mein fester Glauben.«

      Aber dann! Als ihr Gabriel die Hand zum Abschied hinhielt, brach das kränkliche Weib in lautes Weinen aus. Als ob sie bisher von allem nichts gewußt hätte und jetzt erst den Verlust einsähe, rief sie mit schmerzerstickter Stimme:

      »Ja, was tust denn, Gabriel? Wirst mir doch nicht fortgehen, wirst deine mühselige Mutter doch nicht verlassen?«

      In aller Freundschaft und Liebe und Treue sieht das Mutterherz obenan; das Mutterherz magst du anbeten wie die Gottheit, du begehst keine Abgötterei! –

      Regina schluchzte so heftig, daß sie nicht ein einziges Wort hervorbringen konnte. Krampfhaft drückte sie sich die blaue Schürze in das Gesicht. Nur einen Augenblick ließ sie das Tuch sinken, als sie Gabriel die Hand reichte und das letztemal in seine großen, betrübten Augen blickte.

      Nun hatte sie der Bruder allein gelassen daheim bei der elenden Wirtschaft, bei den armen, mühseligen Eltern.

      Als Gabriel vom Hause fortging, bellte und rasselte der Hund mit aller Heftigkeit an der Kette, wie einst an jenem Tage, als er den glimmenden Schwamm im Ohr gehabt. Das gute Tier wollte nicht zugeben, daß der Sohn des Hauses unerfahren so fortziehe in die Weite.

      Die Zapfenwirtin erzählte es jedem, der ihr ins Haus kam, und der vorüberging, dem rief sie es nach: »Hast du's auch schon gehört, daß Heidepeters Gabriel in der großen Lotterie drei Schlösser gewonnen hat? Ich hab's selbst gesehen bei der Christenlehr', wie ihm der Brief ist zugeschrieben worden. Sobald's den ersten Schnee macht, kann er mit vier Rössern Schlitten fahren!«

      Und als sie heute am Tisch neben dem Rindenschlager-Lenz saß, sagte sie:

      »Hab's alleweil gesagt, daß die Einschicht-Res um ein Kapitel mehr weiß wie andere Leut'. Sie hat's schon zu derselbigen Zeit, wie der Gaberl zur Tauf' tragen worden ist, ausgeschrien, daß aus dem Buben extra was wird. Kann wohl sein, hab' ich schon oft bei mir gesagt, ein getaufter Heide ist auch extra was, und das Heidehaus heißt nicht umsonst Heidehaus, man kann schon rundweg sagen: das Heidenhaus. Just, wie wenn's mir zu Sinn' gegangen wär'! Und drei Schlösser! Ich aber sag', dahinter steckt was, wirst mich nicht Lugen strafen, Lenz. Und das wirst auch sehen, seine Vaterleut' führt er nicht mit in die Schlösser; die läßt er uns da, daß wir unsere Bettelleut' haben.«

      In diesem Augenblick ging Gabriel mit Bündel und Stock des Weges.

      Die Wirtin riß das Fenster auf und schrie:

      »Ei, wie stolz! Ein Behüt' Gott dürftest mir wohl auch geben, Gabriel; hab' dir's die ganze Zeit gut gemeint.«

      »Nun, so behüt' Gott!« sagte Gabriel.

      »Nein, aber mich freut's, daß du so ein Glück machst, und ich mein', wenn du mein eigen Kind wärst, 's könnt mich nicht mehr freuen!«

      Die Wirtin war ganz bewegt. Gabriel reichte ihr in seiner Einfalt die Hand, dann zog er weiter.

      »Der junge Dalkerd, wie die Leut' sagen,« näselte die Wirtin, indem sie das Fenster schloß, »und eingebildet noch dazu; glaubst, er hätt' ein' Gruß gehabt für mein Davidl? Ja, und was hab' ich g'rad früher gesagt? Hab' ich nicht gesagt, seine Vaterleut' läßt er uns da? – Und der abscheuliche Geiz! Hast gesehen seine Hosen, auf jedem Knie ein Fleck! Nu, werden's sehen, das Sprüchel ist: Gestickt geht er fort, zerrissen kommt er in den Ort!«

      Der Lenz stimmte allem still nickend und lächelnd bei; er hoffte dadurch, daß die Schänkin zuletzt sagen würde: Seien wir froh, daß er davon ist, und ich mach' dir heut' aus Freundschaft keine Rechnung, Lenz!

      Indes war der wirkliche Schluß folgender:

      »Wir werden's 'leicht noch erleben, daß das Heidehaus unter den Hammer kommt. Und wär's ein Wunder bei solchen Leuten? 's hat unsereins nichts zum besten bei diesen mageren Zeiten, und jeden Kreuzer muß man sich mit blutigen Fingern graben.«

      Als Gabriel an die Reihe kam, wo sich der Weg hinausbiegt aus der Einöde gegen Rattenstein und wo der Haldbrunnen ist, saß der Haberturm-Rudolf am Rande des Troges.

      »Ich hab' dich noch einmal sehen müssen, Gabriel!« sagte er, »weißt, bei diesem Wasser nehmen wir Abschied. Das ist der Gabriel-Brunnen.«

      »Deine Freundschaft nehme ich mit, Rudolf. Denke zuzeiten an mich; ich gehe von der Einöde nun erst recht in die Einöde hinaus. Ich kenne keinen Weg und Steg da draußen in der ganzen Welt. Ich versuche mein Glück, und solange ich die Sonne und die Sterne der Einöde sehe, kehre ich nicht um. Rudolf, gib mir deine Hand. Eine Bitt' hab' ich noch an dich. Schau, wenn ich an meine Eltern, an meine Schwester denke, die ich nun hab' verlassen müssen, so möcht' ich weinen soviel Tränen wie dieser Brunnen Wassertropfen hat. Nimm dich ein wenig ihrer an, und mach' mir von ihnen zu wissen, sobald ich dir meinen neuen Wohnort bekanntgegeben habe. Und grüße mir sie noch einmal!« Er bückte sich und pflückte ein Maßlieb am Rain: »Das gib der Regina. Und jetzt, Rudolf, reich' mir nochmals deine Hand. Behüt' dich Gott, Rudolf, behüt' dich Gott!«

      So schieden die jungen Freunde.

      Rudolf schritt zurück in die traurige Welt der Einöde, Gabriel wanderte mutig hinaus in die unbekannte Einöde der Welt.

      Zieht mit den Wölklein

       Nicht dort der Vögel

       Lustiges Völklein

       Singend durchs Land?

       Wo sie entsprossen,

       Weilt nicht die Quelle,

       Hüpft zu Genossen

       Über die Wand!

      Hast du zum Wandern,

       Freund, nicht die Füße

       Einen zum andern?

       Sende sie fort;

       Fort von der Stelle,

       Bis sie