Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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      Der Mann strich sich den schwarzen Knebelbart, ein Lächeln zuckte über sein braunes Gesicht, seine dunklen Augen funkelten, und lebhaft schüttelte er seine langen, zurückgekämmten Haare.

      Gabriel stand da und wußte nicht, was er sagen sollte.

      »Künstlerleben!« – fuhr der Schwarze fort, »verstehen Sie's wohl? Eine ganze Welt zu eigen haben und ein Universum noch dazu, potz Himmel und Morgenstern, das soll uns der Kaiser von China nachmachen! Maulwürfe sind sie alle, die da graben und sich verkriechen hinter den Ofen, hinter den bestaubten Kodexen, hinter den Zifferbuden. Der Künstler ist der Mensch! Kunst und Universum! So kommen Sie mit uns!«

      »Das wär' schon recht, 's ließe sich überlegen,« meinte Gabriel, »reisen hätt' ich schon lange mögen. Wenn ich nachher wieder zurückkomm' zu meinen Eltern und der Müh' wert was profitiert hab'?«

      »Ha, profitiert haben!« rief der andere und versetzte dem Burschen einen derben Handschlag auf die Achsel. »Ein Mordskerl wie Sie, frisch wie 'ne Gemse, kuraschiert wie ein junger Löwe, Ihnen kann's auf Ehre gar nicht fehlen! Sie haben auf unseren Reisen Gelegenheit, sich die umfassendsten Welt- und Menschenkenntnisse zu erwerben, sich in allen Zweigen auszubilden, alle erdenklichen Genüsse zu kosten, auszuschlürfen, mit einem Worte, manneswürdig zu siegen. Und um einen Malefizjungen, wie Sie einer sind, parbleu, zerfleischen sich ja alle Weiber!«

      Gabriel blickte zu Boden und errötete ein wenig.

      »Spaß apart!« sagte der Schwarze und faßte den Burschen bei der Hand. »Ich bin Eigentümer des Panoramas und brauche gegenwärtig einen jungen Mann von Ihrem Schlage. Sie sind bei mir gehalten wie mein Sohn, sie wohnen in meinen Etablissements und speisen an meinem Tisch. Ich versorge Sie mit Kleidern und allem, was Sie bedürfen, und die Arbeit, der Sie zu obliegen haben, ist ein reiner Pappenstiel. Täglich die Bilderrollen aufziehen, die Guckgläser reinigen, die Transparentlichter besorgen und ein paar Plakate anschlagen. Sie erhalten entsprechende Gage, und in ein paar Jährchen sind Sie ein versilberter Mann. Zudem versteht es sich von selbst, daß Sie mir nicht verpflichtet sind, daß es Ihnen jederzeit freisteht, die Verbindung zu lösen. Also topp!«

      Gabriel blickte auf den Stand und schupfte mit dem Stocke ein Steinchen hin und her. Endlich warf er seinen Kopf empor und sagte:

      »Ich werde früher den Professor Frei fragen.«

      »Wie Sie wollen,« versetzte der Panoramabesitzer, »Professor Frei wird Ihnen dasselbe sagen, und zudem garantiere ich Ihnen nicht, ob ich Ihnen bis morgen die Stelle reservieren kann. Wenn ich will, hab' ich in ein paar Stunden drei solche Bursche, und wenn ich zehn brauche, bin ich auch nicht verlegen. Nu, Sie gefallen mir just, und ohne daß ich erst frage, wer Sie sind, wie Sie heißen, biete ich Ihnen die möglichsten Vorteile an, mit denen Sie gewiß zufrieden sein werden. Also junger Freund, topp!«

      Zu verlieren, meinte Gabriel, hätte er nichts. Die Welt kennenzulernen und Erfahrungen zu sammeln, sei er ausgezogen, und so wolle er denn einschlagen.

      Auf der Gant

       Inhaltsverzeichnis

      Und wie ging's in der Einöde, als er fort war?

      Oft, wenn stiller Feierabend, verließ Regina das Haus und ging hinab gegen die Kapelle, die verlassen und halb verfallen dastand, zwischen Erlengebüschen und hohen Föhren.

      An einem rostigen Türnagel hing ein Weihwassergefäß. In dieses tauchte das Mädchen stets die Finger ein, besprengte sich das Gesicht und sagte halblaut:

      »Jetzt gehe ich in das heilige Haus Gottes ein, die weltlichen Gedanken sollen weit von mir sein – hier bin ich vor Gott in der Ewigkeit!«

      Dann kniete sie nieder auf ein Querbrett und sah zum uralten, in Einfalt gezierten Frauenbild auf. Sie betete:

      »Himmelskönigin Maria, dein Bild verehr' ich, und zu dir ruf' ich, weil mir so bang ist im Herzen. Mein Vater ist arm und kann sich nicht helfen, weil ihn das Unglück verfolgt, weil ihn die Leut' verfolgen, und jetzt wollen sie uns gar das Haus wegnehmen und uns hinausstoßen aus dem eigenen Dach! Meine Mutter will mir erblinden, und sie weint auch so um den Gabriel. Jungfrau Maria, und das ist auch mein größtes Anliegen, meine Bitt', beschütz' mir doch meinen Bruder in der Fremde. Ganz unbekannte Leut' haben ihn fortgerufen, und ich weiß nicht, was sie mit ihm tun. O heilige, reine Gottesmutter! Jeden Samstag einen Kranz von Rosen und Marin, den flecht' ich deinem Gnadenbilde hier, wenn du meinem Bruder beistehst allzeit, weil ja ich nicht bei ihm sein kann, und weil er gewiß niemanden haben wird, der ihn pflegt und auf ihn Obacht hat. Und jetzt bet' ich auch noch für mich, daß du mich fromm und geduldig sein lassest: die Leut' bringen gar allweg Schlechtes über mich auf und führen mich in die Versuchung. So, und jetzt hab' ich dir mein Anliegen geklagt, und jetzt geh' ich und sag': Gute Nacht, Maria!«

      Nichts auf Erden kann ein banges Herz so sehr beruhigen und trösten als ein gläubiges Gebet. Oh, schleudert den armen bedrängten Menschen nicht die Brandfackel des Zweifels in dieses Heiligtum, oder, wenn ihr es tut, so lasset ihnen in euch jene Allmacht und Liebe angedeihen, die sie von Gott und seinen Heiligen so zuversichtlich erwarten. Könnt ihr das?

      Regina verließ stets beruhigt die Kapelle und war wieder heiter und doppelt liebreich gegen ihre Eltern.

      Eines Tages im Spätherbst, als sie aus der Kapelle trat, stand Rudolf, der junge Haberturmknecht, an einem Baum und zeichnete mit einem Weidenstäbchen Dinge in den frisch gefallenen Schnee.

      Das Mädchen erschrak beinahe und sagte:

      »Willst 'leicht auch dein Abendgebet hier verrichten, Rudolf? Was schreibst denn da für Sachen in den Schnee?«

      Der junge Mann zerstörte seine Zeichnung mit einem tiefen Strich und versetzte zerstreut:

      »Nichts. Geben will ich dir was.«

      »Ja, das kann ich mir denken,« lachte Regina, »fopp' du deine Leut', wirst keinen Taglohn schuldig!«

      »Einen Gruß von deinem Bruder bring' ich dir in diesem Blümel.«

      Er hielt ihr das vertrocknete Maßlieb hin.

      »Geh, meinst, mein Bruder hätt' kein' besseren Gruß für mich wie so ein welkes Blümel da? Halt her! – Schau, lassen mag ich dir's doch nicht.«

      Der Bursche stand da und blickte auf den Schnee.

      »Willst 'leicht noch was?« fragte ihn Regina.

      Da reichte er ihr seine Hand und sagte:

      »Gute Nacht, gute Nacht, und nochmals gute Nacht!«

      Dann ging er langsam über den Wassergraben, in welchem unter der Schnee- und Eisdecke der Waldbach murmelte, und jenseits aufwärts gegen den Halberturmhof.

      Nun kam der Winter mit Massen.

      Es war noch weit vor dem Frühjahre, es war die Faschingszeit, und unten beim Zapfenwirt schlug der Rindenschlager-Lenz das Hackbrett. Wie da die Hämmerchen hüpften auf den glänzenden, zirpenden Stahlsaiten, auf und ab, hin und her, von einer zur anderen, und wie jede getroffene ein anderes Lied sang! Und was da die Leute tanzten und jauchzten; in der Stube flogen die Silbergroschen wie draußen über der Scheune die Spatzen.

      Oben im Heidehause ging es auch lebhaft zu, da eilten die Leute erregt und bewegt zur Tür aus und ein, und auch hier wurde zum Fasching ein Instrument gespielt. Nur daß dazu niemand tanzte und jauchzte, denn der Hammer, der hier spielte, schlug nicht auf klingende Saiten – er schlug auf Menschenherzen.

      Der Hammer der Versteigerung.

      Zahlreiche Gläubiger waren da und gingen im Hause umher und beguckten alles, und eine Anzahl Kleinhüttler, Köhlersleute, die sonst betteln gekommen waren, polterten in den Stuben herum und warfen hochmütige Blicke auf die Hausbewohner, die alles geschehen lassen mußten und sich nicht rühren durften. Wenn der Heidepeter was sagte, wenn er bat, ihm das oder jenes, was ihm besonders angewachsen, nicht wegzunehmen, so erhielt