Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger

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Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075837325



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aber sie pochten träge und mit Unlust, denn das erste Körnlein, das aus jeder Ähre springt, springt in des Pfarrherrn Sack. Vielleicht übertrieb er ein wenig, der alte Sandhock, wenn er sagte: »Was beklagen wir uns denn! der Herr kriegt ja den Zehent nicht, den dürfen wir behalten. Er nimmt das Übrige.« Daß der Sack des Herrn Franciscus nicht allzu klein war, erhellt.

      Da demnach das Arbeiten grämlich war, so ließen die Leute Dreschflegel und Windmühle am liebsten liegen und stehen und gingen ins Wirtshaus. Nur war auch dort keine Lust, wie sonst; die Männer saßen und lehnten und murrten mit verglasten Augen herum und die Wirthin war unwirsch, so oft sie eine Stumpe Schnaps zu bringen hatte. »Geht’s heim arbeiten, ist gescheiter.«

      »Recht hast.« antwortete ihr der Sandhock, »aber ich mag nicht gescheiter sein.«

      »Und Du, Baumhackel, Du kriegst gar keinen mehr, Du zahlst nicht!«

      »Daß ich nicht zahl’,« entgegnete dieser, »das missest mir so übel auf, aber daß ich kein Geld hab’, das bedenkst gar nicht. Geh’, Frau Wirthin, so blümelsauber und so ungerecht!«

      Im Ofenwinkel saß Roderich der Stromer. Er schwamm in Bitterkeit irdischer Drangsal. Schnaps sehen und keinen kriegen! Ins Gesicht lachte ihm die Wirthin, wenn er um einen bat, denn er mußte eben darum bitten. Er konnte noch froh sein, beim Ofen sitzen zu dürfen. Er brütete wohl über seiner Idee von Kerzen und Jungfernhaar und Kreuzotternfett. – Kreuzotternfett wäre schon zu kriegen, aber das Andere!? Der Firnerhans hätt’ Eine – kann nicht hoch über die siebzehn sein – eine laubfrische Dirn, und so viel still und frömmlich. Auf dem Johannesberg wachst sich auch eine aus. Sie ist allein bei ihrer Alten. Wenn ich die kunnt drankriegen! – Der Wirthin ihre da draußen in der Küche, der Teufel soll sie holen! Noch ein hundsjung Gansel; da meint man, sie thät’ mit dem vierten Gebot noch nicht fertig sein und dieweil ist sie schon lang beim sechsten. Von Der einen Haarfetzen hab’ ich leicht derwischt; aber wie einer da aufsitzen kunnt! Im Jägerhaus oben – ehevor das Rabenvieh noch ordentlich brennend ist, sind die Leut’ schon munter worden. Zu hart Kräften, daß ich auskommen bin. Na na, vor so Einer sollt’ mich Gott bewahren. Aber die Firner-Dirn schon, die Firner-Dirn und die Andere auch, die Andere. – Draußen in der Küche am Herde, wo die Weibsleute geschäftig Wildpret kochten und schmorten, hockte im Winkel Einer, der wisperte: »Pack’ ich Eine her und reibe ihr den Schnauzbart in die Wange, so wird das ein ketzerhaftes Gelärm und Geschrei sein.«

      »Ich mag’s,« meinte ein Anderer daneben, »wenn man die Weibsleute mit so einem Bartwisch abscheuert, so poltern sie wie Katzentritt und schreien mit Fischstimme!«

      An der Thür stand ein wildfremder Mensch. Der machte plötzlich einen langen Hals gegen die Wirthin und sagte: »Wie kommt es, daß Du so viel Fleisch hast und ich so viel Hunger?« Er sagte es mit stierem Auge.

      »So werdet Ihr wohl den Geldbeutel bei Euch haben,« gab die Wirthin zurück, die, aus Erfahrung klug geworden, vorher das Geld suchte, und dann erst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit.

      »Den Beutel?« versetzte der Fremde. »Auch Ihr, Trawieser Leut’, fragt nach solchen Dingen? Hab ich doch gehört, daß die Trawieser – sobald ihnen nur der gestrenge Pfarrherr nicht mehr im Wege stünde – es eintheilen wollten auf: Dein Gut, mein Gut!«

      »Das Zeug versteh’ ich nicht, macht, daß Ihr mir aus dem Weg kommt!« rief die Wirthin und hegte das Feuer und förderte den Braten.

      »Ihr werdet es schon verstehen,« sagte der Fremde mit einer Miene, die viel bedeuten sollte, »heute stoßt Ihr den Armen noch aus diesem Haus, morgen treibt Euch er hinaus!« Und er entfernte sich.

      Die Männer und Burschen in der Wirthsstube waren mittlerweile laut geworden. Es war ein Streit entbrannt, der gar keine andere Ursache hatte als die, daß sie streiten wollten.

      Sie schleuderten sich gegenseitig Spottnamen zu, in der Weise, wie boshafte Buben Ballen spielen, zuerst von Hand zu Hand, dann von Nase zu Nase.

      »O Du schlechter Lotter Du!« sagte der Eine und lachte.

      »Behalt Du den schlechten Lotter für Dich selber – ist gescheiter, sonst heißest Du ohnehin nichts.«

      »Oh, Du brauchst mir schon lang keinen Namen zu schenken, Du Schelm, schau, daß Deiner besser wird!«

      »Wer sagt mir was Schlechtes nach?! Himmel-Herrgotts-Sackerment, wer kann mir was beweisen?«

      »Alle sieben Hauptsünden beweise ich Dir, Du Lump! Mit welcher soll ich anfangen?!«

      »Deine Goschen halt’, schlechter Wicht! Du hast die Hauptsünden Dein Lebtag nicht aus dem Katechismus gelernt – bist zu dumm dazu.«

      »Für einen Spitzbuben just ein bissel zu dumm, da hast Recht.«

      Jetzt fuhr der Andere mit seinen Fäusten los. Ein Dritter wollte Frieden stiften – der erhielt die Prügel.

      »Wir brauchen keinen Richter!« riefen sie.

      »Laßt Zeit, wenn nur erst der Richter von Trawies kommt.«

      »Wir kennen keinen Richter von Trawies! Und wir brauchen keinen.« Ja, dess’ waren sie bald Alle einig, sie brauchen keinen Richter.

      »Unser Herr ist Gott im Himmel, und sonst Keiner!«

      Sie wußten es recht gut, daß Gott im Himmel nicht niedersteigt und den Schelm beim Schopf faßt.

      »Kann sein,« sagte einer der wenigen Sanftmüthigen, die noch im Ort waren, »er wartet, bis der Schelm zu ihm kommt. Denn einmal schleicht der Schelm an und winselt: Lieber Gott, ich bin auch dein Kind, ich hab’ sie auch mitgemacht, die harte Welt, jetzt mach’, daß ich im Himmel meinen Winkel krieg’. Da wird Gott der Herr seine Arme in die Seiten stemmen und wird sagen: So! – Und der Schelm wird weiter winseln: Schauderlich schlecht ist es mir ergangen auf Erd’. Sündhaft war ich freilich auch, aber ich bereue es und mach’ meinen ernstlichen Vorsatz, denn weißt, ich möcht’s nun besser haben. – So! wird der Herr wieder sagen, wie schlau Du bist! Ich aber sage Dir: Früher hast Du mich nicht gesehen, jetzt sehe ich Dich nicht. Geh’ weg, wir Zwei sind fertig!«

      »Und wir Zwei sind’s auch!« rief ein stämmiger Bursche und schob den Prediger zur Thür hinaus. –

      Zur selben Zeit ging vom Pfarrhofe der Wahnfred am Hause vorbei und über den Steg gegen den Hof des Feuerwart. In der Wirthsstube erhoben sich einige der älteren Männer und schritten ihm nach.

      Der Feuerwart stand vor dem Brunnen seines Hauses und hatte eine Axt in seiner Hand.

      »Was willst Du mit dem Beil?« fragte Wahnfred.

      »Hast es Du vonnöthen?« war das Gegenwort, »sonst mache ich damit den Brunnen frei, er ist vereist.«

      »Ich bin da, Gallo, daß ich Dich frage, ob denn kein Richter mehr ist in Trawies? Mir ist Unrecht geschehen. Du weißt, wie ich dem Herrn in seiner Krankheit bin beigestanden. Dafür heißt er mich jetzt Dieb und Einbrecher.«

      »Da ist Dir Recht geschehen!« lachte der Feuerwart.

      »Wie so?«

      »Schau her da. Wenn ich meinen Brunnen vom Eis ersticken lasse und ich verdursten muß, so geschieht mir auch Recht, warum bin ich so saumselig gewesen! So Eins gehört!« Er hob die Axt und mit einem wuchtigen Schlage zertrümmerte er die Säule von Eis, daß die Stücke klingend weithin flogen und der Brunnen frei und frisch in den Trog plätscherte.

      »Verstehen kann ich Dich wohl,« sagte Wahnfred, nahte dann dem alten Manne, die Hände auf der Brust: »Bei der himmlischen Seligkeit, ich kann es Dir nicht sagen, mein Gallo, Du glaubst es nicht, wie schwer das ist, einen Menschen umzubringen!«

      Jetzt nahten die Männer, die dem Schreiner vom Wirthshause her gefolgt waren.

      »Fleißiger, fleißiger, Wahnfred, Du stehst im hellen Werktag da und richtest nichts aus!«

      Dann stellten sie sich um ihn in einen Kreis und huben an.

      »Weißt Du es noch, Schreiner, wie lange es schon her ist, daß wir in