Название | Morde am Hinterkreuz |
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Автор произведения | Madina Fedosova |
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Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9785006700512 |
Für die Einwohner von Groben und auch für die Familie Gruber, die auf der abgelegenen Farm Hinterkaifeck lebte, war dies einfach ein Ort, ihre Welt, begrenzt vom Horizont, getrennt vom Rest der Welt durch Felder und Wälder. Eine Welt, in der die Zeit langsam und gemächlich verging, in der sich jahrhundertealte Traditionen mit harter bäuerlicher Arbeit verbanden, in der die Freuden einfach und die Sorgen alltäglich waren. Eine Welt, in der jeder jeden kannte, in der die Hilfe für den Nächsten nicht nur eine Pflicht, sondern eine Notwendigkeit war.
Doch unter dieser scheinbaren Idylle verbarg sich eine dunkle Seite. Isolation, Aberglaube, alte Kränkungen und ungelöste Konflikte – all dies hatte sich über Jahre hinweg angesammelt und einen Nährboden für das Böse geschaffen. Der Wald, der Groben und Hinterkaifeck umgab, trennte sie nicht nur vom Rest der Welt, er wurde zum Symbol für Geheimnisse und Ängste, ein Ort, an dem dunkle Geheimnisse lauerten, bereit, auszubrechen und die fragile Welt der Bewohner dieser Gegend zu zerstören. Und die Tragödie von Hinterkaifeck wurde zu einer schrecklichen Bestätigung dieser Befürchtungen.
Wenn Sie jetzt, im Jahr 2025, im Besitz des Wissens über die bevorstehende Tragödie, in das Groben des Frühlings 1922 reisen könnten, in jene Zeit, als sich über der Farm Hinterkaifeck dunkle Wolken zusammenbrauten, und es sich zum Ziel gesetzt hätten, zu diesem unheilvollen Anwesen zu gelangen, wäre Ihr Weg nicht einfach, aber durchaus zu bewältigen gewesen. Sie hätten Ihre Reise auf der Eibergstraße begonnen, der Hauptstraße von Groben, die durch das Zentrum des Dorfes führt.
Nachdem Sie das Dorf verlassen hatten, hätten Sie gespürt, wie der Asphalt, auf dem Sie es gewohnt waren zu gehen, endet und sich unter Ihren Füßen ein schmaler, staubiger Feldweg befindet, der sich zwischen Feldern und kleinen Wäldern hindurchschlängelt. Diese Straße wand sich wie eine Schlange in Richtung Horizont und lockte und ängstigte gleichzeitig mit ihrer Unbekanntheit. Sie hätten von der Eibergstraße auf diesen Feldweg abbiegen müssen, um das ruhige und gemütliche Groben hinter sich zu lassen und in die Welt der ländlichen Einöde einzutauchen.
Auf dem Weg über diese staubige Straße hätten Sie bemerkt, wie sich die Landschaft allmählich verändert. Die Felder wichen spärlichen Wäldern, die Luft erfüllte sich mit dem Duft von Erde und Wildkräutern. Und etwa einen halben Kilometer von der Straße entfernt, über der umliegenden Landschaft thronend, hätten Sie eine einsame “Windfichte” gesehen. Dies war eine ungewöhnliche Fichte mit einem krummen Stamm und Ästen, die wie vom Wind nach außen gekehrt waren. Sie diente den Einheimischen als Orientierungspunkt und wies den Weg nach Hinterkaifeck.
Vor Ihnen, wohin Sie auch blickten, erstreckte sich ein endloses Panorama der bayerischen Landschaft. Goldene Weizenfelder, die bereits zur Ernte bereit waren, wechselten sich mit smaragdgrünen Wiesen ab, auf denen Kühe grasten. Weit am Horizont waren dunkle Wälder zu sehen, wie uneinnehmbare Mauern, die diese stille und ruhige Welt umgaben. Aber Ihre Aufmerksamkeit war auf einen Orientierungspunkt gerichtet, der sich über dieses idyllische Bild erhob.
Ihr Weg führte zu einer einsamen “Windfichte”, die schon von weitem sichtbar war. Diese riesige, uralte Fichte schien schon seit unvordenklichen Zeiten hier zu wachsen, Generationen von Menschen überlebt und viele historische Ereignisse miterlebt zu haben. Sie unterschied sich von anderen Bäumen nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch ihr ungewöhnliches Aussehen. Ihr mächtiger Stamm war stark gekrümmt, wie in einem ewigen Kampf mit den starken Winden, die von den Bergen her wehten.
Nachdem Sie die letzten Häuser von Groben passiert hatten, die im Grün der Gärten und Obstgärten versunken waren, hätten Sie gespürt, wie sich die Straße, wie ein Lebewesen, zwischen den Feldern hindurchzuwinden beginnt und Sie immer weiter in das Innere der bayerischen Landschaft führt. Die Welt um Sie herum schien sich zu verengen, der Horizont rückte näher, und die Dunkelheit, selbst am Tag, begann sich zu verdichten, als ob sie etwas Unheilvolles vorhersagen würde.
Links von der Straße, soweit das Auge reichte, waren sorgfältig bearbeitete Ackerflächen zu sehen, die ordentlich mit Getreide bestellt waren. Die geraden Reihen von Ähren, die sich im Wind wiegten, erweckten den Eindruck von Frieden und Wohlstand.
Auf der rechten Seite erstreckte sich der Wald, düster und stumm, wie ein Lebewesen, das seiner Beute auflauert. Seine dichten Kronen, die das Sonnenlicht abschirmten, warfen lange, unheilvolle Schatten auf den Boden. Es schien, als ob sich in der Tiefe des Waldes unsichtbare Augen verstecken, die jeden Ihrer Schritte beobachten. Die Stille des Waldes war trügerisch, sie unterstrich nur seinen unheilvollen Charakter.
Ein Wind, durchdringend und kalt, wehte von den Feldern her, kroch unter die Kleidung und ließ Sie zittern. Er pfiff in den Ohren und übertönte alle anderen Geräusche, doch manchmal, durch dieses Pfeifen hindurch, drangen seltsame, beängstigende Geräusche aus dem Wald. Entweder das Heulen wilder Tiere, das Flüstern alter Bäume oder das Stöhnen verirriter Seelen. Diese Geräusche erfüllten Sie mit Unruhe und einer Vorahnung von Unglück und zwangen Sie, sich auf der Suche nach Gefahr umzusehen. Jeder Schritt, den Sie auf dieser Straße machten, brachte Sie näher an die Farm Hinterkaifeck, an den Ort, an dem Sie Schrecken und Verzweiflung erwarteten.
Genau dorthin, zu dieser Windfichte, dreihundertfünfzig Meter nach der Abzweigung von der Eibergstraße, sollten Sie Ihren Blick richten. Dort, im Schatten der Fichte, befand sich der Punkt, an dem die Welt endete und der Albtraum begann. Und wo sich die Farm Hinterkaifeck in todesstiller Stille verbarg und erwartete. Es war ein Ort, an dem die blutgetränkte Erde ihre schrecklichen Geheimnisse barg.
Der genaue Zeitpunkt des Baus der Farm Hinterkaifeck ist leider in keinen Dokumenten festgehalten, die Forschern zugänglich sind. Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen und viele Archive sind verloren gegangen oder zerstört worden. Doch nach den erhaltenen fragmentarischen Informationen, Fotografien und Beschreibungen von Augenzeugen sowie dem Baustil des Gebäudes zu urteilen, kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Farm wahrscheinlich im späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert, in der Zeit der aktiven Entwicklung der Landwirtschaft in Bayern, errichtet wurde.
Das Gebäude war ein für Bayern zu jener Zeit typisches Bauernhaus: ein zweistöckiges Gebäude aus massivem Stein und Holz, Materialien, die in dieser Gegend verfügbar waren. Der Stein sorgte für die Festigkeit und Haltbarkeit der Konstruktion, während das Holz für den Bau von Decken, Wänden und Dach verwendet wurde.
Hinterkaifeck war so angelegt, dass seine Bewohner leben und arbeiten konnten, ohne das Gelände des Komplexes verlassen zu müssen. Das Wohnhaus, die Wirtschaftsgebäude und sogar der Stall waren zu einem Ganzen verbunden und bildeten ein komplexes System aus Übergängen und Korridoren. Dies schuf ein Gefühl von Abgeschiedenheit und Schutz, machte die Farm aber gleichzeitig verwundbar. Gerade aufgrund dieser Abgeschlossenheit und der Möglichkeit, sich zwischen den Gebäuden zu bewegen, ohne ins Freie zu gehen, konnte der Täter sein Vorhaben ausführen, ohne lange Zeit unbemerkt zu bleiben.
Das Dach der Farm war mit roten Ziegeln gedeckt, die im traditionellen bayerischen Stil verlegt waren. Die Ziegel schützten das Haus vor dem Wetter und hielten es im Winter warm und im Sommer kühl. Das Dach hatte ein steiles Gefälle, wodurch der Schnee leicht abrutschen konnte, ohne die Konstruktion zusätzlich zu belasten.
Unmittelbar an das Haus angrenzend befanden sich die für die Landwirtschaft und die Sicherstellung des Lebens der Bauernfamilie notwendigen Wirtschaftsgebäude: ein geräumiger Schuppen zur Lagerung von Heu und Getreide, ein Stall zur Unterbringung von Pferden und anderen Haustieren, eine Scheune zur Lagerung landwirtschaftlicher Geräte und andere Nebengebäude, wie z. B. ein Holzschuppen, ein Hühnerstall und ein Schweinestall.
All diese Gebäude bildeten einen einzigen Komplex, der eng mit dem Leben der Bauernfamilie verbunden war und sie mit allem versorgte, was sie zum Überleben und Gedeihen benötigten.