Название | Morde am Hinterkreuz |
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Автор произведения | Madina Fedosova |
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Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9785006700512 |
Auch in Berlin ist eine Zunahme der sozialen Spannungen zu beobachten. Es kommt vermehrt zu Raubüberfällen und Plünderungen. Die Polizei hat die Streifentätigkeit verstärkt, kann die Situation aber nicht vollständig kontrollieren.
Die Lage im Land ist weiterhin äußerst schwierig und erfordert sofortige und entschlossene Maßnahmen. Das “Berliner Tageblatt” ruft alle politischen Kräfte auf, sich zusammenzuschließen, um die Krise zu bewältigen.
Rheinische Zeitung – Abendausgabe, 19. Oktober 1922
Hunger im Ruhrgebiet: Menschen sterben auf den Straßen!
Essen, 19. Oktober. (Eigener Bericht.) – Die Situation im Ruhrgebiet hat ein katastrophales Ausmaß erreicht. Der Hunger wütet und fordert das Leben von Dutzenden, wenn nicht gar Hunderten von Menschen. Die Sterblichkeit ist rapide angestiegen, insbesondere bei Kindern und älteren Menschen.
Aus Städten und Dörfern des Ruhrgebiets trafen erschütternde Berichte ein. Menschen starben auf den Straßen, in ihren Häusern, in den Schlangen für kärgliche Rationen. Die Leichen blieben stundenlang am Ort des Todes liegen, da den Behörden die Kräfte und Mittel für ihre rechtzeitige Beseitigung fehlten.
“Wir erleben einen wahren Genozid”, erklärte im privaten Gespräch ein Arzt aus Essen, der aufgrund der Angst vor Repressalien anonym bleiben wollte. “Die Menschen sterben an Erschöpfung, an Krankheiten, die durch Unterernährung verursacht werden. Kinder haben nichts zu essen. Mütter können ihre Säuglinge nicht ernähren. Das ist die Hölle auf Erden.”
Die lokalen Behörden wandten sich hilfesuchend an die Regierung, doch ihre Bitten blieben unbeantwortet. Die Regierung schien mit wichtigeren Dingen beschäftigt zu sein, als das Leben ihrer eigenen Bürger zu retten. Die Lebensmittelvorräte waren erschöpft. Die Preise für Brot und andere Lebensmittel waren in astronomische Höhen gestiegen. Der Schmuggel blühte.
Unterdessen verstärkten die französischen Besatzungstruppen ihre Kontrolle über die Region, was die Situation weiter verschlimmerte. Die Besatzer behinderten die Lieferung von Lebensmitteln und Kohle und verurteilten die Bevölkerung damit zu Leid und Tod.
Die “Hartmannische Zeitung” rief alle Bürger mit Gewissen zum sofortigen Handeln auf. Es sei notwendig, Spenden und Lebensmittel für die Hungernden zu sammeln. Es sei notwendig, Druck auf die Regierung und die Besatzungsbehörden auszuüben, damit diese Maßnahmen zur Rettung der Menschen ergreifen. Die Zeit drängte. Jede Minute Zögern kostete Menschenleben.
“Ich sah, wie eine Frau direkt auf dem Marktplatz zusammenbrach”, erzählte Hans Hartmann, ein Einwohner von Bochum. “Sie hielt einen leeren Korb in den Händen, aus dem ein paar faule Äpfel fielen. Die Leute gingen einfach vorbei. Niemand hielt an, um zu helfen. Alle waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt.”
“Mein Kind ist gestern gestorben”, sagte Frau Schmidt aus Dortmund mit Tränen in den Augen. “Es hatte schon seit Tagen nichts mehr gegessen. Es hatte nicht einmal mehr die Kraft zu schreien. Es lag einfach da und starrte an die Decke. Ich weiß nicht, wie ich weiterleben soll.”
Die lokalen Behörden wandten sich hilfesuchend an die Regierung, doch ihre Bitten blieben unbeantwortet. Die Lebensmittelvorräte waren erschöpft. Die Preise für Brot und andere Lebensmittel waren in astronomische Höhen gestiegen. Der Schmuggel blühte.
Profiteure, von unstillbarer Habgier getrieben, verkauften zynisch die lebensnotwendigen Güter – Kohle zum Heizen, Medikamente für kranke Kinder, ein Stück Butter für erschöpfte Mütter – zu astronomischen Preisen, die für einfache Leute unerschwinglich waren.
Die Kriminalität, wie ein giftiges Unkraut auf einem verlassenen Feld, wucherte mit beängstigender Geschwindigkeit und vergiftete das ohnehin unerträgliche Leben. Taschendiebstähle, Raubüberfälle, Morde wurden zur Alltäglichkeit, und die korrupte und demoralisierte Polizei war völlig machtlos, diesen hemmungslosen Ausbruch der Gesetzlosigkeit aufzuhalten, und beobachtete nur hilflos, wie das Land in den Abgrund des Chaos versank.
Eines Abends, als sich die Dämmerung über Berlin senkte, kehrte ein alter Uhrmacher namens Herr Klaus nach einem langen Arbeitstag nach Hause zurück. In den Händen trug er einen kleinen Beutel mit den Tageseinnahmen – ein paar Mark, die kaum für ein Stück Brot und ein paar Kartoffeln für seine Familie reichten. Er ging schnellen Schrittes, bemüht, keine Aufmerksamkeit zu erregen, doch seine abgetretenen Stiefel und sein geflickter Mantel verrieten ihn.
Plötzlich sprangen zwei junge Männer aus einer dunklen Gasse. Ihre Gesichter waren mit schmutzigen Lappen verhüllt, und in den Händen hielten sie Stichwaffen, die aus Glasscherben gefertigt waren.
“Halt!”, rief einer von ihnen grob und versperrte Herrn Klaus den Weg. “Geld oder Leben!”
Der alte Uhrmacher, am ganzen Körper zitternd, versuchte zu fliehen, doch der zweite Räuber packte ihn am Arm und warf ihn zu Boden.
“Leisten Sie keinen Widerstand, Alter!”, zischte der erste Räuber und hielt Herrn Klaus die Stichwaffe an die Kehle. “Geben Sie uns alles, was Sie haben!”
“Bitte…”, krächzte Herr Klaus, vor Angst keuchend. “Ich habe fast nichts… Nur für Essen…”
“Lügen Sie nicht!”, brüllte der Räuber und schüttelte den alten Mann an den Schultern. “Wir wissen, dass Sie Geld haben!”
Herr Klaus, erkennend, dass Widerstand zwecklos war, gab mit zitternden Händen den Beutel mit dem Geld heraus. Die Räuber rissen ihn ihm aus der Hand und verschwanden schnell in der Dunkelheit der Gasse.
Der alte Uhrmacher blieb auf dem Boden liegen und weinte vor Kränkung und Ohnmacht. Er wusste, dass seine Familie nun hungern würde. Aber er lebte, und das war die Hauptsache.
Sich aufrappelnd, schleppte er sich langsam nach Hause, die Krieg, die Armut und diejenigen verfluchend, die ihm die letzten Hoffnungen geraubt hatten.
Auf dem belebten Bahnhof, wo normalerweise Chaos und Hektik herrschten, lag nun eine besonders bedrückende Atmosphäre.
Der Geruch von Kohle, Maschinenöl und menschlichem Schweiß vermischte sich mit dem stechenden Geruch von Desinfektionsmittel, der an die jüngsten Epidemien erinnerte.
Die riesige Halle, die einst vor Sauberkeit und Lichtern funkelte, war jetzt schwach beleuchtet und mit einer Schicht aus Staub und Schmutz bedeckt.
Auf den abgenutzten Bänken saßen erschöpfte Menschen mit erloschenen Blicken, die auf ihre Züge warteten, wie auf eine Rettung.
In einer Ecke der Halle weinte eine Frau und drückte ein hungriges Kind an sich.
Zwei Männer, in alte, abgetragene Mäntel gehüllt, standen abseits und unterhielten sich leise, auf ihren Zug wartend. Ihre Gesichter verbargen sich im Schatten, und ihre Stimmen waren gedämpft, als hätten sie Angst, belauscht zu werden.
Um sie herum waberte Dampf von rauchenden Lokomotiven, der ein Gefühl der Unwirklichkeit erzeugte.
“Haben Sie die Nachrichten aus München gehört?”, fragte der eine, seinen zerknitterten Hut zurechtrückend und nervös in die Menge blickend, als fürchte er, belauscht zu werden. “Es soll dort wieder Unruhen geben. Schießereien, Barrikaden…”
“Ja”, antwortete der andere, nervös an seinen Händen reibend und mit den Fingern auf seinen abgetragenen Koffer trommelnd. “Das alles verheißt nichts Gutes. Man sagt, es seien die Kommunisten. Wenn man sie gewähren lässt, werden sie das ganze Land in Brand setzen. Bald werden sie auch uns erreichen.”
Er verstummte für einen Augenblick, dann senkte er die Stimme: “Hauptsache, man hält sich aus der Politik heraus”, riet der erste, und seine Lippen verzogen sich zu einer Art Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. “Und aus dem… Hexenwald. Man sagt, es spuke dort. Die Einheimischen tuscheln von seltsamen Lichtern in der