Название | Handbuch des Strafrechts |
---|---|
Автор произведения | Jörg Eisele |
Жанр | |
Серия | |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811449664 |
2. Ausstellen der Beratungsbescheinigung (Abs. 2)
49
In § 219 Abs. 2 StGB werden die Formalien betreffend die Ausstellung der Beratungsbescheinigung festgehalten. Bezüglich der Einzelheiten ist wiederum auf das SchKG zu verweisen. Das Beratungsgespräch hat bei einer staatlich anerkannten Beratungsstelle zu erfolgen, als solche gelten sowohl staatliche bzw. kommunale Behörden, als auch freie Träger wie z.B. Kirchen, Verbände usw. oder auch Ärzte.[306] Im Rahmen des Doppelrollenverbots gemäss § 219 Abs. 2 S. 3 und § 218c Abs. 1 Nr. 4 StGB bleibt jedoch zu beachten, dass keine Personenidentität zwischen abbrechendem und beratendem Arzt vorliegen darf. Die Konfliktberatung hat vor Ablauf der in § 218a Abs. 1 StGB normierten zwölfwöchigen Frist zu erfolgen, wobei auch die dreitägige Karenzfrist zwischen dem Beratungsgespräch und der Vornahme des Schwangerschaftsabbruchs eingehalten werden muss.[307] Nach erfolgtem Beratungsgespräch ist deren Durchführung in Form einer Bescheinigung festzuhalten, welche die ordnungsgemässe Vornahme des Gesprächs bestätigt (§ 7 SchKG).[308]
3. Strafbarkeit bei Verstoß gegen § 219 StGB
50
Obwohl § 219 StGB selbst keine Strafbestimmungen enthält, ergibt sich die jeweilige Strafbarkeit der Schwangeren, des abbrechenden Arztes sowie der beratenden Person aus den vorangehenden Strafbestimmungen der §§ 218 ff. StGB.[309] Widersetzt sich eine Schwangere den Vorschriften nach § 219 StGB, so macht sie sich nach § 218 StGB strafbar, wenn sie auf eine Beratung durch eine staatlich anerkannte Stelle oder aber auf die Einhaltung der Karenzfrist verzichtet hat.[310] Ein abbrechender Arzt macht sich nach § 218 StGB strafbar, wenn er trotz Kenntnis über Mängel des Beratungsgesprächs eine Schwangerschaft abbricht.[311] War der abbrechende Arzt zugleich auch Berater im Sinne von § 219 Abs. 2 StGB, so hat er sich bei einem Schwangerschaftsabbruch im Rahmen der Fristenlösung (§ 218a Abs. 1 StGB) nach § 218c Abs. 1 Nr. 4 StGB zu verantworten, bei einem Schwangerschaftsabbruch im Sinne von § 218a Abs. 4 StGB fällt eine Bestrafung nach § 218 StGB in Betracht.[312] Die beratende Person verstößt gegen § 218 StGB, sofern ein unterbliebenes Beratungsgespräch bescheinigt oder aber eine stattgefundene Beratung wissentlich unrichtig datiert bzw. ohne staatliche Anerkennung durchgeführt wird.[313]
VIII. Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft (§ 219a StGB)
51
Die Strafnorm in § 219a Abs. 1 StGB zielt darauf ab, eine „bedenkenlose Propagierung und Kommerzialisierung“ von legalen und illegalen Schwangerschaftsabbrüchen zu verhindern.[314] Der Straftatbestand von § 219a StGB greift demzufolge im Vorbereitungsstadium von Schwangerschaftsabbrüchen.[315] Zu diesem Zweck bzw. zum Schutz des ungeborenen Lebens werden verschiedene abstrakte Gefährdungstatbestände gesetzgeberisch festgehalten.[316] Vorweg bleibt anzumerken, dass die kriminalpolitische Bedeutung dieser Strafnorm als äußerst gering eingeschätzt wird.[317]
52
Als Tathandlung werden nach § 219a Abs. 1 StGB sowohl Dienste als auch Mittel, Gegenstände bzw. Verfahren, die zwecks Erzielung eines Vermögensvorteils oder in grob anstößiger Weise öffentlich angeboten, angekündigt, angepriesen oder bekanntgegeben werden, erfasst.[318] Demnach wird vorausgesetzt, dass die Werbehandlung öffentlich bzw. im Rahmen einer Versammlung oder durch das Verbreiten von Schriften erfolgt.[319] Als öffentlich ist jedes Handeln zu erachten, welches „von einem größeren, individuell nicht feststehenden oder jedenfalls durch persönliche Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden kann“, wie z.B. durch Zeitungsinserate oder Internetwerbung.[320] Das öffentliche Werbeverhalten erfordert, dass den Adressaten die Möglichkeit zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs zugänglich dargestellt wird.[321] Darüber hinaus muss gegenüber den Adressaten auf die Eignung der Mittel zum Schwangerschaftsabbruch hingewiesen werden, wobei dies auch in versteckter Form erfolgen kann.[322] Die angebotenen Mittel müssen jedoch in objektiver Hinsicht geeignet sein, einen Schwangerschaftsabbruch herbeizuführen, d.h. betrügerische Angebote fallen nicht unter den Straftatbestand von § 219a Abs. 1 StGB.[323] Im Zusammenhang mit § 219a Abs. 1 StGB gilt jede Handlung als grob anstößig, die in anreißerischer oder den Schwangerschaftsabbruch verherrlichender Weise geschieht, insbesondere das Werben für strafbare Schwangerschaftsabbrüche erfüllt die Voraussetzung der groben Anstößigkeit.[324] Widerhandlungen gegen § 219a Abs. 1 StGB werden mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
53
In subjektiver Hinsicht erfordert die Strafnorm in § 219a Abs. 1 StGB Vorsatz, dolus eventualis reicht allerdings aus.[325] Hinsichtlich der Erzielung eines Vermögensvorteils muss der Täter mit Absicht (dolus directus 1. Grades) handeln, wobei die Anforderungen an die Bereicherungsabsicht beim Betrug (§ 263 StGB) maßgebend sind.[326]
1. Strafbare Handlungen (Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2)
54
Als Dienste im Sinne von § 219a Abs. 1 Nr. 1 StGB werden sowohl eigene als auch fremde Dienste erfasst, die der Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs dienen.[327] Dabei ist unerheblich, ob die Dienste im Rahmen eines legalen oder illegalen Schwangerschaftsabbruchs angeboten werden.[328] Unter die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs wird nebst der eigenhändigen Durchführung auch irgendeine anderweitige Mitwirkung subsumiert.[329] Als Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs gilt dagegen jedes positive Hinwirken auf dessen Zustandekommen.[330] Strafrechtlich erfasst werden allerdings nur abortiv wirkende Dienste, dagegen sind nidationshemmende, wie z.B. die Abgabe der Anti-Baby-Pille, zulässig.[331]
55
Chemische oder mechanisch wirkendende Instrumente oder anderweitige Methoden zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs werden als geeignete Mittel, Gegenstände oder Verfahren im Sinne von § 219a Abs. 1 Nr. 2 StGB verstanden.[332] Es genügt, dass die Mittel zum Abbruch einer Schwangerschaft geeignet sind, nicht erforderlich ist dagegen, dass sich deren Zweckbestimmung auf Schwangerschaftsabbrüche bezieht.[333] Allerdings werden nidationshemmende Mittel (Empfängnisverhütungsmittel) nicht von § 219a Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst.[334]
2. Ausschluss der Strafbarkeit (Abs. 2 und 3)
56
§ 219a Abs. 2 und 3 StGB stellen Ausnahmen vom Straftatbestand nach § 219a Abs. 1 StGB dar.[335] Es handelt sich dabei nicht um Rechtfertigungsgründe, sondern um tatbestandliche Ausschlüsse.[336] Gemäss § 219a Abs. 2 StGB wird eine abstrakte Gefahr im Sinne von § 219a Abs. 1 StGB nicht angenommen, wenn die Tathandlung gegenüber einem Personenkreis erfolgt, der sich berufsmäßig mit straflosen Schwangerschaftsabbrüchen im Sinne von § 218a Abs. 1–3 StGB auseinanderzusetzen hat, so namentlich gegenüber Ärzten, Kliniken oder Beratungsstellen.[337] Konkret bedeutet dies, dass das Anbieten etc. von Diensten im Sinne von § 219a Abs. 1 Nr. 1 StGB gegenüber Ärzten oder Beratungsstellen nach § 219a Abs. 2 StGB straflos bleibt. Nicht erfasst von diesem Tatbestandsausschluss wird jedoch das Werben für solche Dienste auf der praxiseigenen Internethomepage durch einen Arzt.[338]
57