Название | Besonderes Verwaltungsrecht |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | |
Серия | C.F. Müller Lehr- und Handbuch |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811472297 |
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§ 35 Abs. 3 S. 2 BauGB enthält eine Raumordnungsklausel. Diese hat zum einen eine ausschließende (§ 35 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB)[821] und zum anderen eine positive, die Zulässigkeit von Vorhaben bekräftigende Wirkung (§ 35 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB). Zunächst sieht die Regelung vor, dass raumbedeutsame Vorhaben den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen dürfen. Sie trifft damit eine Regelung im Sinne des § 4 Abs. 2 ROG. Für die Beurteilung der Raumbedeutsamkeit kommt die Definition des § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG zum Tragen. Es kommt also darauf an, ob „Raum in Anspruch genommen oder die räumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebietes beeinflusst wird“[822]. Weiterhin kommen nur solche Ziele der Raumordnung zum Tragen, die räumlich hinreichend konkretisiert sind[823]. Soweit diese Voraussetzungen vorliegen, geht die Wirkung der Ziele der Raumordnung gemäß § 35 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB jedenfalls dem Wortlaut der Regelung nach über die Wirkung der öffentlichen Belange des § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB hinaus. § 35 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 BauGB schließt seinem Wortlaut nach Zielen der Raumordnung widersprechende Vorhaben vollständig aus.[824] Demgegenüber sind beispielsweise widersprechende Darstellungen in Flächennutzungsplänen (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BauGB) noch einer nachvollziehenden Abwägung im Rahmen der Prüfung des Entgegenstehens im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB zugänglich. § 35 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB entfaltet eine vorhabenunterstützende Wirkung. Danach ist anzunehmen, dass öffentliche Belange einem raumbedeutsamen Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2–6 BauGB nicht entgegenstehen, wenn diese als Ziele der Raumordnung festgelegt und dabei die öffentlichen Belange mit abgewogen wurden.
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Ganz erhebliche Bedeutung kommt § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB zu, der die Regelvermutung aufstellt, dass öffentliche Belange einem Vorhaben dann entgegenstehen, wenn durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder durch ein Ziel der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Die Regelung bereichert das planerische Instrumentarium insbesondere der Kommunen. Diese können durch die Darstellung entsprechender Konzentrationszonen in ihrem Flächennutzungsplan die Entwicklung des Außenbereichs zielgenau steuern, ohne die Unsicherheiten der Abwägung mit dem Belang des § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB oder den Aufwand der Aufstellung von Bebauungsplänen in Kauf nehmen zu müssen. Das Instrument des Flächennutzungsplans wird damit im Außenbereich erheblich aufgewertet. Dies wird unterstützt durch die Möglichkeit gemäß § 5 Abs. 2b BauGB – auch räumlich begrenzte – sachliche Teilflächennutzungspläne aufzustellen, was die Schaffung von Konzentrationszonen erleichtert[825]. § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB ist jedoch kein absolutes Zulassungshindernis. Da der Flächennutzungsplan notwendigerweise noch einen gewissen Abstraktionsgrad aufweist, lassen sich nicht alle Belange, die für oder gegen die Zulassung eines Vorhabens sprechen, abschließend erfassen und abwägen. Das gilt insbesondere für die negative Wirkung der Darstellungen außerhalb der Konzentrationszonen[826]. Die Rechtsprechung verlangt demgemäß auch hier eine nachvollziehende Abwägung – vergleichbar der in § 35 Abs. 1 BauGB – allerdings mit umgekehrten Vorzeichen dergestalt, dass der planerischen Entscheidung, der Konzentration der Vorhaben an anderer Stelle, besonderes Gewicht beizumessen ist. Eine Abweichung von der Regelvermutung kann in atypischen Fällen, die etwa aufgrund abweichender Größe oder Funktion der Anlage oder aus Bestandsschutzgesichtspunkten eine Sonderrolle einnehmen, in Betracht kommen[827].
I. Vollzug
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Der Vollzug der bauplanungsrechtlichen Anforderungen erfolgt vor allem mit dem Instrumentarium des Bauordnungsrechts. Im Mittelpunkt steht dabei die Baugenehmigung beziehungsweise Zulassungen, die an ihre Stelle treten können, wie insbesondere die immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Die Verknüpfung erfolgt über das Tatbestandsmerkmal des Nichtentgegenstehens öffentlich-rechtlicher Vorschriften (→ Kaiser, § 41 Rn. 35 f.), das Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung ist und damit das „Einfallstor“ insbesondere für die planungsrechtlichen Anforderungen an ein Vorhaben bildet. Auch andere Vollzugsinstrumente des Bauordnungsrechts können zur Anwendung kommen. Zu nennen sind vor allem repressive Instrumente der Überwachung und des nachträglichen Eingreifens. Jedoch muss die präventive Kontrolle im Rahmen der Erteilung der Baugenehmigung nicht nur als das effektivste Instrument des Vollzugs angesehen werden. Es entspricht auch dem auf dynamische bauliche Situationen – Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung – konzentrierten Geltungsanspruch des Bauplanungsrechts, der auch nach der Entkoppelung des Vorhabenbegriffs des § 29 BauGB vom Erfordernis der bauordnungsrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit zumeist mit der Notwendigkeit der Erteilung einer Baugenehmigung zusammenfällt.
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Die Abhängigkeit des Bauplanungsrechts von dem bauordnungsrechtlichen Vollzugsinstrumentarium kann als eine inhärente Schwäche betrachtet werden. Soweit es um die Umsetzung der Bauleitpläne geht, sind Planung und Vollzug der Planung in den meisten Fällen verwaltungsorganisatorisch getrennt. Allerdings wird diese Problematik durch § 36 BauGB abgeschwächt. Dieser sieht vor, dass bei Vorhaben nach §§ 31 sowie 33 bis 35 BauGB über die Zulässigkeit des Vorhabens im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden wird. Dieses Beteiligungsrecht dient der Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit[828]. Zum einen soll die Gemeinde als sachkundige Behörde in die Entscheidung mit eingebunden werden[829]. Zum anderen gibt es der Gemeinde die Gelegenheit, auf einen Bauantrag mit der Aufstellung eines Bebauungsplans unter Einsatz des Instrumentariums der §§ 14 und 15 BauGB zu reagieren[830]. Dieser Schutz soll nach der Rechtsprechung entfallen, wenn die Gemeinde zugleich Baugenehmigungsbehörde ist. In diesen Fällen kommt das Beteiligungsrecht des § 36 BauGB nicht zum Tragen[831]. Genehmigungen für Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans erfordern kein Einvernehmen der Gemeinden, da hier die Planungshoheit durch die abschließenden Festsetzungen des Bebauungsplans gewahrt ist. Gleichwohl ist es denkbar, dass ein plangemäßes Vorhaben den städtebaulichen Vorstellungen einer Gemeinde zuwiderläuft. Auch hier soll den Gemeinden die Möglichkeit zur planerischen