Название | Besonderes Verwaltungsrecht |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | |
Серия | C.F. Müller Lehr- und Handbuch |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811472297 |
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Ihr Einvernehmen können die Gemeinden gemäß § 36 Abs. 2 S. 1 BauGB nur aus den Gründen verweigern, die in dem jeweiligen Zulassungstatbestand angelegt sind. Damit entsteht die Situation einer Doppelprüfung und es stellt sich die Frage, ob die Gemeinde gegebenenfalls ein Ermessen ausüben kann. Soweit es sich um gebundene Entscheidungen handelt, wie für die Genehmigungen nach §§ 34 Abs. 1 sowie § 35 Abs. 1 und 2 BauGB durchgängig angenommen wird, wirft dies keine Probleme auf. Im Hinblick auf die Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 BauGB jedoch ist der Gemeinde ein Ermessensspielraum zuzugestehen. Hier muss im Rahmen der Ermessensausübung die städtebauliche Konzeption gewahrt oder gegebenenfalls weiter entwickelt werden. Diese Aufgabe steht primär der Gemeinde zu[832]. Trotz Erteilung des Einvernehmens kann die Bauaufsichtsbehörde die Genehmigung versagen. Umgekehrt ist die Versagung des Einvernehmens für die Genehmigungsbehörde bindend. Wird das Einvernehmen nicht innerhalb von zwei Monaten versagt, greift die Einvernehmensfiktion des § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB[833]. Wird die Gemeinde entgegen § 36 Abs. 1 BauGB nicht beteiligt, führt dies, selbst wenn keine Verletzung des materiellen Bauplanungsrechts vorliegt, zur Aufhebung der Genehmigung[834].
1. Rechtsschutz gegen Verfügungen der Bauaufsicht
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Ein Weg, Rechtsschutz gegen Entscheidungen zu suchen, die im Rahmen des Vollzugs des Bauplanungsrechts erfolgen, sind Klagen gegen Verwaltungsakte der Bauaufsicht. Im Mittelpunkt steht hier wiederum die Baugenehmigung.
a) Rechtsschutz des Bauherrn
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In Betracht kommt hier einerseits die Verpflichtungsklage des antragstellenden Bauherrn, dem die Baugenehmigung versagt wurde. Soweit die Versagung mit der fehlenden bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens begründet wird, kommt es hier zu einer Überprüfung der bauplanungsrechtlichen Situation durch das Gericht. Das bedeutet auch, dass gegebenenfalls auch die Wirksamkeit eines Bebauungsplans inzident überprüft wird[835]. Richtet sich das Begehr auf die Aufhebung der Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 BauGB, ist die richtige Klageart die Anfechtungsklage[836].
b) Nachbarklagen
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Ein Nachbar kann Rechtsschutz gegen die Erteilung einer Baugenehmigung im Wege der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO suchen. Zur Begründung der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO bedarf es wie allgemein der Geltendmachung einer möglichen Rechtsverletzung. Die Zulässigkeit der Klage hängt also davon ab, ob die bauplanungsrechtliche Regelung, auf die die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts zurückgeführt wird, Drittschutz vermittelt, was sich nach der herrschenden Schutznormtheorie richtet[837]. Im Einzelnen ist zu differenzieren: Was den beplanten Innenbereich betrifft, so wird zwar § 30 BauGB selbst die nachbarschützende Wirkung abgesprochen[838], Festsetzungen eines Bebauungsplans jedoch sind nachbarschützend, wenn sich dies aus dem Willen der Gemeinde ableiten lässt[839]. Dies wird allgemein angenommen für die Festsetzung von Baugebieten, also die Regelung der Art der baulichen Nutzung[840]. Bei Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung kommt es hingegen auf den Willen der Gemeinde an[841]. Bei Festsetzungen über die Bauweise wird differenziert[842]. Auch anderen Festsetzungen aus dem Katalog des § 9 Abs. 1 BauGB wird gegebenenfalls nachbarschützende Wirkung zuerkannt. Das gilt etwa für die Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 23 und 24 BauGB[843]. Weiterhin wird der Regelung des § 15 Abs. 1 BauNVO als Ausdruck des Rücksichtnahmegebots nachbarschützende Wirkung beigemessen[844]. Bei der Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB besteht Nachbarschutz im Wesentlichen nur, wenn von einer drittschützenden Festsetzung abgewichen wird[845]. Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von nachbarschützenden Festsetzungen haben stets drittschützende Wirkung. Bei Befreiungen von nicht nachbarschützenden Festsetzungen besteht Drittschutz nur hinsichtlich der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ [846]. Besonders hervorzuheben ist die drittschützende Wirkung des Abwägungsgebots in Form eines Rechts auf gerechte Abwägung. Dem Betroffenen kommt ein subjektives Recht zu, dass sein Belang in der Abwägung angemessen abgearbeitet wird[847]. Vermittels des Abwägungsgebots lässt sich eine Klage damit auch auf Beeinträchtigung von bloßen Interessen und Belangen stützen, die für sich betrachtet nicht im Rang eines subjektiven Rechts stehen und dementsprechend keine Klagebefugnis begründen könnten.
Im nicht beplanten Innenbereich wird dem Erfordernis des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB nachbarschützende Wirkung zuerkannt, soweit darin das Gebot der Rücksichtnahme verkörpert ist[848]. Auch der Regelung des § 34 Abs. 2 BauGB wird nachbarschützende Wirkung zugemessen[849]. § 35 BauGB kommt im Regelfall keine nachbarschützende Wirkung zu, da seine Hauptstoßrichtung dem allgemeinen Interesse der Freihaltung des Außenbereichs von Bebauung dient. Trotzdem ist Drittschutz nicht ausgeschlossen. Zur Begründung wird in der Regel auf das Gebot der Rücksichtnahme abgehoben, das insbesondere in dem öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB einen Ausdruck findet[850]. Diese Wirkung entfaltet das Rücksichtnahmegebot vor allem zugunsten privilegierter Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB, wobei aber auch eine drittschützende Wirkung zugunsten sonstiger Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB nicht von vornherein ausgeschlossen ist[851]. Unmittelbar aus Art. 14 Abs. 1 GG lassen sich keine Abwehransprüche ableiten. Die Vorschriften des Bauplanungsrechts stellen insofern eine umfassende Regelung dar, neben der ein Rückgriff auf verfassungsunmittelbare Ansprüche von vornherein ausscheidet[852]. Ebenso wenig kommt ein unmittelbarer Rückgriff auf das Gebot der Rücksichtnahme in Betracht, da ein solches nur nach Maßgabe des einfachen Rechts, nicht aber als ein das Bauplanungsrecht allgemein umfassendes Prinzip besteht[853].
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Auch Nachbargemeinden können sich im Wege der Anfechtungsklage gegen die Erteilung einer Baugenehmigung wenden. Als verletzte Rechtspositionen kommen vor allem die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG und das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB in Betracht. Eine solche Klage ist etwa gegen eine auf § 35 BauGB gestützte Baugenehmigung denkbar, wenn die Nachbargemeinde rügt, durch das Unterlassen einer Planung sei sie in den genannten Rechten verletzt[854].
2. Rechtsschutz gegen Bauleitpläne
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Besonderheiten weist der Rechtsschutz gegen Bebauungspläne und andere Satzungen nach dem BauGB auf. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist die Normenkontrolle gegen Bebauungspläne eröffnet[855]. Die Antragsbefugnis erfordert gemäß § 47 Abs. 2 VwGO ebenso wie die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO die Geltendmachung einer Rechtsverletzung, wobei es allerdings ausreicht, wenn die Rechtsverletzung in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Gemäß der Rechtsprechung dürfen dabei die Anforderungen nicht „überspannt“ werden. Es sei erforderlich, aber auch ausreichend, „dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird“. Dies gilt auch dann, wenn sich der Antragsteller im Rahmen des Rechts auf gerechte Abwägung auf die Verletzung eines einfachen Abwägungsbelangs beruft[856]. Die Anerkennung der drittschützenden Wirkung des Abwägungsgebots bedeutet demnach eine mittelbare Absenkung der Schwelle zum Rechtsschutz gegenüber dem Standard des § 42 Abs. 2 VwGO. Damit nähert sich die Rechtslage de facto wieder der Situation unter der Geltung der alten Fassung des § 47 Abs. 2 VwGO. Hiernach war keine Rechtsverletzung, sondern lediglich einen Nachteil zur Begründung der Antragsbefugnis erforderlich[857]. Eine Besonderheit bietet § 47 Abs. 2 VwGO insofern, als neben potentiellen Rechtsträgern auch Behörden die Antragsbefugnis gegeben wird. In diesen Fällen ist ein Rechtsschutzinteresse zu verlangen, welches jedenfalls dann gegeben ist, wenn sich der Bebauungsplan