Die Magie von Pax. Sarah Nicola Heidner

Читать онлайн.
Название Die Magie von Pax
Автор произведения Sarah Nicola Heidner
Жанр
Серия
Издательство
Год выпуска 0
isbn 9783957448361



Скачать книгу

ihr rechtes Auge und stöhnte laut auf. Sofort beugte ich mich über sie. »Bea! Wie geht es dir?«

      »Kopfschmerzen«, sie stöhnte und schloss ihr Auge wieder. »Sofia, was ist passiert?«

      »Wir wissen es nicht genau. Eine Schwarzkutte, ein Mädchen in unserem Alter namens Mary, hat mich zu dir gebracht. Du lagst im Wald«, ich schluckte. »Verletzt.«

      »So weit war ich auch schon!«, murmelte Bea und ich lächelte erleichtert. Es schien ihr wirklich besser zu gehen. »Aber ehrlich gesagt weiß ich sonst nichts von dem Angriff. Irgendetwas war mit Pilzen … dann kamen plötzlichen Gestalten auf mich zu – und danach bin ich hier aufgewacht. Ach, Sofia, tut mir leid mit deiner Robe, ich besorge dir natürlich eine neue«, murmelte Bea.

      »Mach dir darüber keine Sorgen.«

      Mentorin Quandri stand auf. »So, das reicht jetzt, meine Damen. Bea soll schließlich bald wieder am Unterricht teilnehmen können.«

      »Ich komme später noch mal wieder«, versprach ich Bea und warf Quandri einen entschuldigenden Blick für mein patziges Verhalten vorhin zu, den sie aber ignorierte. Dann machte ich mich auf den Weg zurück in mein Zimmer.

      Ein paar Stunden später saßen Yu Weiß, Quandri, der stellvertretende Schulleiter Herr Must, Mary und ich in Yu Weiß’ Büro. Ich hatte mich sehr über die Einrichtung des Büros gewundert. Rotkutten hatten normalerweise nicht viel Geld, aber Yu Weiß schien über reichlich davon zu verfügen. Die Wand war bedeckt von einem überdimensionalen Bücherregal, in dem sich vergoldete Einzelexemplare stapelten. Sein Schreibtisch war perfekt aufgeräumt und er saß auf einem Zedernholzstuhl, während wir anderen alle auf den weißen Ledersesseln im Raum, die alle in Richtung Schreibtisch angeordnet waren, Platz genommen hatten.

      Yu Weiß sah uns ernst an. »Was sich ereignet hat, darf unter keinen Umständen noch einmal vorfallen. Mary, es ist von absoluter Wichtigkeit, dass du uns alles, was du weißt, erzählst. Vor allem, warum die Schwarzkutten Bea angegriffen haben und aus welchem Grund du Hilfe geholt hast.«

      Mary saß auf dem Sessel neben mir, und als sich alle zu ihr umwandten, rutschte sie ein bisschen tiefer hinein. Ihr kurzes Haar war zerstrubbelt und ihre Augen blickten stumpf, als sie schließlich (nach endlosem Schweigen und nach Quandris Räuspern) endlich anfing zu sprechen:

      »Meiner Familie hat die Art, wie die restlichen Schwarzkutten leben, nie gefallen. Aber meine Großeltern haben uns zum Bleiben gezwungen – sie … sie wollten nicht, dass wir die Schwarzkuttentradition brechen. Doch nach dem Tod meines Großvaters vor drei Tagen haben wir den Stadtteil der Schwarzkutten verlassen«, ihre Stimme brach. »Auf jeden Fall hatten meine Eltern das alles langfristig geplant. Sie wollten bei Verwandten von ihnen unterkommen, meinem Onkel. Er ist eine Rotkutte.« Sie schaute nicht hoch, während sie sprach, und ihre Stimme klang merkwürdig emotionslos, als ob sie die Geschichte überhaupt nicht berühren würde. »Aber wir sind nicht weit gekommen. Wir waren gerade im Wald, als die Schwarzkutten uns gefunden haben. Verräter haben sie uns genannt und dann haben sie meine Eltern getötet. Ich konnte nichts machen. Ich stand hinter einem Busch versteckt und sah die Schwarzkutten, wie sie mich suchten. Ich bin … ich bin einfach losgerannt. Bis sie mich gesehen haben, hatte ich einen großen Vorsprung. Ich bin auf den Hof hier gelaufen und habe mich unter einem Fenster versteckt. Die Schwarzkutten haben das Gelände des Schülerhauses nicht betreten. Ich glaube, sie sind umgekehrt. Auf jeden Fall hatte ich vor, zu meinem Onkel zu gehen. Aber erst musste ich zu meinen Eltern – ich wollte mich von ihnen verabschieden. Ich war gerade im Wald, da sah ich dieses Mädchen dort liegen. Ich wollte einfach nicht … nicht, dass noch jemand wegen der Schwarzkutten stirbt, wenn ich es hätte verhindern können.«

      Als sie geendet hatte, schauten sich alle sprachlos an. »Das mit dem Fenster kann ich bestätigen«, ich räusperte mich. »Ich habe sie gestern Abend dort hocken sehen.«

      Yu Weiß sah mich enttäuscht an, was eigentlich noch schlimmer war, als wenn er wütend geworden wäre. »Es war grob fahrlässig, das nicht zu erzählen«, stellte er fest, richtete seine Aufmerksamkeit dann aber wieder auf Mary.

      »Wir müssen darüber beraten, was mit dir geschieht«, sagte Yu Weiß nüchtern. »Du kannst nicht zu deinem Onkel, weil Kinder und Jugendliche ab ihrem sechsten bis zum achtzehnten Lebensjahr in Schülerhäusern leben und lernen müssen – ob nun bei den Schwarz- oder den Rotkutten. Quandri, könnten Sie Mary vielleicht vor die Tür geleiten, während wir uns beraten?«

      Quandri sah mich erbost an; wahrscheinlich fragte sie sich, weshalb ich bleiben durfte (ehrlich gesagt fragte ich mich das auch!). Sie bedeutete Mary mit einer unwirschen Handbewegung, ihr zu folgen, dann fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss und hüllte uns in Schweigen. Es dauerte einige Zeit, bis der stellvertretende Schulleiter Herr Must seinen Vorgesetzten anblickte. »Ich weiß nicht, was Sie denken, Yu. Die Geschichte scheint sehr … verrückt zu sein. Zu verrückt, zu unglaublich, um wahr zu sein. Dennoch bezweifele ich, dass dieses Mädchen lügt. Ich würde ihr die Wahl lassen. Kehrt sie zurück zu ihrem Stamm, haben wir kein Problem. Will sie bei uns bleiben, müssen wir sie bewachen. Wir können nicht ausschließen, dass sie ein Spion ist und wir können uns nicht leisten, dass sie eine Horde Schwarzkutten auf uns hetzt.«

      Yu Weiß nickte bedächtig und fuhr langsam mit der Hand über das Holz seines Schreibtisches, bevor er mich anblickte. »Was meinst du, Sofia?«

      Ich starrte ihn perplex an. Wollte er jetzt wirklich von mir, einer magielosen, sechzehnjährigen Schülerin, eine Antwort für dieses Problem?!

      »Ähm … ja. Also sie macht auf mich nicht den Eindruck einer Lügnerin und Herrn Musts Idee … finde ich gut«, stammelte ich.

      Yu Weiß schaute uns zustimmend an. »Dann ist es beschlossen. Quandri, kommen Sie rein!«

      Sofort öffnete sich die Tür, als ob Quandri nur darauf gewartet hätte, dass sie hereingerufen werden würde. Beas Mentorin setzte sich schnell, während sich Mary ziemlich erschöpft in einen der Ledersessel fallen ließ, kurz für einen Moment die Augen schloss und Yu Weiß dann ängstlich ansah.

      »Wir haben beschlossen, dich selbst entscheiden zu lassen, in welches Schülerhaus du möchtest. Natürlich wäre das der Schwarzkutten für deine Fähigkeiten am besten geeignet, doch wir verwehren niemandem, der seinem Stamm den Rücken gekehrt hat – vor allem nicht dem Stamm der Schwarzkutten – die Hilfe«, sagte Yu Weiß langsam und schaute Mary abwartend an.

      Ein Ausdruck unglaublicher Erleichterung breitete sich in ihrem Gesicht aus und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Schnell wischte sie mit dem Ärmel über ihr Gesicht. »Ich will – ehrlich gesagt würde ich lieber hier bleiben«, sagte sie mit zittriger Stimme.

      Yu Weiß nickte. »Dann soll es so sein. Sei dir allerdings im Klarem darüber, dass deine Fähigkeiten hier nicht so leicht auszubilden sind, wie in einem Schülerhaus der Schwarzkutten. Mit Nekromantie hat niemand hier Erfahrungen, wir werden dich also nicht auf diesem Gebiet unterrichten. Außerdem wird dich immer jemand bewachen. Nimm es nicht persönlich, aber du bist immer noch eine Schwarzkutte. Nun denn – Sofia, wir sehen uns beim Nachmittagsunterricht. Mary, bleibst du bitte noch kurz hier? Wir müssen über deinen Mentor und über deinen Schlafraum sprechen.«

      »Sie kann bei Bea und mir im Zimmer schlafen«, schlug ich vor, bevor ich überhaupt darüber nachgedacht hatte. Alle Blicke richteten sich auf mich und Herr Must hob überrascht die Augenbrauen.

      »Na ja, sie kennt ja nur mich und außerdem haben wir auch nicht so viele Zimmer frei«, sagte ich verlegen, aber Yu Weiß nickte zustimmend.

      Ich verließ hinter Quandri den Raum (die mich übrigens aus zusammengekniffenen Augen musterte. Das zum Thema patziges-Verhaltenvergessen).

      Am Nachmittag ging ich mit einem mulmigen Gefühl zu der Unterrichtsstunde. Ich wollte Bea eigentlich nicht in den Klauen (okay, das war jetzt vielleicht etwas übertrieben) Quandris lassen, aber dennoch wurde mir bewusst, dass ich das Kampftraining ernster nehmen sollte, als ich es am Anfang getan hatte.

      Yu Weiß war nicht alleine, als ich den großen Raum mit der Statue des Armet betrat (was er ja auch angekündigt hatte). Neben ihm stand ein