Die Magie von Pax. Sarah Nicola Heidner

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Название Die Magie von Pax
Автор произведения Sarah Nicola Heidner
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Серия
Издательство
Год выпуска 0
isbn 9783957448361



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grünliche Farbe. Die ehemalige Schwarzkutte ließ ihr Buch sinken, sodass es mit einem dumpfen Geräusch auf den Boden fiel.

      »Bei Armet«, stöhnte Bea irgendwann und brach damit das Schweigen.

      »Was soll ich denn jetzt machen?!«, ich hob die Hände. »Keine Ahnung, was da passiert ist. Ehrlich – die kamen plötzlich auf mich zu. Ich hab es euch ja erzählt.«

      Mary knabberte an ihrer Unterlippe, dann sah sie mich stirnrunzelnd an.

      »Für das hier gibt es eigentlich nur zwei mögliche Erklärungen«, sagte sie langsam.

      Bea und ich sahen sie abwartend an und ich bekam das Gefühl, dass Mary viel klüger war, als sie zugab.

      »Erstens: Die Götter haben dich, warum auch immer, beschützt. Da Armet für so etwas zu schwach ist, müssen es Hylos oder Lucis gewesen sein. Aber warum sollte Hylos, der Gott der Schwarzkutten, so etwas tun? Jemanden gegen seinen eigenen Stamm beschützen? Bleibt also nur Lucis. Auch da stellt sich die Frage, weshalb sie dich beschützen sollte, wo du doch zu keinem von ihnen zu gehören scheinst«, sagte Mary ernst.

      Ich schaute Bea verblüfft an und konnte nicht anders, als Mary für ihre schnellen Erkenntnisse zu bewundern. Bea anscheinend auch, denn sie schaute mich fassungslos an.

      »Womit wir bei der zweiten Erklärung wären«, fuhr Mary fort. »Da Magie dich beschützt und die Schwarzkutten vertrieben hat, liegt es nahe, dass die Magie auch von dir ausgegangen ist. Die Dinge, die du uns beschrieben hast, waren Regen, Sturm, ein rotes Flimmern – ich nehme mal an, es handelte sich um Feuer – und ein Erdbeben, das wir alle gespürt haben. Auch wenn ich die Umstände nicht verstehe, Sofia: Das ist die Magie einer Blaukutte.«

      Ich schaute sie fassungslos an und konnte dann ein hysterisches Lachen nicht unterdrücken. »Nein, Mary. Das ist unsinnig. Niemand bekommt die Magie erst so spät. Und außerdem, das was da aufeinandergestoßen ist, waren alle vier Elemente. Keine Blaukutte beherrscht alle vier, das können nur die Götter.«

      Mary zuckte mit den Schultern. »Schon, aber wir können nichts ausschließen, Sofia. Außerdem – denk an dein Fieber und die Kopfschmerzen. Bei dir war es heftiger als bei allen Kutten, die ich kenne, aber das sind die Vorboten von Magie. Jede sechsjährige Kutte kann dir das bestätigen. Am klügsten wäre es, sich Yu Weiß anzuvertrauen. Er weiß sicher, was du machen kannst.«

      Schon bevor sie geendet hatte, schüttelte ich wild den Kopf. »Niemals. Ich will nicht, dass er mich für geisteskrank hält. Das Erdbeben, okay, das haben alle mitbekommen. Aber Schwarzkutten auf dem Dach? Außerdem müsste ich erklären, weshalb ich auf dem Dach war – und wieso ich überhaupt weiß, wie man dort hinauf kommt. Und er müsste mir glauben, dass ich einen Fall über zwanzig Meter ohne einen Kratzer überstanden habe«, ich tickte mir an die Stirn. »Ich bin schneller als verrückt abgestempelt, bevor ich auch nur die ganze Geschichte erzählt habe.«

      Bea gab mir Recht. »Das glaubt niemand, Mary. Selbst Yu Weiß nicht.«

      Wir saßen ein paar Minuten ratlos da, dann ergriff Mary wieder das Wort.

      »Leute, vielleicht sind wir einfach ein bisschen überdreht. Wir hatten wenig Schlaf. Wir sollten erst einmal schlafen, morgen sieht die Welt ganz anders aus.«

      Ich wusste zwar nicht, ob ich ihr da Recht gab, aber so kamen wir auf jeden Fall nicht weiter, also löschten wir das Licht und eine tiefe Dunkelheit senkte sich über unser Zimmer.

      Als ich am nächsten Morgen aufwachte und an die weiße Decke starrte, (na ja, sie hatte ein paar Farbspritzer bekommen, als Bea und ich in der siebten Klasse meinten, eine Leinwand bemalen zu müssen) kamen mir die Erlebnisse von gestern wie ein Traum vor. Ehrlich gesagt konnte ich gar nicht mehr genau sagen, ob da überhaupt ein Flimmern in der Luft gewesen war. Und der Regen? Meine Augen hatten irgendwie verrückt gespielt. Ich seufzte tief und drehte mich zur Seite, sodass ich Bea sehen konnte. Sie saß auf ihrem Bett und zog sich ihre Robe über.

      Bea lächelte mir leicht zu, aber ich wusste, wie verwirrt sie von den ganzen Dingen war, die gestern passiert waren. (Ich war es aber noch viel mehr, schließlich waren sie mir passiert.) Mary war anscheinend schon im Bad, denn ich hörte Wasser rauschen und einen echt schrecklichen Gesang, der dem meinem sehr nahe kam. Bea und ich schauten uns an – dann prusteten wir los. Wir wurden aber schnell wieder ernst.

      »Was da gestern passiert ist – das, was du erzählt hast – das ist gruselig, Sofia. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache. Was auch immer da passiert ist, die Götter haben so oder so ihre Finger im Spiel. Und genau das beunruhigt mich«, sagte Bea. Ich nickte, sie sprach genau meine Gedanken aus.

      »Keine Ahnung. Ich weiß nicht, was da geschehen ist.« Und ich wollte mich auch nicht daran erinnern. Ich lächelte Bea (wie ich hoffte aufmunternd) zu. »Lass uns erst einmal frühstücken. Vielleicht habe ich mir den Großteil auch eingebildet.« (Ehrlich gesagt hoffte ich es. Denn die Möglichkeiten, die Mary in Betracht zog, waren weit gefährlicher als ein gestörter Geisteszustand.)

      Beim Training war ich nicht bei der Sache, was auch Merl schnell merkte. Als ich in einer Minute das fünfte Mal auf der Matte lag und mir den schmerzenden Kopf rieb, sah Merl stirnrunzelnd auf mich herunter. » Komm schon, Sofia! Streng dich ein bisschen an.«

      »Was glaubst du, was ich mache?«, fragte ich hitzig und rappelte mich wieder auf. Wir nahmen wieder unsere Ausgangsstellung ein, und ich versuchte ihn in die rechte Seite zu treten, doch er wich mühelos aus, wirbelte einmal um mich herum und stieß mich von hinten auf den Boden.

      Kaum hatte ich mich wieder aufgerichtet, trat er mir die Beine weg. »Schlecht drauf heute, wie?«, stichelte er.

      Der Gestank der Matten war unerträglich. Ich stand wieder auf und warf Yu Weiß einen Blick zu, der gedankenverloren unter der Wand mit den Waffen saß. Vielleicht sollte ihm doch erzählen, was passiert war …

      »Abgelenkt zu sein in einem Kampf ist wirklich das Schlechteste, was man machen kann«, sagte Merl und warf mich schon wieder zu Boden. Wütend funkelte ich ihn an. »Du machst das auch nur, weil es dir Spaß macht, oder?«, fauchte ich. »Vergiss es, okay? Du bringst mir nichts bei – du demütigst mich und stellst deine Stärken zur Schau. Mal ganz abgesehen davon, dass ich sowieso keine Ahnung habe, wer du bist, geschweige denn davon, warum ich diesen ganzen Scheiß überhaupt lernen muss!« »

      Yu Weiß hob beschwichtigend die Hände, aber ich drehte mich einfach um und rannte aus dem Raum.

      Auf dem Weg zu unserem Zimmer verrauchte mein Zorn, und ich kam mir ziemlich kindisch vor. Es lag eigentlich auch nur an meiner Anspannung, dass ich so überreagiert hatte. Ich konnte einfach nicht mit dem, was gestern Nacht passiert war, umgehen.

      Die Flure waren verlassen, als ich mich auf den Weg zu unserem Zimmer machte (natürlich, die anderen hatten ja entweder Unterricht oder waren mit ihren Mentoren irgendwo im Haus verstreut). Ich rauschte gerade wütend (jetzt allerdings nicht mehr auf Merl, eher auf mich selbst) an der Mädchentoilette vorbei, als ich jemanden weinen hörte. Ich würde diese Stimme immer und überall erkennen, deshalb blieb ich stehen und spähte vorsichtig in die Toilette.

      Isabell hing über dem Waschbecken und versuchte vergeblich, sich die verschmierte Schminke aus ihrem Gesicht zu wischen. Dabei wurde sie von immer mehr Schluchzern geschüttelt. Ich konnte es nicht mit ansehen, dennoch blieb ich wie erstarrt stehen. Ich hasste Isabell, ich hasste sie aus tiefstem Herzen, aber dennoch kostete ich diesen Moment nicht aus. Ich fragte mich wirklich, was Isabell so erschüttern konnte. Sie war, soweit ich es beurteilen konnte, ein sehr starkes, selbstbewusstes (und bescheuertes, idiotisches und egoistisches) Mädchen, das nichts so leicht aus der Bahn werfen konnte. Ich hörte Isabell schniefen und wurde mir bewusst, was ich da eigentlich tat. Ich würde auch nicht wollen, dass Isabell mich in einem Moment wie diesem beobachtete. So leise ich konnte huschte ich den Gang weiter in Richtung Wendeltreppe.

      Im Zimmer legte ich mich ins Bett und versuchte zu schlafen, denn obwohl ich gestern nach dem ganzen Chaos hatte einschlafen können, war ich immer noch von einer bleiernen Müdigkeit besessen. Das Problem war nur, dass es nicht so ganz einfach war, mit tausenden schwirrenden Gedanken im Kopf einzuschlafen.