Die Seepriesterin. Dion Fortune

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Название Die Seepriesterin
Автор произведения Dion Fortune
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783741881206



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breiten Spalt, durch den Sonnenlicht und frische Luft in das modrige Dunkel hereinbrachen. Ich lehnte mich hinaus und war sogleich begeistert von dem, was ich sah.

      Der Name unserer Stadt, Dickford, bedeutet, dass sie an einem Fluss liegt; vermutlich der Fluss, der bei Dickmouth mündet, einem Seebad, etwa zehn Meilen entfernt. Also war der Fluss hier wahrscheinlich der River Dick, und obwohl ich hier geboren und aufgewachsen war, hatte ich ihn nie wirklich wahrgenommen. Er verlief durch eine kleine verwilderte Schlucht und musste ein ganz beachtlicher Fluss sein, nach dem zu urteilen, was ich durch die Büsche erkennen konnte. Ein Stück weiter verlief er offensichtlich unterirdisch, und die Häuser, die die alte Brücke ein wenig unterhalb säumten, verdeckten die Sicht auf den Fluss. Deshalb war mir nie aufgefallen, dass Bridge Street nicht nur von Brücke abgeleitet wird, sondern tatsächlich eine Brücke ist. Das hier war sogar ein richtiger Strom, etwa zwanzig Fuß breit, überhangen von Weiden wie ein totes Wasser an der Themse. Das war die Überraschung meines Lebens. Wer hätte gedacht, dass irgendjemand, und dazu noch ein Junge, sein ganzes Leben einen Steinwurf von einem Fluss entfernt lebt und nicht weiß, dass es ihn gibt? Aber mir war auch nie ein Fluss begegnet, der sich so gut versteckt hätte, denn die rückwärtigen Teile der langen schmalen Gärten endeten unmittelbar an der Schlucht, die mit denselben alten Bäumen und hängenden Büschen überwuchert war wie unser sogenannter Garten. Ich nehme an, alle Jungens von hier kannten ihn, aber ich war ordentlich erzogen worden, und in einer solchen Wildnis zu spielen, gehörte sich nicht für einen Jungen aus ‚gutem Hause‘.

      Nun, es gab ihn, und man hätte sich durchaus einbilden können, auf dem Land zu sein, denn nicht einmal ein Kamin ragte über die schwer beladenen Bäume hinaus, die beide Ufer säumten, so weit das Auge reichte, bis zu der Stelle, wo das Wasser in einem Tunnel aus Grün verlief. Jetzt wusste ich auch, warum ich diesen Fluss in meiner Jugend nicht entdeckt hatte: Er hätte mich wahrscheinlich so fasziniert, dass ich vor Aufregung hineingefallen wäre.

      Und so erkundete ich die Gegend genauer. Mein künftiges Quartier war solide gebaut, im Queen-Anne-Stil, wie das Haus auch, und es würde kein großer Aufwand sein, den weitläufigen Dachboden in eine Reihe von Räumen und ein Badezimmer umzubauen. An der einen Stelle gab es bereits einen Kamin, und unten hatte ich Wasserhahn und Abfluss gesehen. Ganz begeistert von meiner Entdeckung, kehrte ich zum Haus zurück, wo ich mit der üblichen kalten Dusche empfangen wurde. Die Diener würden mit den Tabletts nicht herauskommen, wenn ich mal wieder krank war. Ich hatte das Verlies zu nehmen, und damit basta! Ich sagte: „Der Teufel soll die Diener holen!“, und: „Zum Teufel mit dem Verlies!“, (seit meiner Krankheit war es mit meiner Laune nicht zum Besten bestellt), nahm das Auto, machte eine übliche Geschäftsrunde und ließ die Familie in ihrem Saft schmoren.

      Das Geschäft lief nicht ganz so gut. Wir mussten versuchen, in den Besitz einer Reihe von Cottages zu gelangen, die abgerissen werden sollten, um Platz für eine Tankstelle zu schaffen. Eine alte Dame wollte nicht mitmachen, und ich musste mit ihr verhandeln. Ich ziehe es vor, solche Dinge selbst zu erledigen und nicht Gerichtsvollziehern oder ähnlichen abscheulichen Typen zu überlassen, denn ich hasse es, diese alten Leutchen vor den Kadi zu zerren. Das ist eine unangenehme Sache für alle Beteiligten.

      Früher waren das Bauernhäuser gewesen; die Stadt war um sie herum gewachsen, und in dem letzten von ihnen lebte seit dem Jahr X eine alte Dame namens Sally Sampson, die nicht weg wollte. Wir hatten ihr eine andere Wohnung angeboten, mit allem Drum und Dran. Es sah so aus, als würde es doch noch eine Sache für das Gericht werden. So klopfte ich mit dem kleinen Messingklopfer an Sallys grüne Tür und entschloss mich, mein Herz zu verhärten, worin ich nicht sehr gut bin; aber besser ich als der Gerichtsvollzieher.

      Sally öffnete die Tür etwa einen halben Zoll an einer schrecklich klirrenden Kette, an der man ihre ganze Hütte hätte wegziehen können, und fragte, was ich wollte. Hoffentlich hatte sie keinen Schürhaken in der Hand! Wie es das Unglück wollte, war ich nach dem steilen Gartenpfad so außer Atem, dass ich kein Wort herausbrachte; ich konnte mich nur gegen ihren Türpfosten lehnen und wie ein Fisch nach Luft schnappen.

      Das reichte. Sally öffnete die Tür, legte den Schürhaken weg, zerrte mich hinein, setzte mich in ihren einzigen Sessel und drückte mir eine Tasse Tee in die Hand. Anstatt Sally zu vertreiben, trank ich Tee bei ihr.

      Wir besprachen die ganze Angelegenheit, und was kam heraus? Sie hatte nichts außer ihrer langjährigen Rente, aber in dieser Hütte konnte sie ein wenig Geld verdienen, indem sie für vorbeikommende Radfahrer Tee kochte. In der Behausung, die wir ihr angeboten hatten, war das nicht möglich, und wenn sie nicht etwas zu tun hätte, um Körper und Seele zusammenzuhalten, dann wäre sie reif für das Armenhaus. Kein Wunder, dass die alte Dame störrisch war.

      Da hatte ich den nächsten geistreichen Einfall. Wenn das Dilemma mit meiner Junggesellenwohnung das Dienstbotenproblem war, dann lag hier die Lösung. Ich erzählte Sally von meinen Plänen, und sie weinte lange, einzig und allein aus Freude. Ihr Hund war vor kurzem gestorben. Seitdem fühlte sie sich tagsüber sehr einsam und nachts sehr unsicher. Offensichtlich sollte ich den Platz ihres Hundes einnehmen. So regelten wir die Sache auf der Stelle. Ich wollte unser neues Quartier ausbauen, und dann würden Sally und ich einziehen und einen gemeinsamen Haushalt führen, und die Tankstelle könnte in Ruhe gebaut werden.

      Triumphierend ging ich nach Hause und informierte die Familie. Aber auch diese Lösung behagte ihr nicht. Sie sagten. „Die Leute werden reden!“ Ich entgegnete: „Eine alte Rentnerin ist genau die Richtige für ein Techtelmechtel. Die Leute werden nur dann tratschen, wenn ihr selbst es tut! Der Platz ist von der Straße aus nicht einsehbar, und niemand wird wissen, dass ich umgezogen bin.“ Sie gaben nicht auf: „Die Dienstboten werden klatschen“, und ich antwortete: „Zur Hölle mit den Dienstboten!“ Sie ließen nicht locker: „Schließlich hast du nicht die Hausarbeit am Hals, wenn die Dienstboten kündigen. Also schick sie nicht gleich zur Hölle!“ Ich versuchte, sie zu überzeugen: „Es gibt keinen Diener, der bei einem Skandal kündigt, versteht ihr das denn nicht, er will doch das Ende der Geschichte erleben. Versteck ein Gerippe im Schrank, und du kannst dich vor Personal nicht retten!“ Meine Schwester gab nicht auf: „Was sollen die Friendly Girls denken, wenn du mit Sally am Ende des Gartens in Sünde lebst, auch wenn du es nicht zugibst.“

      „Zur Hölle mit den Friendly Girls!“, und dabei blieb es. Als meine Schwester jedoch Sally in ihrem besten schwarzen Hut mit Federn sah, räumte sie ein, zu weit gegangen zu sein. So begann unser gemeinsames Leben – Sally in den Pferdeställen und ich auf dem Speicher – eine Art Garten Eden, bevor die Schlange kam.

      ***

      2

      Ich war sehr glücklich in meinem neuen Zuhause. Mein Wohnzimmer hatte vier Dachfenster, alle nach Süden, mein Schlafzimmer ging nach Osten, und die Sonne weckte mich jeden Morgen. Ich baute einen großen Herd aus Ziegelsteinen und gebranntem Torf aus der Marsch, brachte an beiden Seiten Regale an und konnte jetzt endlich all die Bücher anschaffen, die ich schon immer hatte haben wollen. Das war bisher nicht möglich gewesen, weil es in meinem Schlafzimmer nicht genug Platz gab und mir die Vorstellung zuwider war, meine Bücher im Haus verstreut zu haben. Die eigenen Bücher sind eine sehr intime und persönliche Angelegenheit. Sie enthüllen so viel von der eigenen Seele, und ich hatte keine Lust, meine Bücher offen zur Schau zu stellen, denn meine Schwester hätte ohnehin nur auf ihnen herumgehackt. Außerdem hätten sie wahrscheinlich die Friendly Girls verdorben und die Dienstboten zum Klatschen angeregt.

      Zugegeben, es war schäbig von mir, aber der Gedanke, meine Schwester würde mich in meinem Stall besuchen, passte mir überhaupt nicht in den Kram. Sie ist in ihrer Art ja ganz annehmbar, in der Stadt sogar sehr angesehen, aber wir haben nichts gemeinsam. Meine Mutter nannte mich immer den Wechselbalg: Gott weiß, warum ich in diese Familie geboren wurde. Meine Schwester und ich sind immer wie Hund und Katze gewesen, und seit ich mit Asthma zu kämpfen hatte, verhielt ich mich meistens wie die Katze. Jedenfalls wollte ich meine Schwester nicht dort haben. Doch der Versuch, sie fernzuhalten, war zum Scheitern verurteilt, und so war alles, was ich tun konnte, ein Patentschloss an der Tür anzubringen und sie anklopfen zu lassen, wenn sie herein wollte.

      Die Dinge ließen sich besser an, als ich befürchtet hatte, auch wenn meine Schwester von Anfang an Sally wegen ihrer Arbeit anraunzte. Sally