Die Drachenprinzessin, Band 2. Ambros Chander

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Название Die Drachenprinzessin, Band 2
Автор произведения Ambros Chander
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737568746



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Mehr noch. Das Feuer, das in ihm loderte, schien schwächer zu werden, als sie ihn berührte. Auch die feuerrote Färbung seiner Schuppen verblasste langsam. Er selbst lag immer noch reglos im Wasser, die Augen geschlossen. Sein Atem ging ruhig. Auch Aemiliana hatte die Augen geschlossen. Vásíphel war sich sicher, dass sie sich im Geiste mit ihm unterhielt. Dass sie versuchte, ihm den Schmerz zu nehmen, indem sie ihm die Vergebung zuteilwerden ließ, die er so dringend brauchte.

      Nach einer Weile ließ sie ihre Hand sinken und ging auf Vásíphel zu. Madwegdaw kam aus dem Wasser ans Ufer und legte sich neben Faennarthan.

      Vásíphel stand nun Aemiliana gegenüber, blickte in ihre Augen, die denen ihrer Mutter so ähnlich waren, und fühlte sich der Worte beraubt. So oft hatte er diesen Augenblick herbeigesehnt. So oft hatte er sich überlegt, was er ihr wohl sagen würde. Doch nun schien ihm nichts davon richtig. »Ich kenne diesen Ort«, begann Aemiliana und ging zu dem Stein hinüber, auf dem Vásíphel eben noch gesessen hatte. Sie ließ sich darauf nieder und fuhr mit der Hand über die raue Oberfläche. »Hier habt ihr euch getroffen, meine Mutter und du.« Sie sah Vásíphel an. »Und ich weiß auch, wer du bist … Vater.« Ruhig und entspannt sah sie ihm in die Augen, doch ihr Gesicht verriet nichts.

      Vásíphel ging zu ihr und setzte sich neben sie. »Woher weißt du das?«, fragte er. »Hat Faennarthan es dir erzählt?« Auch er war ruhig. Nun war der Moment da. Der Moment, der ihm zeigen würde, ob er damals richtig gehandelt hatte. Ob seine Tochter seine Entscheidung verstehen oder ihn dafür hassen würde. Er zwang sich, sie anzusehen, auch wenn er fürchtete, dass ihre Reaktion ihm das Herz zerreißen würde.

      »Nein.« Aemiliana schüttelte den Kopf. »Meine Träume haben es mir verraten. Jede Nacht, immer wieder Bruchstücke, die nun einen Sinn ergeben.« Aemiliana ging zu einer Birke hinüber und flüsterte. »Gwilwileth.«

      Ein Blatt fiel vom Baum. Doch bevor es den Boden berührte, verwandelte es sich in einen Schmetterling, klein und zart mit schwarzen Flügeln, die im Sonnenlicht wie ein Regenbogen schimmerten. Er flatterte scheinbar ziellos durch die Luft, bevor er sich neben Vásíphel auf dem Stein niederließ. Der Schmetterling breitete die Flügel aus und genoss die Wärme der Sonnenstrahlen.

      »Du sprichst die Elfensprache?«, fragte Vásíphel überrascht. Wieder schüttelte Aemiliana den Kopf. »Auch dieses Wort habe ich in meinem Traum gehört.« Langsam ging sie wieder zu dem Stein hinüber. Sachte hielt sie ihre Hand dem Schmetterling entgegen, der sich nicht lange bitten ließ. Er schlug mit den Flügeln und landete auf ihrer Hand. Aemiliana setzte sich wieder, ohne dass der Schmetterling davonflog. Sie hielt den Blick fest darauf gerichtet, während sie ihrem Vater von ihren Träumen erzählte. Von den schönen, doch auch von den schrecklichen, die sie aus dem Schlaf rissen.

      Vásíphel hörte zu und betrachtete sie dabei. Sie war ihrer Mutter so ähnlich. Nicht nur äußerlich, auch sonst erinnerte ihn vieles an ihr an Andreana. Sie hatte denselben scheuen Blick, dasselbe Verstehen und Akzeptieren der Dinge. Und dieselbe Stärke, auch wenn Andreana sich nie für stark gehalten hatte. Selbst das hatte Aemiliana mit ihrer Mutter gemeinsam. »Renio!«, sagte Aemiliana und der kleine schwarze Schmetterling flog davon. »Ich habe Angst«, wandte sie sich nun an Vásíphel. »Was ist, wenn sich die Prophezeiung irrt?« »Eine Prophezeiung irrt sich nie«, antwortete er. »Das stimmt wohl«, erwiderte Aemiliana. »Aber sie kann unterschiedlich gedeutet werden, oder nicht? Was ist, wenn ihr sie falsch gedeutet habt?« »Das ist natürlich möglich. Aber du bist hier und wenn du die Prophezeiung nicht erfüllst …«

      »… wer sonst.“, seufzte Aemiliana. Doch es war mehr eine Feststellung als eine Frage. »Dann lass uns gehen.« Sie erhob sich und war schon auf halbem Weg zu Faennarthan, als sie sich noch einmal umdrehte.

      Bevor sie etwas sagen konnte, lächelte Vásíphel und verschwand in Nebelschwaden. Auch Aemiliana lächelte, als sie zu den beiden Drachen hinüberging. Der Rehkadaver war verschwunden und sie meinte, für einen kurzen Moment ein verlegenes Lächeln bei Madwegdaw gesehen zu haben. Es konnte aber auch nur das Spiel von Licht und Schatten gewesen sein. Sie ging zu ihm hinüber und strich ihm noch einmal über seine Nüstern. Madwegdaw stieß mit einem kurzen Schnauben kleine Flammen daraus hervor, die an Aemilianas Hand züngelten. Doch sie verbrannten sie nicht.

      Faennarthan stieß sie sanft, beinahe zärtlich von hinten an die Schulter.

       Wir müssen gehen!

      Aemiliana sah ihn amüsiert an, ohne ein Wort zu sagen.

      Fliegen, verbesserte er sich und grinste dabei, was auf einen Fremden eher bedrohlich gewirkt hätte. Doch Aemiliana grinste zurück und stieg schließlich über seine Pranke hinauf auf seinen Rücken. Auch Madwegdaw erhob sich. Beide Drachen breiteten ihre Flügel aus und erhoben sich in die Luft. Eine ganze Weile flogen sie nebeneinander her. Aemiliana schloss die Augen und ließ sich treiben. Sie vertraute Faennarthan, so schwer das für ihren Verstand auch zu fassen war.

      Plötzlich stieß Madwegdaw ein Brüllen aus, so dass sie erschrocken die Augen aufschlug. Noch immer flogen beide Drachen nebeneinander her. Beide völlig ruhig, doch Aemiliana spürte, dass sich etwas geändert hatte. Noch einmal brüllte Madwegdaw und Faennarthan erwiderte seinen Ruf, bevor sich ihre Wege schließlich trennten.

      »Wo fliegt er hin?«, fragte Aemiliana. Faennarthan antwortete nicht, sondern drehte nur den Kopf zu ihr um. Aemiliana rollte mit den Augen. »Ist ja gut.« Wo fliegt er hin? Sie wiederholte ihre Frage in Gedanken. Geht doch! erhielt sie nun auch Antwort. Faennarthan wandte den Kopf wieder nach vorn. Er fliegt zur Dracheninsel, der Insel der freien Drachen. »Die Insel …« Wieder drehte er sich zu ihr um und runzelte leicht die Stirn. Tut mir leid, grinste Aemiliana. Auch Faennarthan konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, bevor er wieder nach vorn schaute.

      Also, was ist die Insel der freien Drachen? setzte Aemiliana das Gedankengespräch mit ihrem Drachen fort. Die Insel der freien Drachen liegt an einem Ort, den niemand kennt, begann Faennarthan die Geschichte. Dort finden alle Drachen ein Zuhause, wenn die Verbindung zwischen ihnen und ihrem menschlichem Partner getrennt wird. Also wenn der Mensch stirbt. Dann sind sie frei und tun das, was jedes Lebewesen tut.

      Das da wäre?, fragte Aemiliana etwas verwirrt. Der Drache blickte diesmal nicht nach hinten, sondern schmunzelte nur schelmisch. Aemiliana musste kichern, weil sie nicht gleich darauf kam, was er meinte.

      Einen Partner suchen und für die nächsten Generationen von Drachen sorgen, fuhr er fort. Oder dachtest du, die Drachen, die mit deiner Familie seit Jahrhunderten eine Verbindung eingehen, fallen vom Himmel?

      Das klingt einleuchtend, meinte Aemiliana. Doch etwas passte an Faennarthans Geschichte nicht. Sie überlegte und dann fiel es ihr auf. Wenn niemand weiß, wo die Insel liegt …

      Faennarthan unterbrach sie. Niemand weiß es, doch ein jeder Drache spürt es instinktiv, nachdem die Verbindung getrennt wurde. Es ist wie ein Rufen, ein Pulsieren in seinen Adern.

      Hast Du es auch gespürt, nachdem ich … Aemiliana verstummte. Sie wusste nicht, wie sie sich ausdrücken sollte. Sie fühlte Traurigkeit, doch es war nicht ihre eigene, sondern die des Drachen. Sie dachte schon, er würde dazu nichts sagen, als er eine ganze Weile schwieg.

      Halt dich fest, sagte er schließlich und Aemiliana hatte kaum Zeit dazu, denn er setzte fast im selben Augenblick zum Sinkflug an. Wahnsinnig schnell näherten sie sich dem Boden und sie hatte Mühe sich festzuhalten. Der Wind zerrte an ihrem Haar und ihre Augen begannen zu brennen. Sie hatte keine Angst, aber sie spürte seinen Schmerz wie ihren eigenen. Er war grenzenlos und sie bekam eine Vorstellung davon, was Faennarthan während der ganzen Jahre ihrer Abwesenheit erlitten hatte.

      Kurz über dem Boden bremste er ab und richtete sich auf. Er schlug mit den Flügeln, um die Geschwindigkeit zu verringern, und landete sanft auf seinen Hinterbeinen auf einer kleinen Lichtung inmitten des langsam sterbenden Waldes. Er legte sich flach auf den Boden, damit Aemiliana hinabgleiten konnte. Er blieb liegen, suchte nur eine bequemere Position und schlug die Vorderpranken wieder übereinander. Den Kopf legte er darauf ab. Aemiliana setzte sich im Schneidersitz vor ihn. Ganz nah, so dass sie ihn