Die Drachenprinzessin, Band 2. Ambros Chander

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Название Die Drachenprinzessin, Band 2
Автор произведения Ambros Chander
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737568746



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»Was könnte er schon ausrichten?«, sagte sie mehr zu sich selbst. »Aber sei's drum, mein Plan geht auf. Also zieht euch zurück!« Ihr Abbild verblasste und der Nebel löste sich auf.

      »Ihr habt es gehört«, sagte Maendier an die Orluks gewandt und ein wütendes Gebrüll erhob sich, denn sie fühlten sich um ihren Kampf betrogen. Maendier wusste, dass er gegen die Übermacht der Orluks nichts ausrichten könnte, sollten sie sich gegen ihn wenden. Daher nickte er dem Orluk neben Kegans Pferd leicht zu. Es war nur eine leichte Kopfbewegung, doch Kegan hatte sie bemerkt. Er ahnte, was sie zu bedeuten hatte und was ihm bevorstehen würde, wenn er nicht ganz schnell eine Entscheidung träfe. Also riss er die Zügel herum und wendete sein Pferd so hart, dass es zuerst stieg und dann im gestreckten Galopp davonpreschte. Nun erhob sich Gebrüll unter den Orluks und Bewegung kam in die Menge, als sie ihm nachsetzten. Kegan trieb sein Pferd immer stärker an, doch sein zuerst gewonnener Vorsprung schwand schnell.

      Ein Brüllen ließ die Erde erbeben, als Madwegdaw sein Maul weit aufriss. Der Drache breitete seine Schwingen aus und schwang sich in die Lüfte. Wütend spie er Feuer, als er über die wilde Horde hinwegflog. Die ersten Orluks hatten den Jungen schon erreicht. Einer von ihnen brachte sein Pferd zu Fall. Er stürzte sich darauf und verbiss sich voller Mordlust in dessen Flanke. Kegan fiel aus dem Sattel und rollte einige Meter über den Boden. Er versuchte sich aufzurappeln, doch er ging immer wieder in die Knie. Mehrere Orluks scharten sich um das Pferd und rissen das arme Tier nun brüllend in Stücke. Ein anderer setze gerade zum Sprung auf den Jungen an. Doch ein Feuerstrahl aus Madwegdaws Rachen löschte die Kreatur auf der Stelle aus. Kegan warf einen Blick über die Schulter, während er auf allen Vieren zu entkommen versuchte. Er sah die brennende Gestalt, die nun reglos am Boden lag. Er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte. Denn durch Madwegdaws Feueratem zu sterben, war keine wirkliche Alternative. Doch er hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn schon packten ihn die riesigen Pranken des Drachen und er wurde in die Luft gehoben. Er war so starr vor Angst, dass er noch nicht einmal mehr schreien konnte.

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      Iain stand auf den Zinnen und beobachtete die Szenerie durch das Fernrohr seiner Mutter. Was für ein furchtbares Schicksal, dachte er, als er sah, wie ein einzelner Reiter aus Morlas Armee ausbrach und die Horde ihm brüllend nachsetzte. Er erkannte den Jungen, der ihm Morlas Botschaft überbracht hatte, und empfand tiefes Mitgefühl für ihn. Insbesondere, da nun Madwegdaw in den Kampf eingriff, was das Schicksal des Jungen besiegeln würde. Als der Drache einen Orluk niederstreckte und den Jungen packte, war für Iain klar, dass Madwegdaw ihn als Beute für sich beanspruchte.

      Er wollte den Blick abwenden, wollte den Tod des Jungen nicht mit ansehen. Doch etwas an Madwegdaws Verhalten war merkwürdig und ließ ihn stutzig werden. Wenn er den Jungen für sich als Beute beanspruchte, warum hatte er ihn dann nicht mit dem Maul statt mit den Pranken gepackt? Er hätte ihn mit einem Mal verschlingen können, doch das hatte er nicht getan. Auch flog er nun auf Wolffshall zu. Die Sehnen der Bogenschützen auf den Zinnen spannten sich schon, um einem Angriff des Drachens entgegenzutreten.

      Durch das Fernrohr sah Iain Madwegdaws gequälten Blick. »Nicht schießen!«, rief er. Doch zu spät. Als der Drache tiefer kam, ließen die Bogenschützen ihre Sehnen los und die Pfeile flogen surrend in den Nachthimmel hinauf. Am Rumpf des Drachens prallten sie ab, wie Spielzeuge, doch sie durchbohrten die dünne Haut seiner Flügel. Auch seine einzige ungeschützte Stelle wurde von einem Pfeil getroffen. Eine Stelle in seinem Nacken wurde nicht wie der Rest seines Körpers von Panzerplatten bedeckt. Er hatte sie seinen Angreifern präsentiert, als er rücklings an den Zinnen vorbeiflog und nun ragte dort ein Pfeil hervor. Madwegdaw stürzte rücklings zu Boden. Im freien Fall legte er seine Flügel schützend um den Körper des Jungen, bis er schließlich mit einem lauten Krachen auf dem Boden aufschlug und eine tiefe Furche in die Erde zog. Wie gebannt starrten alle auf den Drachen, der wie ein riesiger Berg vor den Mauern von Wolffshall lag. Ein Berg, der sich rhythmisch bewegte. Auf und ab. Auf und ab.

      Auch Iain starrte für eine Weile regungslos hinab, bis er sich endlich wieder gefasst hatte. Er warf seiner Mutter das Fernrohr zu, noch während er die Treppen hinunterrannte, in der Hoffnung Madwegdaw retten zu können. Marcellus vielleicht…, dachte er.

      Doch als er bei dem Drachen angekommen war und in seine trüben Augen blickte, wusste er, dass es zu spät war. Noch atmete er, doch mit jedem schwachem Atemzug entwich ihm ein Pfeifen. Iain wusste, es würde nicht mehr lange dauern, bis dieses mächtige Wesen seinen letzten Atemzug tun würde.

      Iains Eiswolff war ihm gefolgt und stand nun neben ihm. Auch er betrachtete Madwegdaw. Seinen Freund! Seinen Bruder! Sie beide waren verschieden und dennoch von der gleichen Art, magische Geschöpfe, zum Schutz der Menschen auf dieser Welt. Doch wer beschützte sie?

      Andächtig ging Edan ganz nah an Madwegdaw heran und berührte mit seiner Schnauze ganz sanft die des Drachen. Noch einmal blinzelte Madwegdaw, bevor das Licht in seinen Augen endgültig erlosch und Edans Geheul die Nacht erfüllte.

      Iain starrte auf den Koloss, der vor ihm lag. Er konnte es nicht glauben. Doch was war das? Einer der Flügel des Drachen bewegte sich. Nur ganz leicht zuerst, dann immer mehr. Hoffnung stieg in Iain auf. Sollte Madwegdaw doch noch am Leben sein? Es wäre ein Wunder, aber schon oft geschah Unerwartetes.

      Der Flügel hob sich leicht vom Boden ab und Kegan kam darunter hervorgekrochen. Er schien etwas benommen, aber unverletzt. Iain starrte ihn ungläubig an. Madwegdaw hatte dem Jungen das Leben gerettet. Derselbe Drache, der all die Jahre Zerstörung über das Land gebracht hatte. Doch auch wenn er viel Leid verursacht hatte, so wusste doch jeder, dass Madwegdaw nicht aus eigenem Antrieb so handelte. So schmerzte es Iain sehr, dass es nun so enden musste. Auch Edan trauerte um Madwegdaw, denn er war sein Bruder und auch seine Taten änderten nichts daran.

      Kegan rappelte sich langsam auf. Seine anfängliche Benommenheit wich nun blankem Entsetzen, als er in Iains Gesicht blickte. »Bitte schickt mich nicht zurück«, flehte er. »Wenn ihr mich zurückschickt, werden sie mich töten.« Er sah Iain an, dessen Gesicht keine Regung zeigte. Es herrschte absolute Stille und als Iain sich umwandte, dachte Kegan, dass er ihn einfach seinem Schicksal überlassen würde. »Komm«, sagte Iain im Gehen.

      Das ließ sich Kegan nicht zweimal sagen. Er beeilte sich, dem König von Lucglénnos zu folgen. Am Tor angekommen, warf dieser einen Blick zurück über die Schulter. Auch Edan, der noch immer bei Madwegdaw saß, wendete den Blick Iain zu. Ein letztes Mal berührte er die Schnauze des Drachen mit der seinen. Zum Abschied. Dann lief er auf die Burg und das Tor zu, wo Iain auf ihn wartete, während Kegan bereits hineingegangen war.

      Edan blieb neben Iain stehen. Sanft berührte der Eiswolff die Hand seines Freundes und sah zu ihm auf. Sein Blick war so traurig. Beide gingen stumm hinein und das Tor wurde hinter ihnen geschlossen.

      Im selben Augenblick wurde das Feld vor der Burg in gleißendes Licht getaucht. Drei Elfen erschienen. Einer von ihnen stach mit seinem langen schlohweißen Haar besonders heraus. Vásíphel Deldúwath! Jeder kannte ihn und auch die anderen beiden Elfen waren den Menschen bekannt. Fornósûl Beor war ein Elf, der nicht besonders gut auf die Menschen zu sprechen war, auch das wusste jeder. Doch Calolorn Vanyar bildete als Dritte im Bunde das perfekte Gegenstück dazu. Sie war eine feinfühlige und besonnene Elfenfrau, wohingegen Fornósûl aufbrausend und unbeherrscht war. Vásíphel einte beider Gegensätze durch seine Weisheit. Zusammen bildeten sie den Elfenrat, der über wichtige Belange der Elfen, aber auch die anderer magischer Wesen beriet, Entscheidungen fällte und diese umsetzte. So wie jetzt. Die Elfen positionierten sich im Kreis um Madwegdaw.

      Wie gebannt beobachteten die Bewohner von Wolffshall von den Zinnen aus das Ritual, das nun vollzogen wurde. Auch Iain hatte sich inzwischen dort eingefunden und blickte gespannt hinab.

      Worte der Elfensprache durchbrachen die seit Madwegdaws Tod herrschende Stille, als die drei nun ein Klagelied anstimmten. Heute war ein schwarzer Tag, der schwärzeste seit Morlas Herrschaft. Noch nie hatten die Elfen den gewaltsamen Tod eines magischen Geschöpfs beklagen müssen. Und noch nie hatte eines von ihnen diesen selbst gewählt. Es wurde Zeit, dass sich das Blatt wendete, und Vásíphel wusste, was er als nächstes zu tun hatte.