Die Drachenprinzessin, Band 2. Ambros Chander

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Название Die Drachenprinzessin, Band 2
Автор произведения Ambros Chander
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737568746



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verklang und Madwegdaw erhob sich ein letztes Mal in die Luft. Sein Körper schwebte zwischen den Elfen in leuchtend grünes Licht getaucht. Schlaff hingen seine sonst so starken Pranken und seine riesigen Flügel herab. Ein letztes Wort erklang.

      Eden!1

      Nebel hüllte das Schauspiel und seine Beteiligten ein. Noch immer waren die Augen der Menschen auf die Szene gerichtet, die sich vor den Mauern ihrer Burg abspielte. Sie versuchten den Nebel mit ihren Blicken zu durchdringen, doch sie sahen nichts. Nichts als das leuchtend grüne Licht. Als es verblasste und sich der Nebel langsam lichtete, war das Feld leer. Die Elfen waren verschwunden, ebenso Madwegdaw. Nur die tiefe Furche, die der Drache bei seinem Absturz in die Erde gezogen hatte, zeugte davon, dass sie je da gewesen waren.

      Wer sonst?

      In der großen Ahnenhalle saßen sie alle zusammen. Salérimä Aanon, der Elfenrat und Nálani. Selbst die Trolle und die Zwerge hatten einen der ihren abgesandt, um an dieser Versammlung teilzunehmen. Die Geschehnisse um Madwegdaw erforderten, dass sie handelten, mehr denn je. »Sie wird die richtige Entscheidung treffen!«, versuchte Vásíphel den Versammelten zu versichern. »Das kannst du nicht mit Bestimmtheit sagen«, ergriff nun Nálani das Wort. »Sie ist nicht hier. Wo ist sie denn, wenn sie doch so genau weiß, was auf dem Spiel steht?«

      Die anderen nickten zustimmend. »Die Vermählung meines Sohnes Iain mit Morlas Tochter Gale ist die einzige Möglichkeit, um dem Land, den Menschen und allen Geschöpfen, die darin leben, endlich Frieden zu bringen«, fuhr sie fort. »Die einzige sichere Möglichkeit.« »Also willst du deinen Sohn Morla ausliefern?«, fragte Salérimä ungläubig. »Denn genau das wird es sein!« »Von wollen kann keine Rede sein«, antwortete Nálani. »Außerdem hat er die Entscheidung getroffen und sie ist ihm schwer genug gefallen. Ich werde nicht zulassen, dass ihr ihm falsche Hoffnungen macht!« Nálani hatte sich von ihrem Platz erhoben und ihr Ton war schärfer gewesen, als beabsichtigt. Sie atmete tief durch, um sich wieder zu beruhigen. »Es tut mir leid, aber die Entscheidung ist gefallen.« Mit diesen Worten verließ sie den Raum. Auch die anderen Versammlungsteilnehmer erhoben sich und wanden sich zum Gehen. Zurück blieben die Königin und der Elfenrat.

      Vásíphel konnte es Nálani nicht verdenken. Er selbst war sich gar nicht so sicher, welche Entscheidung Aemiliana am Ende tatsächlich treffen würde. Er wusste noch nicht einmal, wo genau sie jetzt war. Fornósûl und Calolorn entschwanden in Nebelschwaden, während Salérimä auf ihren Bruder zuging und ihm die Hand auf die Schulter legte. Sie sagte nichts. Keine Worte hätten Vásíphel die Last nehmen können, die er trug. Auch Salérimä verließ den Raum und er blieb allein zurück. Er setzte sich am Fuß des Thrones nieder, auf dem eigentlich er hätte sitzen sollen. Er dachte darüber nach, ob er seine Entscheidung von damals bereute. Ob er sich wünschte, er hätte eine andere getroffen. Wie so oft schon in all den Jahren, die seither vergangen waren. Und wieder einmal stellte er fest, dass er froh war, nicht auf diesem Thron zu sitzen. Er fühlte sich dem nicht gewachsen. Immer noch nicht. Mit Andreana an seiner Seite hätte er es wohl geschafft. Doch ohne sie, ohne ihre Liebe, die ihn gestärkt und geleitet hätte, wäre er kein guter König gewesen.

      Vásíphel erhob sich und ging hinaus. Er lief durch die Wälder von Laeg Eryn. Sein Ziel war das Ufer der Elfeninsel. Er hätte die Distanz mit Magie überwinden können, doch er wollte den Weg auf ganz normale, menschliche Art zurücklegen. Den Blick schweifen lassen, seine Welt in sich aufnehmen in all ihren Einzelheiten. Doch was er sah, machte ihn traurig. Die Veränderung, das langsame Sterben war so spürbar wie nie, selbst hier. Am Ufer angekommen, setzte er sich auf den Platz, an dem er immer saß. Ein Stein, den die Sonne erwärmte. Früher hatte er an einem anderen Ort gestanden, in Dracobéria an einem Fluss. Auf ihm hatte er damals mit Andreana gesessen und ihre Herzen hatten zueinandergefunden. Die Erinnerung daran war noch immer so präsent wie eh und je. Wie er ihre Hand hielt, während sie ihren Kopf an seine Schulter legte. Wie sie kein Wort sprachen und sich doch verstanden. Und wie er ihr mit einem kleinen bisschen Magie ein Lächeln ins Gesicht zauberte, als er das herzförmige Blatt einer Birke in einen kleinen, zarten Schmetterling verwandelte. Ein Lächeln, so bezaubernd, und er würde es nie wieder sehen. Nach Andreanas Tod hatte er sich diesen Platz erschaffen. Er hatte den Ort nachgebildet, an dem sie sich immer getroffen hatten. So hatte er das Gefühl, sie wäre noch immer bei ihm.

      Sein Herz schmerzte unglaublich, als er auf den See Lim Hen hinausstarrte, der die Insel umgab. So oft war er hierher gekommen, hatte an Andreana gedacht und sich seinem Schmerz und seiner Einsamkeit hingegeben.

      Doch dieses Mal war er nicht allein. Ein Drache lag im seichten Wasser. Seine Schuppen schimmerten wie Feuer und sein Blick war starr, aber er atmete. Die Elfen hatten ihm ein neues Leben geschenkt. Ein Geschenk für das Opfer, welches er gebracht hatte, bereit gewesen war, zu bringen. Er hatte sein Leben gegeben, damit das sinnlose Töten endlich ein Ende nähme.

      Alle glaubten, seine Entscheidung sei voller Edelmut und völlig selbstlos gewesen. Doch der Drache selbst fühlte sich elend, denn er hatte Verrat geübt. Vielleicht hatte er dadurch viele Leben gerettet, aber seinen Freund König Natháir hatte er im Stich gelassen. Durch seinen, wenn auch nur vorübergehenden Tod war das Band getrennt worden, doch seine Freundschaft zu ihm verblasste nicht. Aber er wusste nicht, was Morla tun würde. Ohne die Verbindung zu seinem Drachen war der König nutzlos für sie. Vielleicht hatte er mit seiner Entscheidung das Schicksal seines Freundes besiegelt.

      Vásíphel ging zu dem Drachen hinüber und setzte sich vor ihn ans Ufer. Er sagte nichts, denn er sah Madwegdaws Schmerz. Dieser war ganz deutlich an der Färbung seiner Schuppen zu erkennen. Sie pulsierten in allen Nuancen des Feuers und schienen tatsächlich zu brennen, denn große Hitze ging von dem massigen Körper aus. Der Schmerz hatte sein inneres Feuer entzündet, welches er sonst nur in äußerster Not einsetzte. Es brannte mit einer solchen Intensität, dass selbst das kühle Wasser des Sees es kaum mildern konnte.

      Auch Magie hätte Madwegdaw nicht helfen können. Käme er in die Nähe von Bäumen oder Häusern, würde er alles sofort in Flammen setzen. Deshalb lag er hier im Wasser, um keinen Schaden anzurichten. Die Elfen hatten ihm das Leben geschenkt, doch ein wirkliches Leben war das nicht. Er hatte sterben wollen, als er auf die Burg zugeflogen war, denn er ertrug den Schmerz einfach nicht mehr.

      Vásíphel spürte ihn, bevor er ihn sah. Faennarthan landete neben Madwegdaw und legte den Kadaver eines Rehs vor ihm ab, doch der Drache rührte ihn nicht an. Vorsichtig schob Faennarthan das Reh näher an Madwegdaws Maul heran. Auch der Blick des weißgoldenen Drachen war von Trauer durchzogen. Sie waren Brüder und der Schmerz, den Madwegdaw nun fühlte, war bis vor kurzem noch sein eigener gewesen. Da erst bemerkte Vásíphel sie. Aemiliana saß auf dem Rücken ihres Drachen. Mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte sie nie etwas anderes getan. Ihr Blick war auf Madwegdaw gerichtet. Es lag mehr Mitgefühl darin, als Vásíphel je gesehen hatte. Langsam ließ sie sich vom Rücken ihres Drachen gleiten, der sich so flach auf den Boden gelegt hatte, wie es ging. Sie näherte sich Madwegdaw, der ursprünglich der Drache ihrer Mutter gewesen war. Doch als Andreana starb, hatten die Elfen das Band erneuert. Es musste immer mindestens einen Drachen in Dracobéria geben und da Aemiliana noch zu jung war, um die Verbindung mit ihrem Drachen zu vollziehen, hatte Natháir dieses Geschenk erhalten. So etwas kam nur sehr selten vor und brachte meist auch nichts Gutes, was man an der Geschichte von Madwegdaw ganz deutlich sehen konnte. Denn die Kinder aus dem Königshaus von Dracobéria waren stärker als die anderer Häuser von Laingladhdôr. So war auch nur der Bund zwischen ihnen und einem Drachen absolut rein. So rein, dass er selbst durch dunkle Magie nicht vergiftet werden konnte.

      Madwegdaw wendete den Kopf ab, als er Aemiliana sah. Er erkannte sie und wusste sofort, wer sie war. Um so mehr erfasste ihn Scham darüber, ihren Vater, seinen Freund, im Stich gelassen zu haben und seine Schuppen flammten noch stärker auf. Doch Aemiliana ließ sich davon nicht beeindrucken. Sie ging um den Kopf des Drachen herum, bis sie wieder in seinem Blickfeld stand.

      Nun sah er sie traurig an, hielt ihrem Blick aber stand. Aemiliana ging weiter auf ihn zu, bis sie nur noch wenige Zentimeter voneinander trennten. Sie streckte die Hand nach Madwegdaw aus.

      Vásíphel stand da und beobachtete sie. Stolz erfüllte ihn, als Aemiliana