Название | Virus |
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Автор произведения | Kristian Isringhaus |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738086386 |
„Hallo.”
„Hi Bobby, hier ist Debbie.”
„Debbie! Ich wusste, du würdest mich schnell vermissen.” Freudige Erregung schwang in Bobbys Stimme mit. „Wie geht es dir? Wie ist der Gipfel? Hat der Professor seinen Vortrag schon gehalten?”
„Der Professor ist tot, Bobby”, sagte Debbie mit leicht zitternder Stimme. Es war das erste Mal, dass sie es selbst ausgesprochen hatte und es verlieh der Sache eine seltsame Endgültigkeit, die ob der Umstände des Todes eigentlich sowieso gegeben war. Aber als die Worte Debbies Lippen verließen überkam sie urplötzlich ein unkontrollierter Weinkrampf. Die ganze Anspannung der letzten Stunden entlud sich.
Es dauerte fünf Minuten, bis sie sich soweit beruhigt hatte, dass sie wieder sprechen konnte. Sie bekam fast sogar ein wenig Mitleid mit Bobby, denn sie merkte, wie unsicher ihn ihr Heulen machte. Die ganzen fünf Minuten lang hatte er gestammelte Versuche unternommen, sie zu beruhigen. Der Umgang mit herzzerreißend heulenden Frauen gehörte wahrscheinlich nicht zur Grundausbildung eines Soldaten der U.S. Navy.
Immer noch gelegentlich schluchzend berichtete sie ihm von den schrecklichen Ereignissen des Nachmittags. Von dem Ton, dem Blitz und der Schrift, von dem Leichenschauschein und dem angenommenen natürlichen Tod, von dem arbeitsscheuen Kommissar und dem nervigen Pfarrer.
Als sie fertig war, herrschte für einige Sekunden Stille. Debbie hatte ihre Geschichte erzählt und für den Moment nicht mehr zu sagen. Bobby hingegen musste das Gesagte offenbar kurz sacken lassen, die Flut an Informationen verarbeiten, bevor er etwas dazu beitragen konnte.
„Du meinst also, es war eine Inszenierung?” fragte er schließlich.
„So wirkte es. Als wolle jemand etwas aussagen.” Debbie klang jetzt wieder sicherer, gefasster. Es tat gut, Bobbys vertraute Stimme zu hören. Sie verlieh ihr das Gefühl, nicht mehr völlig allein zu sein.
„Was, sagst du, stand da? A87?” fragte er nach.
„Ja. A87. Es war eine Botschaft – ganz eindeutig. Ich verstehe sie nur nicht. Was will der Mörder uns sagen?”
„Keine Ahnung. Meinst du A87 wie der ICD Code?”
„Ja. Virusmeningitis. Das ist mehr oder weniger seine Botschaft. Aber was für eine Scheißbotschaft ist das? Weißt du zufällig, ob der Professor mal über Virusmeningitis geforscht hat?”
Bobby überlegte kurz. „Keine Ahnung. Aber das kann ich herausfinden.”
„Aber selbst wenn. Würde es dann einen Sinn machen?”
Diesmal dachte Bobby länger nach und begann dann zögernd. „Vielleicht soll es auf einen bestimmten Zeitraum verweisen. Vielleicht hat der Professor in einem bestimmten Jahr über Virusmeningitis geforscht”, sagte er schließlich.
„Okay, das könnte sein. Aber was soll der Verweis auf ein Jahr oder einen Zeitraum?”
„Das kommt ganz darauf an, aus welchen Motiven der Mörder handelt. Du sagst, er will eine Aussage treffen. Dann ist doch mit Sicherheit auch der Rahmen, den er sich ausgesucht hat, nicht zufällig.”
„Der G8-Gipfel”, sagte Debbie nachdenklich. Noch immer lag sie auf ihrem Bett und starrte in die inzwischen fast vollständige Dunkelheit des Raums. Langsam schlich sich bei ihr das Gefühl ein, sie gingen in eine viel versprechende Richtung. „Du meinst, es ist ein Globalisierungsgegner?”
„Nur mal angenommen, es ist ein Globalisierungsgegner und er will mit großem Effekt zeigen, dass er die G8 hasst”, antwortete Bobby. „Also inszeniert er diesen schrecklichen Mord und verweist durch einen Schriftzug auf das Jahr, in dem die G8 gegründet wurde. Nur mal so in die Tüte gesprochen.”
„Die G8 wurde 1975 gegründet, das habe ich hier gelesen. Da hat der Professor selbst noch studiert.” Ein Hauch von Enttäuschung schwang in Debbies Stimme mit. Sie hatte das Gefühl gehabt, eine durchaus vielversprechende Theorie zu entwickeln, und die frühe Sackgasse raubte ihr den Mut.
„Hm. War ja nur eine Idee”, sagte Bobby nachdenklich.
„Obwohl – mir fällt gerade ein, dass die G8 ‘75 nur als G6 gegründet wurde. Kanada kam erst ein Jahr später hinzu und Russland sogar erst 1998”, sagte Debbie mit frischem Elan, nur um dann mit erneuter Enttäuschung hinzuzufügen: „Aber da kannte ich den Professor schon und er hat nicht über Virusmeningitis geforscht.”
„Die Gründung der G8 war ja auch nur so dahingesagt”, versuchte Bobby sie zu ermutigen. „Vielleicht geht es um was ganz anderes. Ich werde einfach herausfinden, ob der Professor jemals in diesem Gebiet gearbeitet hat. Wenn ja, dann wissen wir, in welchem Zeitraum das war, und können gezielt herausfinden, was in der Welt damals alles passiert ist. Dann werden wir sehen, ob irgendetwas einen Sinn ergibt.”
Doch Debbie kam das alles plötzlich viel zu kryptisch vor. Sie war schnell auf Bobbys Idee eingegangen, weil es die erste gewesen war, die Sinn machte, doch inzwischen erschien ihr das alles sehr kompliziert und konstruiert.
„Und warum hat der Mörder dann nicht einfach das Jahr an die Wand gebrannt? Warum dann dieser kryptische Code?” fragte sie.
„Vielleicht spielt er gerne Spielchen. Ein Epidemiologe und dann ein Code, der auf ein Virus hindeutet. Vielleicht seine Auffassung von Humor. Ich weiß es nicht. Aber wir kommen jetzt sowieso nicht weiter. Lass mich erst herausfinden, worüber Wang alles geforscht hat.”
„Okay. Ich hatte aber noch eine andere Idee”, begann Debbie aufs Neue. „Ich weiß nicht genau, wie ich es beschreiben soll. Aber was, wenn das Wort uns etwas sagen soll?”
„Virusmeningitis?” Bobby klang wenig überzeugt.
„Ja. Oder Hirnhautentzündung. Nur mal angenommen, der Mörder hat die Virushirnhautentzündung gewählt, weil der Professor nun mal über Viren geforscht hat. Seine Art von Humor, um es mit deinen Worten zu sagen. Er hätte auch eine bakterielle Meningitis nehmen können. Aber das wäre nicht so lustig gewesen.”
„Dann wäre der Code irgendwas mit G gewesen. Ich glaube G00.”
„Keine Ahnung. Ich kenne mich nur mit den Viren aus”, tat Debbie Bobbys Einschub ab. „Ist ja auch egal. Aber angenommen der Mörder will eine Hirnhautentzündung beschreiben. Er hat die Auswahl zwischen einer viralen und einer bakteriellen. Zwischen G00 und A87. Welche nimmt er wohl, wenn das Mordopfer sich mit Viren beschäftigt?”
„Die virale natürlich”, Bobby begann, Debbie zu folgen.
„Genau. Das erklärt das Wort ‚Virus’ in ‚Virushirnhautentzündung’. Also bleibt ‚Hirnhautentzündung’. Was also will uns der Mörder damit sagen? Speziell auf einem G8-Gipfel, um diese Idee nochmal aufzugreifen.”
Bobby dachte laut nach, ein wirrer Strom von Gedanken. „Globalisierung. Ein Hirn hat eine kugelähnliche Form. Wie der Globus. Bezeichnet er die G8 als das Hirn der Welt, weil sie meint, für die Welt denken zu können? Was ist Haut? Haut ist die äußerste Schicht. Die Erdoberfläche? Ist sie entzündet? Vielleicht ein Umweltschützer?”
„Du wirst lachen”, sagte Debbie. „Das ist genau das, was ich gedacht habe.”
„Nach Lachen ist mir ehrlich gesagt nicht zumute.”
„Aber hältst du es für möglich, dass der Mörder ein Umweltschützer ist?” hakte Debbie nach. „Dann würde es auch passen, dass er als Mordinstrument eine Naturgewalt nutzt.”
Bobby klang wenig überzeugt. „Ich habe das eben ehrlich gesagt nicht ganz ernst gemeint”, sagte er. „Es waren nur wilde Assoziationen. Wenn es wirklich so wäre, dann hätte ich die gleiche Frage, die du mir eben gestellt hast: Warum so kryptisch. Warum brennt er nicht das Greenpeace-Emblem an die Wand oder einen Baum oder sowas? Warum der Code?”
„Keine Ahnung”, Debbie war müde und ihr Fortschritt nur allzu überschaubar.