Wahre Kriminalfälle und Skandale. Walter Brendel

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Название Wahre Kriminalfälle und Skandale
Автор произведения Walter Brendel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754936580



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der dritte nicht, sondern eine Frage des Wissens.

      Jeder Schriftsachverständige sieht sofort, dass die "Varianz" innerhalb der Tagebücher (das ist die Unterschiedlichkeit des Schriftbildes, die sich im Laufe des Lebens beim selben Schreiber ergibt, im Gegensatz zur Unterschiedlichkeit, die durch verschiedene Urheber hervorgerufen wird), d.h. zwischen den einzelnen Bänden, so groß, die altersbedingte "Entwicklung" der Schrift so ausgeprägt ist, dass sie ein einzelner Fälscher in einem so kurzen Zeitraum wie Kujau ihn "gestanden" hat, unmöglich geschaffen haben kann. Das ist einfach so, und schon das allein wischt alle schönen Thesen à la Kujau als Einzeltäter zwingend vom Tisch. [Kujau hat auch in anderen Punkten nachweislich gelogen: Er hat behauptet, das fehlende Fraktur-"A" durch ein "F" ersetzt zu haben - das, wie wir gesehen haben, durchaus ein "A" war -; er hat ferner behauptet, er habe alte DDR-Schulkladden benutzt – in Wirklichkeit handelte es sich unstreitig um Papier, das vor Gründung der DDR hergestellt wurde; und last not least hat er behauptet, er habe die Tagebücher nicht bei Domarus abgeschrieben, sondern aus dem Wehrmachtsbericht - das ist völliger Blödsinn. All das beweist, dass sein Geständnis falsch war - aber welcher Staatsanwalt und welcher Richter würde sich schon die Arbeit machen, ein falsches Geständnis in Frage zu stellen, zumal wenn ein solches Hinterfragen politisch unerwünscht ist und er noch befördert werden will?]

      Wenn die Tagebücher eine Fälschung sind - und davon geht die herrschende Meinung ja bis heute aus -, dann muss es sich um eine über Jahre hinweg angelegte geniale Arbeit handeln, die ein einzelner niemals hätte leisten könnten. Wieder stellt sich die Frage: Warum wird das der Öffentlichkeit verschwiegen? Warum werden die Tagebücher bis heute unter Verschluss gehalten (wenn sie nicht schon heimlich vernichtet worden sind)? Will man etwa verhindern, dass der wahre Urheber ermittelt wird? Warum gilt allein das Ansinnen, einen Blick auf ihr Inneres zu werfen, bis heute als "Gedanken-Verbrechen"? Sollten (und sollen) die wahren Hintermänner gedeckt werden? Wo sitzen bzw. saßen sie? Bei der Stasi, die ja auch die Akte Lübke gefälscht hatte? (Aber spricht nicht gerade der Umstand, dass diese Fälschung nach dem Ende der DDR heraus kam, dagegen? Hätte dann nicht auch die Kujau-Fälschung heraus kommen müssen?) Oder beim KGB? Wer als die Sowjets hätte ein größeres Interesse daran haben können, zu beweisen, dass z.B. der England-Flug des (1983 noch in Spandau einsitzenden) Rudolf Heß 1941 mit Hitlers Billigung erfolgte, dass dieser mit Hilfe britischer Oppositioneller England zum Bündnis gegen Stalin bewegen wollte? War das nicht die Grundlage für Heß' Verurteilung wegen "Vorbereitung eines Angriffskriegs" in Nürnberg gewesen, und schien das diese Verurteilung (und seine als "Selbstmord" getarnte Ermordung ein paar Jahre später) nicht im Nachhinein zu rechtfertigen? Und war das der Grund, weshalb für den Westen - der ja geschlossen die gegenteilige Ansicht vertritt - der Inhalt der "Hitler-Tagebücher" falsch sein musste und Kujau ihr (alleiniger) Verfasser?

      Kujau - der sicher nicht der historischen Wahrheit, sondern allein seinem Nutzen verpflichtet war - hat sein Geheimnis anno 2000 mit ins Grab genommen, und so werden wir es vielleicht nie erfahren. Das ist der eigentliche Skandal und die eigentlich Blamage um die "Hitler-Tagebücher"; und wenn man um diese Hintergründe weiß, dann bleibt einem das Lachen über die gut gemachte Film-Komödie ("Schtonk" wurde ein Riesen-Erfolg, lief erst Monate lang im Kino, dann auch mehrmals auf allen Fernseh-Kanälen) im Halse stecken, und man begreift die (sicher ungewollte) tiefere Bedeutung des Titels - die auch für die meisten anderen der in "Die [un]schöne Welt der Illusionen" vorgestellten Filme uneingeschränkt gilt: Kotze Schtonk!

      ***

      Nachtrag von 2002. Die Merkwürdigkeiten in diesem Fall wollen nicht abreißen. Rund zwei Jahrzehnte später, pünktlich zu Führers 113. Geburtstag, meldete sich aus London Gitta Sereny zu Wort, eine verbitterte alte Ungarin mosaïschen Glaubens, Todfeindin des in "Schtonk" so peinlichst verschwiegenen David Irving, und tischte ihre Version der Geschichte auf, an der sie angeblich Jahre lang recherchiert hatte:

      Nicht "der kriminelle Clown Konrad Kujau" habe den Betrug eingefädelt - der sei lediglich ausführendes Organ gewesen -, sondern ein geheimnisvoller "Mr. X" (der auch die alten Kladden besorgt haben soll - inzwischen stand ja fest, dass das Papier entgegen zunächst verbreiteter Gerüchte nicht erst nach, sondern schon vor 1945 produziert wurde); und "der naive Gerd Heidemann" sei kein Täter, sondern selber Opfer gewesen. So weit so gut. Aber wenn man weiter liest, wird das ganze doch ziemlich abenteuerlich: Hitler soll doch Tagebuch geschrieben haben, jede Nacht, stundenlang, bis vier oder fünf Uhr morgens. Dieses Tagebuch habe "Mr. X" in sechs Teile geteilt und von Kujau noch etwas "aufpeppen", neu einbinden und versiegeln lassen, um den Fund etwas zu strecken.

      Kujau sei dann auf den Geschmack gekommen und habe noch 62 weitere Bände auf eigene Faust (und Rechnung) hinzu geschrieben. Der weder bei Kujau noch bei Heidemann aufgefundene Teil des STERN-Honorars sei wohl bei "Mr. X" gelandet, der wiederum Kontakt zu Martin Bormann gehabt habe; der und seine Hintermänner lachten sich jetzt ins Fäustchen. Schuld daran sei nicht zuletzt der Film "Schtonk", der die Leute auf eine falsche Fährte gelenkt habe. So so. Ganze zwei Wochen blieb dieser Aufsatz im Internet, dann verschwand er wieder.

      Aber damit nicht genug, tauchte bald darauf eine neue Webseite auf, ein "Interview" mit Gitta Sereny, in dem sie das große Geheimnis um "Mr. X" lüftete: Er hatte sichwie die Hitler-Tagebücher vervielfacht, zu einem Quartett "alter Nazis", allen voran General a.D. Wilhelm Mohnke ("aus einer alten Offiziers-Familie, er war ein Herr" [selbst das war schlampig recherchiert: Mohnkes Vater war Kunsttischler, und er selber war nicht General a.D., sondern SS-Brigadeführer a.D.] und SS-Mann a.D. Klapper ("er war ein Schuft"); die Namen der beiden anderen hat auch sie nicht heraus gefunden. Diese vier, so Sereny, wollten ursprünglich gar kein Geschäft mit den Hitler-Tagebüchern machen, sondern nur beweisen, dass Hitler doch eigentlich ein netter Mensch war, der gar keinen Krieg wollte und vom "Holocaust" nichts wusste. Wenn das tatsächlich der Inhalt der Hitler-Tagebücher ist - mit oder ohne Ausschmückungen Kujaus und seiner Hintermänner -, dann ist es durchaus verständlich, wenn die amtlichen Gutmenschen nicht wollen, dass das an die Öffentlichkeit gelangt. Dabei dürfte zumindest der erste Punkt längst kein Geheimnis mehr sein: Hitler wollte wirklich keinen neuen Weltkrieg - er glaubte, seine außenpolitischen Erfolge allein mit Bluff und Erpressung erringen zu können und war ganz niedergeschlagen (oder, wie man heute auf Neu-Deutsch sagt: "down" :-) als ihm Frankreich und vor allem sein geliebtes England dann doch den Krieg erklärten, auf den Deutschland nicht annähernd hinreichend vorbereitet war (aber das ist eine andere Geschichte). Er hatte doch nur mal kurz der von den Polen verfolgten volksdeutschen Minderheit zu Hilfe eilen wollen!

      Und der zweite Punkt? Sereny hat ihr jüngstes Buch "Das deutsche Trauma" genannt. Es ist wohl eher ein jüdisches Trauma - die Angst, eines Tages feststellen zu müssen, dass Hitler persönlich vielleicht weniger zum "Holocaust" beigetragen hat als andere, die man versäumt hat, rechtzeitig zu Buhmännern aufzubauen. Es fällt auf, dass in Serenys ersterem, so schnell wieder gelöschten Beitrag vom 20. April 2002 noch genau stand, worin denn das bösartige Leugnen von Hitlers Wissen um den "Holocaust" bestand: Auf 12 Seiten (und ausgerechnet die waren dem Bundesarchiv vorgelegt worden!) stand, was der Hitler der Tagebücher sich unter "Endlösung" vorstellte: nicht die Ausrottung der europäischen Juden, sondern "nur" ihre Deportation nach Sibirien. "Eine Möglichkeit, die damals tatsächlich erwogen wurde", kommentierte Sereny - nanu, eine Jüdin als "Holocaust"-Leugnerin? Wurde der Beitrag etwa deshalb so schnell wieder vom Netz genommen? Im "Interview" zweieinhalb Wochen später fehlt jedenfalls jegliche diesbezügliche Bemerkung. Wie dem auch sei, letztlich bleibt es eine Glaubensfrage, ob und wieviel Hitler vom "Holocaust" wusste oder nicht wusste; und wir würde selbst dann nicht alles glauben, wenn er es schwarz oder blau auf weiß in einem oder mehreren nachweislich echten Tagebüchern lesen würde - dafür lügen Tagebuch- und Memoiren-Schreiber erfahrungsgemäß viel zu oft, auch und gerade durch Auslassungen. Auch nach Lektüre der beiden Beiträge von Gitta Sereny bleibt es also dabei: Irgendetwas an dieser Sache stinkt zum Himmel - Kotze Schtonk!

      Und noch ein Nachtrag. Auch die schönsten Märchen müssen einmal enden. Das Märchen von den Initialen "FH" wurde zum letzten Mal im Jahre 2003 erzählt: Im April in einer NDR-Reportage von Volker Präkelt unter dem Titel "Der größte Schwindel aller Zeiten" und einem n-tv-Beitrag von Claus-Peter Tiemann unter dem Titel "Es war einmal vor 20 Jahren" (fürwahr ein passender Titel für ein Märchen! :-).

      Ein