Название | Kreuzfahrt mit Hindernissen |
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Автор произведения | Wolfgang Müller |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738043174 |
«Die Bier schdan vor de Dür, lassd`s eu`schmegge.«
»Dange Rosie, häddescht abä ruhig reingomme gönne!« »Ne lass mo Hodde, da müsst i misch ja ooch auszihe!«
Kloster Herrenfurth in Oberklötenbach bei Kassel
»Meine lieben Brüder«, sagte der mit großer Leibesfülle gesegnete Abt, Bruder Gandolfus.
Die sechs Bewohner des Klosters Herrenfurth hatten soeben ihr Abendessen beendet. Es gab Hähnchenschenkel an frischem Tomatensalat mit Thymian. Der Salat stammte selbstverständlich aus dem kleinen, aber feinen Treibhaus des allgemein bewunderten Gartenfreaks Bruder Eusebius.
»Meine lieben Brüder, ich möchte nochmals auf unsere bevorstehende Reise in die Mission unseres Ordens auf Haiti zu sprechen kommen. Ist das leidige Problem mit der Flugangst unseres Bruders Johannes jetzt endlich vom Tisch?«
»Nein meine Brüder, ich werde auf gar keinen Fall in ein Flugzeug steigen. Das habe ich euch schon letzte Woche gesagt, und dabei bleibe ich auch. Ich leide an Höhenangst, wie ihr wisst.«
Johannes hatte in seinem früheren Leben, also dem vormönchischen, als Maurer gearbeitet. Zwei knackige Polizisten in ihren schmucken Uniformen, auf der gegenüber der Baustelle gelegenen Straßenseite, hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Die Ablenkung begünstigte seinen, durch eine fehlende Gerüstbohle ausgelösten freien Fall, aus einer Höhe von 10 Metern, direkt auf einen soeben frisch aufgeschütteten Sandhaufen. Dass er dadurch nur knapp am Leben in einem Rollstuhl vorbei geschlittert war, brachte ihn dazu, sich unmittelbar nach seiner Genesung, in das nahegelegene Kloster zu begeben. Er hatte es seit dem nicht mehr verlassen und litt fortan unter der eben erwähnten Höhenangst.
»Das war zu befürchten«, antwortete Abt Gandolfus mit resigniertem Gesichtsausdruck. »Deshalb habe ich diese Teufelsmaschine in meinem Büro genutzt und im Internet nach alternativen Reisemöglichkeiten in die Karibik gesucht.«
Gandolfus war nicht gerade als Anhänger des Computerzeitalters bekannt, aber das Internet hatte durchaus auch seine schönen Seiten, die er in stillen Stunden sehr zu würdigen wusste.
»Brüder, ich bin fündig geworden. Wir werden, wie einst Jonas im Bauch des Wals, über das Meer nach Haiti reisen. Natürlich nicht in einem Wal, sondern auf einem großen Schiff. Dort fahren allerdings noch sehr viele andere Menschen mit uns, was die Überfahrt eventuell etwas unbequem gestalten könnte. Aber ich denke, dass wir für unseren lieben Bruder Johannes, der von uns allen sehr geschätzt wird, dieses Opfer bringen werden. Nun, was sagt ihr dazu?«
»Gandolfus, es ehrt mich zutiefst, dass ihr euch wegen mir den Strapazen einer längeren Anreise aussetzen wollt. Ich hoffe, ich kann das irgendwann wieder gutmachen.« »Ich bin sicher, Bruder Johannes, die Gelegenheit wird kommen.«
Zentrum der Friseurinnung Scherheim bei Kammbach
»Meine Damen und Herren, angehende Friseurgesellinnen und Gesellen. Ich habe die Freude, ihnen mitteilen zu können, dass Sie alle den theoretischen Teil der Gesellenprüfung bestanden haben!«
Heidelinde Ramsmeyer, die langjährige Vorsitzende der Friseurinnung Unterfranken, grinste über ihre beiden ausgeprägten Kanzlerinnenwangen. Stolz war sie vor allem auf ihren eigenen Lehrling, den 20-jährigen Antonius Schuster, der die Prüfung jetzt im dritten und letzten Anlauf zu bestehen versuchte. Antonius war in den vergangenen Jahren in ihrem Salon mit vielen Dingen beschäftigt gewesen. Mit dem Erlernen des Friseurhandwerks an sich hatten seine Dienstleistungen allerdings nur am Rande zu tun. Es stand eher die Aufrechterhaltung der Lebensfreude seiner Chefin im Vordergrund. Antonius war Vollwaise und hatte sich damals für die offene Lehrstelle mit Wohnmöglichkeit in Heidelindes Salon beworben. Vom ersten Augenblick an hatte sie einen Narren an ihm gefressen. Ihr Mann Rolf war vor fünf Jahren verstorben und eine Frau wie Heidelinde hatte schließlich auch Bedürfnisse.
Es stellte sich jedoch sehr bald heraus, das Antonius nicht für einen Salon in der tiefsten unterfränkischen Provinz geschaffen war. Seine Frisur-Ideen hätten in Berlin, München oder Frankfurt sicher für Furore gesorgt, aber nachdem er der angehenden Frau des Dorfpolizisten zur Hochzeit einen Sheriffstern auf den vorher kurz rasierten Hinterkopf gefräst hatte, war das Vertrauen in seine Frisierkünste, beim Scherheimer Publikum, etwas angeknackst. Heidelinde beschloss damals, ihn von der wichtigen Kundschaft fernzuhalten. Sie brachte es jedoch nicht übers Herz, ihn zu kündigen. Zu umfassend waren seine Fähigkeiten auf anderen, für sie ebenso wichtigen Gebieten. Nur ab und zu, wenn eine, in ihren Augen eher unbedeutende Kundin, nach einer neuen, außergewöhnlichen Frisur verlangte, rief sie nach Antonius, der die Aufgabe dann immer mit Bravour erledigte. Sie tat das natürlich auch, um ihm eine Freude zu machen und ihn für Dinge zu belohnen, bei deren Angedenken ihr jedes Mal ein wohliger Schauer durch den Körper lief. Auf diese Weise kam Antonius Schuster natürlich wenig mit Kunden und mehr mit Heidelinde in Kontakt. Dementsprechend dürftig waren, mangels Zeit zum abendlichen Studium der Fachliteratur, seine theoretischen Kenntnisse. Abgesehen natürlich von seinen Ideen, die allesamt meist außerhalb jeglicher Vorstellungskraft der Kundinnen lagen, zumindest in Scherheim bei Kammbach.
Nun, nach fast vier Jahren Lehrzeit, war der heutige Prüfungstag Antonius letzte Chance den Abschluss als Friseurgeselle zu erlangen.
Insgeheim hoffte Heidelinde, dass Antonius bei ihr bleiben würde, um bis zu ihrem Lebensende an ihrer Seite zu frisieren. Aber sie war nicht dumm und ihre vielen Spiegel im Salon berichteten stets alle dasselbe. Nämlich die Geschichte mit der schönen Friseuse hinter den sieben Bergen. Mit Wehmut dachte Heidelinde schon jetzt an den Tag der Trennung, wenn ihr geliebter Prinz die Burg verließ und sie wieder allein sein würde.
»Ich sehe, jeder von Ihnen hat ein Modell aus dem Freundes- und Bekanntenkreis mitgebracht«, begann Heidelinde Ramsmeyer mit ihrer Einführung zur zweiten und letzten Prüfungsaufgabe im praktischen Teil.
»Ich möchte Sie nun bitten, zuerst mit dem Modell ein Beratungsgespräch durchzuführen, um so die Wünsche des Kunden oder der Kundin zu erörtern. Meine geschätzten Kollegen von der Prüfungskommission und ich werden aufmerksam zuhören und Ihr Gespräch beurteilen. Und nun viel Glück, meine Damen und Herren, Sie haben 10 Minuten, fangen Sie bitte an.«
Antonius begab sich zu dem ihm zugewiesenen Frisierstuhl und begrüßte seine Kundin Kornelia Glösenfried, Tochter des Bäckermeisters Willi Glösenfried, Betreiber der gleichnamigen Bäckerei mit angeschlossener Konditorei, direkt neben Heidelindes Friseursalon. Heidelinde hatte ihrem Lehrling Glösenfrieds Tochter als Modell besorgt. Bei ihr war sie sich sicher, dass ihr geliebter Antonius nicht auf dumme Gedanken kam. Kornelia wurde im Dorf gemeinhin als quadratisch praktisch gut bezeichnet, hatte aber ein sehr hübsches Gesicht. Das einzige Zugeständnis, zu welchem Heidelinde bereit war.
»Guten Tag meine Dame, was kann ich für Sie tun«?, begann Antonius das Beratungsgespräch.
Etliche Male hatten sie geprobt, so dass Heidelinde den Text mittlerweile auswendig konnte. Es würde darauf hinauslaufen, dass er ihr eine elegante Hochsteckfrisur, mit ein paar farbigen Strähnen,
für ihre angebliche bevorstehende Hochzeit frisieren sollte. Auch das war in der vergangenen Woche viele Male erfolgreich geübt worden.
»Nun werter Herr«, antwortete Kornelia, »meine bevorstehende Hochzeit ist gestern geplatzt. Ich werde mich also wieder mehr unserer Bäckerei und Konditorei widmen können. Deshalb habe ich mir überlegt, dass Sie mir einen großen Präsentkorb auf den Kopf frisieren. Mit Brötchen und allerlei lustigen Leckereien. Sozusagen als Blickfang und Werbung für unseren Laden.«
Diese Version des Beratungsgesprächs war Heidelinde vollkommen neu. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht und sie stürzte auf ihren Lehrling zu, um ihn an ihre Abmachung bezüglich der Frisur zu erinnern.
»Aber, aber Frau Ramsmeyer, Sie müssten