Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig Bechstein

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Название Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор произведения Ludwig Bechstein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742749215



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und wohlgetan. Da gab einstens die edle

       Frau von Stein ihren Söhnen, Eidamen und Töchtern

       ein stattlich Gastmahl, und hatte außer diesen niemand

       dazu geladen, und waren bei Tische alle fröhlich

       und guter Dinge, und da sprach die Frau von

       Stein: Vier biedere Ritter zu Eidamen, zwei biedere

       Ritter zu Söhnen, vier brave blühende Töchter! Und

       eines herrlichen Ritters Witwe! Welche Witwe kann,

       gleich mir, sich solchen Glückes rühmen? Dieser

       Ehren ist allzuviel, deren ich teilhaft worden! – Die

       Söhne, Töchter und Eidame vernahmen der Mutter

       Wort, priesen sie als die glücklichste Witwe des

       Reichs und ließen auf der Mutter Wohl und langes

       Leben die Becher freudig aneinanderklingen. Nach

       einer Weile verließ die Frau von Stein ihren Sitz, als

       wolle sie draußen noch etwas befehlen oder anordnen

       – und die Versammelten plauderten lange, ehe

       ihnen auffiel, daß ja die Mutter gar nicht wiederkam.

       Der Heerwisch

       Vielleicht habe sie sich ein wenig zum Schlummer

       niedergelegt, vermuteten die Töchter und sahen leise

       in ihr Schlafklosett, die Frau von Stein war aber nicht

       darin. Das Gesinde ward befragt, aber keins hatte die

       Frau hinweggehen sehen – und niemand hat je erfahren,

       wohin sie gegangen, und niemand hat sie jemals

       wiedergesehen, denn nimmer kam sie wieder.

       100. Der kühne Kurzbold

       Es war ein Graf des untern Lahngaues, Kunz, ein

       Bruderssohn des deutschen Königs Konrad, des Vaters

       von Heinrich dem Finkler – der war gar ein tapferer

       Held und Degen, aber klein von Gestalt, daher

       hatte er den Beinamen Kurzbold erhalten, was nicht

       viel mehr besagen will als Däumling. Aber je kleiner

       Kurzbolds Körper war, um so größer war sein Geist,

       der verschaffte dem Helden den Namen des Weisen.

       Der Held Kurzbold hing mit eiserner Freundschaft an

       Heinrich dem Finkler, gegen den das salische Geschlecht

       der nahen Anverwandten Kurzbolds sich empörte

       und zu Felde zog. Das waren vornehmlich Giselbert,

       Herzog von Lothringen, Eberhard, Herzog

       von Franken, die führten ein Heer und wollten bei

       Breisig, unterhalb Andernach, über den Rhein fahren.

       Da harrte ihrer am andern Ufer Kurzbold mit nur vierundzwanzig

       Wappnern, und als der eine Nachen,

       darin Giselbert, der Lothringer, saß, anlanden wollte,

       da stieß Kurzbold seine Lanze mit so heftiger Gewalt

       in den Kahn, daß dieser alsbald sank und niedertauchte

       und die Rheinflut alle darinnen Sitzenden überströmte

       und verschlang. Während dies geschah, war

       Eberhard der Franke gelandet; alsobald wandte sich

       Kurzbold gegen ihn, rannte ihn an und stieß ihn mit

       seinem Schwerte durch und durch.

       Da Heinrich der Finkler nicht mehr am Leben war

       und Otto, zubenamt der Erste oder auch der Große,

       deutscher König geworden, hielt auch der den Helden

       Kurzbold gar wert. Da der König mit Kurzbold einstmals

       allein stand, geschah es, daß ein gefangener

       Löwe aus seinem Käfig brach und auf beide Männer

       zustürzte. Der König, der unbewehrt stand, griff nach

       Kurzbolds Schwert, das dieser an der Seite trug, aber

       Kurzbold kam dem König zuvor, warf sich dem

       Löwen entgegen und tötete ihn. Zu einer andern Zeit

       forderte ein riesenhaft gewachsener Petscheneger aus

       dem dem König Otto gegenüberliegenden Slawenheere

       des Herzogs von Böhmen die Heerführer Ottos

       zum Zweikampfe, indem er auf seine große Kraft und

       furchtbare Gestalt pochte. Da trat ihm, wie voreinst

       dem Riesen Goliath der kleine David, der kühne

       Kurzbold entgegen zum Fußkampf mit Lanzen, entglitt

       gewandt dem Stoß des Riesen und rannte ihn mit

       seiner Lanze und mit seiner schrecklichen Kraft sogleich

       zu Boden. Zweierlei mochte Held Kurzbold

       nicht leiden, Weiber und Äpfel, daher blieb er unverheiratet

       und erbenlos, gründete aber zu Limburg an

       der Lahn die herrliche St. Georgenkirche, die er dem

       Lindwurmtöter auf derselben Stelle erbauen ließ und

       weihte, wo, der Sage nach, vordem ein Lindwurm gehaust,

       der der frühern Burg, wie der heutigen Stadt,

       den Namen Lindburg gab, was eine spätere Zeit in

       Limburg umwandelte. In dieser Kirche ist des heldenmütigen

       Kurzbold Grabmal noch zu sehen.

      Kapitel 6

      101. Die Luftbrücke

       Aus dem Ahrtale ragten stolz und kühn einst zwei

       stattliche Nachbarburgen einander gegenüber, zwischen

       beiden rauschte in der Taltiefe die Ahr, das

       waren die Schlösser Nuwenahr und Landskron, und

       hoch über dem Tale zog sich eine luftige Brücke, welche

       beide Burgsitze miteinander verband. Die beiden

       Herren dieser Burgen, der Graf von Nuwenahr und

       der Herr von Landskron, waren so traut befreundet,

       daß sie gemeinschaftlich diese Brücke bauten, welche

       mit unsaglicher Kunst gefügt war, ohne Stützen und

       doch dauerhaft, so daß die beiden Freunde zu jeder

       Stunde beisammensein und doch auch jeder schnell

       wieder in seinem Hause sein konnte, während ein

       nachbarlicher Besuch durch Herabritt und Hinaufritt

       mehrere Stunden in Anspruch nahm. Als diese Freunde

       verstorben waren, kam die Brücke in Verfall, die

       Elemente zerstörten sie, nur blieben an jeder Burg die

       Brückenpfeiler, die das Ganze mächtig stützen mußten,

       erhalten. Da geschah es, daß ein Rittersohn auf

       Landskron seine Nachbarin, eine junge Gräfin von

       Nuwenahr, liebte, die waren eingedenk ihrer Väter

       Freundschaft und wünschten sich sehnend die Brücke

       zurück. Da band die Grafentochter an einen Armbrustpfeil