Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Название Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang
Автор произведения Johann Gottfried Herder
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066398903



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hat er einen falschen Zopf eingebunden und vornen ein frommes Gesicht, das nicht viel echter war, auch zuweilen wie jener bei heftigen Bewegungen ausfiel.

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      Das Zimmer war ganz leer ein bißchen Sonnenschein aus der zweiten Hand ausgenommen, das auf der Erde lag.

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      Das Schlimmste, daß ich in meiner Krankheit gar die Dinge nicht mehr denke und fühle ohne mich hauptsächlich mit zu fühlen. Ich bin mir in allem des Leidens bewußt, alles wird subjektiv bei mir und zwar bezieht sich alles auf meine Empfindlichkeit und Krankheit. Ich sehe die ganze Welt als eine Maschine an die da ist um mich meine Krankheit und mein Leiden auf alle mögliche Weise fühlen zu machen. Ein pathologischer Egoist. Es ist ein höchst trauriger Zustand. Hier muß ich sehen ob noch Kraft in mir ist, ob ich dieses überwältigen kann, wo nicht so bin ich verloren. Allein diese Art Krankheit ist mir schon gleichsam zur 2 ten Natur geworden. Wenn mir nur eine schickliche Arznei das erste Differential von Stoß gäbe!! Pusillanimität ist das rechte Wort für meine Krankheit, aber (wie) benimmt man sich die? Diese zu überwinden würde Ehrensäulen verdienen, aber wer setzt dem Menschen Ehrensäulen, der sich aus einem alten Weibe zum Manne macht?

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      Nun weiß ich was das heißt sich ermannen, wenn man schon ermannt ist, so ist es gut andern anzuraten. Was der Mensch elend ist, wenn er alles selbst tun soll, es heißt ein Wunder von ihm fordern, wenn man seine Selbst-Erhaltung von ihm fordert.

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      Übe, übe deine Kräfte, was dich jetzt Mühe kostet wird endlich maschinenmäßig werden.

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      Ich glaube nicht, daß es ganz unmöglich wäre daß ein Mensch ewig leben könne, denn immer Abnehmen schließt den Begriff von Aufhören nicht notwendig in sich.

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       Meine Phantasie scheute, so wie Pferde und lief fort mit mir. Dieses drückt meinen Zustand in der Empfindlichkeit am besten aus.

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      Eine ganze Milchstraße von Einfällen.

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      Wenn es noch ein Tier gäbe dem Menschen an Kräften überlegen, das sich zuweilen ein Vergnügen machte mit ihm zu spielen, wie die Kinder mit Maikäfern, oder sie in Kabinetten aufspießte wie Schmetterlinge. Ein solches Tier würde wohl am Ende ausgerottet werden, zumal wenn es nicht an Geisteskräften dem Menschen sehr weit überlegen wäre. Es würde ihm unmöglich sein sich gegen die Menschen zu halten. Es müßte ihn dann verhindern seine Kräfte im mindesten zu üben. Ein solches Tier ist aber würklich der Despotismus und doch hält er sich noch an so vielen Orten. Bei der Geschichte des Tieres muß aber auch angenommen werden, daß das Tier den Menschen nicht wohl entbehren kann.

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      Wenn die Hunde, die Wespen und die Hornisse mit menschlicher Vernunft begabt wären, so könnten sie sich vielleicht der Welt bemächtigen.

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      Diese ganze Lehre taugt zu nichts als darüber zu disputieren.

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      Die Leichenöffnungen können diejenigen Fehler nicht entdecken, die mit dem Tode aufhören.

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      Das ist die Wetterseite meiner moralischen Konstitution, da kann ich was aushalten.

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      Eine große Rede läßt sich leicht auswendig lernen und noch leichter ein großes Gedicht. Wie schwer würde es nicht halten, eben so viel ohne allen Sinn verbundene Wörter, oder eine Rede in einer fremden Sprache zu memorieren. Also Sinn und Verstand kömmt dem Gedächtnis zu Hülfe. Sinn ist Ordnung und Ordnung ist doch am Ende Übereinstimmung mit unserer Natur. Wenn wir vernünftig sprechen, sprechen wir nur immer unser Wesen und unsere Natur. Um unserm Gedächtnisse etwas einzuverleiben suchen wir daher immer einen Sinn hineinzubringen oder eine andere Art von Ordnung. Daher Genera und Species bei Pflanzen und Tieren, Ähnlichkeiten bis auf den Reim hinaus. Eben dahin gehören auch unsere Hypothesen, wir müssen welche haben, weil wir sonst die Dinge nicht behalten können. Dieses ist schon längst gesagt, man kömmt aber von allen Seiten wieder darauf. So suchen wir Sinn in die Körperwelt zu bringen. Die Frage aber ist, ob alles für uns lesbar ist. Gewiß aber läßt sich durch vieles Probieren, und Nachsinnen auch eine Bedeutung in etwas bringen was nicht für uns oder gar nicht lesbar ist. So sieht man im Sand Gesichter, Landschaften usw. die sicherlich nicht die Absicht dieser Lagen sind. Symmetrie gehört auch hieher. Silhouette im Dintenfleck pp. Auch die Stufenleiter in der Reihe der Geschöpfe, alles das ist nicht in den Dingen, sondern in uns. Überhaupt kann man nicht gnug bedenken, daß wir nur immer uns beobachten, wenn wir die Natur und zumal unsere Ordnungen beobachten.

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      Es ist und bleibt doch allemal eine sonderbare Redensart zu sagen: die Seele ist in mir, sie ist im Leibe, da man sagen sollte, ich bin das, man sagt ja auch nicht, die Ründe ist in der Kugel pp. Es ist bloß die Ähnlichkeit, die uns hier verführt. Gleichheit ist etwas Objektives, allein Ähnlichkeit ist subjektiv. Med.

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      Die Fliege, die nicht geklappt sein will, setzt sich am sichersten auf die Klappe selbst.

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      Rousseau sagt: ein Kind das nur seine Eltern kennen lernt, das kennt auch diese nicht. Sehr schön und wahr.

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      Hinlänglicher Stoff zum Stillschweigen.

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      Er hatte im Prügeln eine Art von Geschlechtstrieb, er prügelte nur seine Frau.

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      Der Astronom, der mir eine Mondfinsternis Jahrhunderte auf eine Minute voraussagt, ist nicht im Stand mir den Tag vorher zu sagen ob wir sie werden zu sehen kriegen. Ja, was noch seltsamer ist, daß wir von der Stunde der großen Finsternis, unserem Tode nichts wissen. Es ist gar keine Basis da, trotz unserer Anatomie und Physiologie sind für uns gar keine Grundbeobachtungen hierüber zu machen.

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      S. war ein viel zu niederträchtiger Mensch, als daß es ihn lange hätte schmerzen sollen, bei irgend einer einträglichen Gelegenheit einmal öffentlich dafür gehalten zu werden.

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      Ich war zuweilen nicht im Stande zu sagen ob ich krank oder wohl war.

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      Menschenfreundlichkeit: Wenn ich jemanden in der Ferne oder heimlich etwas knicken sehe, so muß ich immer so lange glauben es sei ein Floh gewesen bis ich mir apodiktisch demonstrieren kann, daß es eine Laus war.

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      Man könnte die Geizhälse und Verschwender so ordnen. Leute die bei großem Vermögen so leben als hätten sie nur noch die letzten 6 Groschen in der Tasche, so könnte man auch leben als hätte man die letzten 10 Taler nur noch ohne Hoffnung andere 10 zu bekommen, und so weiter. Der Verschwender ist der der so lebt, als hätte er noch immer viel mehr als er würklich hat. Dieses könnte mathematisch behandelt werden.

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      Riechen wie viel Uhr es ist, eine besondere Uhr.

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      Ein Fisch der in der Luft ertrunken war.

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      Er urteilt nach dem jedesmaligen Aggregatzustand seiner Empfindungen.

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      Die beste Art Lebende und Verstorbene zu loben ist ihre Schwachheiten zu entschuldigen, und dabei alle mögliche Menschenkenntnis anzuwenden. Nur keine Tugenden angedichtet, die sie nicht besessen haben, das verdirbt alles, und macht selbst das Wahre verdächtig. Entschuldigung von Fehlern empfiehlt den Lobredner.

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      Ich habe den Weg zur Wissenschaft gemacht wie Hunde die mit ihren Herrn spazieren gehen, hundertmal dasselbe vorwärts und rückwärts, und als ich ankam war ich müde.

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