Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Название Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang
Автор произведения Johann Gottfried Herder
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066398903



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schädliche Folge des allzu vielen Lesens ist, daß sich die Bedeutung der Wörter abnutzt, die Gedanken werden nur so ohngefähr ausgedrückt. Der Ausdruck sitzt dem Gedanken nur los an. Ist das wahr?

      *

      Ich erinnere mich deutlich, daß ich in meiner ersten Jugend einmal ein Kalb wollte apportieren lernen, allein ob ich gleich merkte, daß ich merklich in den nötigen Fertigkeiten zunahm, so verstunden wir uns einander alle Tage weniger, und ich ließ es endlich ganz und habe es nachher nie wieder versucht.

      *

      Es gibt Leute, die glauben, alles wäre vernünftig, was man mit einem ernsthaften Gesicht tut.

      *

       In einem Städtgen wo sich immer ein Gesicht aufs andere reimt.

      *

      Der Mensch denkt Wunder, wer er wäre, wenn er die Milbe einen Elefanten und die Sonne einen Funken nennt.

      *

      Die Wege sind mit Nimmergrün besetzt.

      *

      Wenn sie die Wahrheit in der Natur gefunden haben, so schmeißen sie sie wieder in ein Buch, wo sie noch schlechter aufgehoben ist. Formuln.

      *

      Vorschlag in einem kalten Winter Bücher zu brennen.

      *

      Er schreibt, daß selbst den Engeln der Verstand stille steht.

      *

      Schreibt man denn Bücher bloß zum Lesen? oder nicht auch zum Unterlegen in die Haushaltung? Gegen eins, das durchgelesen wird, werden Tausende durchgeblättert, andere Tausend liegen stille, andere werden auf Mauslöcher gepreßt, nach Ratzen geworfen, auf andern wird gestanden, gesessen, getrommelt, Pfefferkuchen gebacken, mit andern werden Pfeifen angesteckt, hinter dem Fenster damit gestanden.

      *

      Man macht nicht gerne aus einem weißen Bogen Pfefferdutten, so bald darauf gedruckt ist, greift man gerne zu.

      *

      Sagt, ist noch ein Land außer Deutschland, wo man die Nase eher rümpfen lernt als putzen?

      *

      Ist denn Besinnen etwas anders als Nachschlagen und Erfinden mehr als Umformen?

      *

      Ein guter Ausdruck ist so viel wert als ein guter Gedanke, weil es fast unmöglich ist sich gut auszudrücken ohne das Ausgedrückte von einer guten Seite zu zeigen.

      *

      In dem Tollhaus muß einer shakespearisch sprechen.

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       Dem Richter dem man auf den Flügeln des Lichtes nicht entrinnen kann.

      *

      Als er eine Mücke ins Licht fliegen sah, und sie nun mit dem Tode rang, so sagte er: hinunter mit dem bitteren Kelch, du armes Tier, ein Professor sieht es und bedauert dich.

      *

      Viel Federkauens wollen wir gewiß nicht machen.

      *

      Wer wird abwimmern, was er abtragen kann?

      *

      Nicht alle die Wohlgeboren sind Wohlgestorben oder im Reich der Toden Hochedelgestorbene.

      *

      Als ich nun so studierte und schlief.

      *

      Den Nachtwächter nach der Stimme zeichnen wollen. Man irrt sich oft so daß man sich des Lachens nicht enthalten kann, wenn man seinen Irrtum sieht. Ist Physiognomik etwas anders? Die Leute mit denen man des Nachts in einem Postwagen fährt.

      *

      Man suche keinen Enthusiasten Behutsamkeit lehren zu wollen. Solche Leute sagen sie wollen behutsam sein, glauben auch sie wären behutsam und sind die unbehutsamsten Seelen auf der Welt.

      *

      Wenn man etwas sieht, so suche man den Eindruck, den es auf einen macht, in Worte zu bringen, unverfälscht. Es ist kaum zu glauben wie gelehrt der Mensch ist.

      *

      Wie gehts, sagte ein Blinder zu einem Lahmen. Wie Sie sehen, antwortete der Lahme.

      *

      Das Fortgehen des Guten und des Zweckmäßigen in der Welt. Wenn es in der menschlichen Natur liegt, daß z.E. die christliche Religion endlich einmal wieder zu Grunde geht, so wird es geschehen man mag sich darwider setzen oder nicht, das Zurückgehn und Hemmen auf eine kurze Zeit ist nur ein unendlich kleiner Bogen in der Linie. Nur ist es schade, daß grade wir die Zuschauer sein müssen und nicht eine andere Generation, es kann es uns also niemand verdenken, wenn wir so viel als möglich arbeiten unsere Zeiten nach unsern Köpfen zu formen. Ich denke immer, wir auf dieser Kugel dienen zu einem Zweck, dessen Erreichung eine Zusammenverschwörung des ganzen menschlichen Geschlechts nicht verhindern kann. Eben so geht ein gutes Buch zur Nachwelt, wenn sich alle kritische Richterstühle vereinigten es verdächtig zu machen nicht durch Satyre, sondern mit der Miene des unschuldigen Lamms und mit (dem) Akzent der Wahrheitsliebe, ja wenn sie gar ganz davon schwiegen. Wenn es ein Dutzend neue Wahrheiten stark und gut gesagt enthält, wenn man den Menschenkenner im Übrigen des Werks erblickt, so wird eine Legion von witzigen Bibliothekenschreibern es in seinem Gang zur Ewigkeit so wenig aufhalten können, als ich den Sturm oder die kommende Flut mit einem Kartenblatt zurückfächeln. Ein Mensch kann ein gutes Buch aus Neid, Unverstand oder Narrheit als schlecht verdammen, allein der Mensch nicht. Den Verfasser kann er an Bettelstab bringen. Ein Mensch kann etwas Schlechtes loben und etwas Gutes verdammen, aber der Mensch nicht.

      *

      Wenn man sich nur recht selbst beobachtet. Ein weißer Bogen Papier flößt mehr Respekt ein, als der schönste Bogen Makulatur. Es füllt einen mit einer Begierde ihn zu beseelen.

      *

      Habe keine zu künstliche Idee vom Menschen, sondern urteile natürlich von ihm, halte ihn weder für zu gut noch zu böse.

      *

      Wenn ich die Genealogie der Dame Wissenschaft recht kenne, so ist die Unwissenheit ihre ältere Schwester, und (ist) denn das etwas so Himmelschreiendes die ältere Schwester zu nehmen wenn einem die jüngere auch zu Befehl steht? Von allen denen, die sie gekannt haben, habe ich gehört, daß die älteste ihre eigne Reize habe, daß sie ein fettes gutes Mädchen sei, die eben deswegen, weil sie mehr schläft als wacht, eine vortreffliche Gattin abgibt.

      *

      Als ich nicht bei ihm wohnte sah er nicht, was er nunmehr übersah, kleine Vergehen brachten uns damals weder näher zusammen noch weiter von einander, jetzo aber wurde selbst seine scheinbare Nachsicht ein Mittel mich durch Erkenntlichkeit einzuschränken.

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       Mit der Feder in der Hand habe ich, mit gutem Erfolg, Schanzen erstiegen, von denen andere mit Schwert und Bannstrahl bewaffnet zurückgeschlagen worden sind.

      *

      Wer kann dem Menschen seine Gedanken ansehen, nicht einmal seine Krankheiten. Überall widersprechen, das ist Raserei, gehörig einschränken ist das Werk der Vernunft und sie findet gemeiniglich die meiste Beschäftigung da wo mit der größten Zuverlässigkeit behauptet worden ist.

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      Man könnte, da man doch einzelne Silben nicht liest, sondern ganze Wörter, manche Bücher sehr abkürzen. In vielen Wörtern sind die Vokalen entbehrlich: Mnsch liest gewiß jedermann Mensch, list gwß jdrmn Mnsch.

      *

      Daß alle scherzhafte Sachen Possen sind, wird überhaupt nur meistens von alten Theologen oder alten Professoribus Juris behauptet die glauben alles wäre ernsthaft was mit einem ernsthaften Gesichte oder ernsthaften stilo gesagt würde, da es doch ausgemacht ist, daß von 100 Possen gewiß 90 ernsthaft vorgetragen werden. Aus den munteren Schriften kluger Köpfe läßt sich sehr