Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder

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Название Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang
Автор произведения Johann Gottfried Herder
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 4064066398903



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allein Gedächtnis und Ohr haben, sondern auch in gewissem Grad ein kleiner Geck sein.

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      Hüte dich, daß du nicht durch Zufälle in eine Stelle kommst, der du nicht gewachsen bist, damit du nicht scheinen mußt, was du nicht bist, nichts ist gefährlicher und stört alle innere Ruhe mehr, ja ist aller Rechtschaffenheit mehr nachteilig als dieses, und endigt gemeiniglich mit einem gänzlichen Verlust des Kredits.

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      Ihr wünscht uns einen Kopf, und ich wünsche daß ihr zwei hättet und säßet in Spiritus bis über die vier Ohren.

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      Geht hin und schreibt einmal eine Satyre auf den regierenden Kammerdiener, auf den natürlichen Sohn, oder des natürlichen Sohns Bastard oder des Bastards Bankert. Ihr werdet des Henkers werden. Überhaupt wenn ihr in Deutschland auf vornehme Herrn Satyren machen wollt, so rate ich euch zwei Stücke, entweder wählt euch welche aus dem alten Testament, oder bewerbt euch zuvor um ein Dienstgen zwischen den Tropicis, und wenn euch das nicht ansteht, so halts Maul.

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      Ich habe nichts zurückgehalten, sondern meine mit vielem Schweiß und Mühe auf fast unzähligen Hochzeiten, Kindbetten und Magisterschmäusen erworbene Menschenkenntnis, sowohl als die auf meinen die Elbe hinunter getanen Reisen und einer Tour auf dem Salzwasser, wo ich das Salz der Widerwärtigkeit nicht wenig geschmeckt habe, erlangten vielfältigen Erfahrungen gerne und willig bekannt gemacht, ohne Hoffnung des geringsten Profits. Ich habe fast auf jeder Seite Ideen-Körner ausgestreut, die wenn sie auf den rechten Boden fallen Kapital ja Dissertationes tragen können. Meine Sprache ist allzeit simpel, enge, und plan und da wo sie keins von allen dreien ist, habe ich es getan um den deutschen Zwirnhändlern in London das Übersetzen meines Traktats ins Englische wonicht unmöglich zu machen, doch so viel zu erschweren als ich konnte. Die subtileren kitzelnden Sarkasmen oder das sogenannte Bruder-Naumburgische, welches die Böotische Zeitung so sehr beliebt macht, habe ich deswegen vermieden, teils weil ich mir zur Regel gemacht habe: Wenn man einen Ochsen schlachten will, so schlägt man ihm grade vor den Kopf, und teils: Man hat den Deutschen vorgeworfen, daß sie bloß für die Gelehrten schrieben, ob nun dieses gleich ein höchst gesuchter und unüberlegter, ja sogar ungegründeter Vorwurf ist, so habe ich mich doch darnach gerichtet und überall für den geringen Mann mitgesorgt. Nicht allein der Professeur penseur und der Professeur Seigneur werden ihre Rechnung darin finden, sondern ich habe mich sogar in unsern Ackerbau und das Postwesen eingelassen. Unter den Ungelehrten werden es mir hauptsächlich die Dichter und die Advokaten Dank wissen, daß ich in ihren Fächern aufgeräumt und ihre Felder umzäunt habe. Ferner findet sich in meinem Parakletor für die Suchenden eine Metaphysik und Theorie der Künste für das Jahr 1776, die vielleicht an Verwegenheit, sich in die Tiefen zu stehlen, ihres gleichen noch nicht gehabt hat. Wahrheit und Gerechtigkeit küssen sich in jeder Periode. Sie zeigen sich selbst in dem Klang meiner Periode so deutlich, daß selbst der Spanier oder Portugiese, oder unsere Landesleute, die nicht deutsch verstehen, sie nicht verkennen können. Die wenigen Schimpfwörter die ich brauche sind treffend und schwer, und der Schlag allezeit in einer gnauen Verhältnis mit dem Fell worauf er fällt, und ist er ja zuweilen stärker, so ist gewiß das Wundpflaster nicht weit. Übrigens habe ich es nie für eine Schande gehalten mit Witz zu wetterkühlen, oder mit Numerus zu donnern ehe ich aus Barbara und Celarent geblitzt habe.

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      Für alle die Bemerkungen eines Mannes, der z.E. barfuß nach Rom laufen könnte um sich dem Vatikanischen Apoll zu Füßen zu werfen, gebe ich keinen Pfennig. Diese Leute sprechen nur von sich wenn sie von andern Dingen zu reden glauben, und die Wahrheit kann nicht leicht in üblere Hände geraten.

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      Die Wahrheit hat tausend Hindernisse zu überwinden, um unbeschädigt zu Papier zu kommen, und von Papier wieder zu Kopf. Die Lügner sind ihre schwächsten Feinde. Der enthusiastische Schriftsteller, der von allen Dingen spricht und alle Dinge ansieht, wie andere ehrliche Leute, wenn sie einen Hieb haben, ferner der superfeine erkünstelte Menschenkenner, der in jeder Handlung eines Mannes, wie Engel in einer Monade, sein ganzes Leben sich abspiegeln sieht, und sehen will, der gute fromme Mann, der überall aus Respekt glaubt, nichts untersucht, was er vor dem 15. Jahr gelernt hat, und sein bißgen Untersuchtes auf (un)untersuchten Grund baut, dieses sind Feinde der Wahrheit.

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      Es sind ganz brave Leute, aber die Hälfte des Guten und Bösen, das man von ihnen sagt, ist nicht wahr.

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      Sie verkaufen alles bis aufs Hemd und noch weiter.

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      Wenn alle Menschen des Nachmittags um 3 Uhr versteinert würden.

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      Unser Leben kann man mit einem Wintertag vergleichen, wir werden zwischen 12 und 1 des Nachts geboren, es wird 8 Uhr ehe es Tag wird, und vor 4 des Nachmittages wird es wieder dunkel, und um 12 sterben

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      Wenn die Menschen plötzlich tugendhaft würden, so müßten viele Tausende verhungern.

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      Dem Pabst einen Bart machen heißt das reformieren?

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      Ein Buch ist ein Spiegel, wenn ein Affe hineinguckt, so kann freilich kein Apostel heraus sehen. Wir haben keine Worte mit dem Dummen von Weisheit zu sprechen. Der ist schon weise der den Weisen versteht.

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      Der Mensch ist nicht so schwer zu kennen, als mancher Stubensitzer glaubt der sich in seinem Schlafrock freut, wenn er eine von Rochefoucaulds Bemerkungen wahr findet. Ja ich behaupte, die meisten kennen den Menschen besser, als sie selbst wissen, sie machen auch Gebrauch davon im Handel und Wandel, allein sobald sie schrieben, da wäre der Teufel los, da wäre alles so feiertagsmäßig schön, daß man sie gar nicht kenne, und da sie sonst ganz natürlich aussähen, so machten sie jetzt Gesichter, wie eine alte Jungfer, wenn sie sich malen läßt.

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      Indem ich jetzt die Feder ansetze fühle ich mich so voll, meinem Gegenstand so gewachsen, sehe mein Buch in dem Keim so deutlich vor mir, daß ich es fast versuchen mögte mit einem einzigen Wort auszusprechen.

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      Nach den Worten: ohne daß deswegen unser Topf zu kochen oder unser Bratenwender zu gehen aufhört: Nein! Ich weissage nicht, ich sehe. Wißt Ihr was? Verloren sind wir arme Teufel von der Feder, Ich und Ihr; verloren wie ein Gestern, wenn wir nicht heute die Feder ergreifen. Merkt Ihr denn nicht wo uns unser Publikum hin haben will?

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      Die Natur hat die Menschen durch die Brust verbunden, und die Professores hätten sie gerne mit dem Kopf zusammen.

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       Die große Regel: Wenn dein Bißgen an sich nichts Sonderbares ist, so sage es wenigstens ein bißgen sonderbar.

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      Daß es wahr ist, das hätte nichts zu bedeuten, allein die Leute glaubens, das ist den Teufel.

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      Ordnung müßt ihr im Büchelgen nicht suchen. Ordnung ist eine Tochter der Überlegung, und meine Feinde haben so wenig Überlegung gegen mich gebraucht, daß ich gar nicht absehe warum ich welche gegen sie gebrauchen sollte.

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      Wir sollten deutsche Charaktere auf die Bühne bringen, vortrefflich, und die deutschen Charaktere uns dafür ans Halseisen. Nicht wahr?

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      Solche Leute sollte man Knöpfe mit dem Buchstaben Null tragen lassen, damit man sie kennte.

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      Der noch nicht einmal passives und aktives Lesen unterscheiden kann.

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      Ist heimsuchen würklich so viel als strafen oder ist es so viel als das Herz untersuchen? Wir müssen mehr Gebrauch machen von dem Wort heim, es ist sehr stark: heimreden, das ist die Seele, höchste Überzeugung bei Scham sie zu gestehen.