Название | Seifengold |
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Автор произведения | Peter Höner |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783038551140 |
Mettler amüsierte sich köstlich. Als er begriff, daß Alice und Ali sich nicht nur in Gedankenspiele verstrickten, war es bereits zu spät. Die beiden ließen sich von ihren Plänen nicht mehr abbringen, und er, der sich allzu lange als Mitverschwörer beteiligt hatte, war nun plötzlich selbst in die Eselei verwickelt. Es half ihm nichts mehr, daß er aufhörte, den Luftschlössern der beiden Beifall zu spenden, daß er Christinas Konzept rühmte und ihre Kontakte lobte. Alice und Ali waren bereits dabei, das ‹Rafiki› zu verscherbeln.
Herrgott, was für ein Unsinn. Er hat keine Lust, das Hotel aufzugeben. Weder jetzt noch in ein paar Jahren. Alice und er gehören nach Lamu, das ‹Rafiki› ist ihr Zuhause. Aber seit dieser Hochzeit benützt Alice jede Mißstimmung zwischen ihnen, um ein Loblied auf die Vorzüge eines Lebens in Europa anzustimmen. Ein Leben, das sie gar nicht kennt, und das ihr nur deswegen reizvoll erscheint, weil sie in Zürich wohnen könnte. In der Nähe Alis. Und, er weiß es wohl, bei der Wiege ihres Enkels.
Der Regen hat aufgehört. Die Wolkendecke reißt auf, und ein schwacher Lichtstrahl läuft vom Wind übers Wasser gepeitscht auf den Strand zu, aufblitzend tänzelt er den Schaumkronen der Brandung entlang.
Der Schein aus dem Wolkenfenster, dessen Fetzenränder vom verdeckten Mond beleuchtet werden, hellt auch das Zimmer auf. Vor der Wand mit der schwarzen Holztüre dämmern die Laken des Bettes, der Baldachin des Moskitonetzes, und im Spiegel, der dem Bett gegenüber an der Wand hängt, entsteht Mettlers Silhouette, kaum wahrnehmbar, ein Schatten im Geviert.
Mettler dreht sich nach Alice um. Nur gerade die leicht gewölbte Linie ihrer Stirne, die Form von Kinn und Nase zeichnen sich vom Kissen ab. Schon die Locken der Haare verlieren sich in den Grautönen der Umgebung. Aus aufgeworfenen Tüchern taucht ein Knie, eine dunkle Sichel vor stumpfem Weiß. Rundungen und Kuhlen verschmelzen mit den Falten des Überwurfs.
Alice ist keine kleine, zierliche Frau, sondern groß und stattlich, eine selbstbewußte Inselkönigin. Ein Vergleich, den sie nicht gerne hört. Sie sei nie eine Prinzessin gewesen. Weder damals, als sie miteinander in die Dünen liefen, noch später, als sie neu verliebt das Hotel übernahmen. Trotzdem hält Mettler Alice für eine zerbrechliche Person. Eine Empfindung, die sich noch verstärkte, als Alice vor zwei Jahren ein Kind verlor.
Nur wenige Wochen nach seiner Bruchlandung auf dem Flugfeld von Lamu – er kehrte zusammen mit Tetu von einer Mission in den Mulika Range Nationalpark zurück – brachte Alice ein Kind zur Welt, mehr als drei Monate zu früh. Die Ärzte Lamus konnten es nicht retten. Fast schlimmer als der Verlust des Kindes aber war der Rat, Alice müsse eine weitere Schwangerschaft vermeiden. In einer späteren Untersuchung wurde sogar festgestellt, daß sie keine Kinder mehr bekommen könne.
Der Befund des Arztes stürzte Alice in ein Unglück, wie es Mettler nicht für möglich gehalten hätte. Nie erlebte er Alice so verzweifelt wie in den Wochen danach. Sie trauerte und weinte. Sie lamentierte, auch sie beide könnten nicht mehr zusammenbleiben. Sie glaubte, er könne doch keine Frau wollen, die ihm keine Kinder gebäre. Ihr Temperament, ihr Stolz, ihr ganzes Wesen waren in einer Weise verletzt, die er nicht verstand. Sie waren beide über vierzig. Ihm waren eigene Kinder nicht so wichtig. Im Gegenteil.
Sie sprachen viel miteinander. Von Liebe und Heirat und Kindern. Doch nur seine uneingeschränkte Zuwendung, seine Beweise, daß er sie nach wie vor begehrte, beruhigten sie ein wenig und erlösten ihn von der Angst, Alice zu verlieren. So richtig froh machte Alice allerdings erst die Mitteilung, daß Ali heiraten werde, daß ihre künftige Schwiegertocher ein Kind erwarte. Die Vorstellung, demnächst Großmutter zu werden, weckte ihre alte Unternehmungslust und erfüllte sie mit einem Eifer, dem er hilflos gegenüberstand.
«Warum bist du denn nicht im Bett?»
Alice richtet sich auf und schiebt sich ein Kissen in den Nacken. Mettler antwortet vorsichtig:
«Der Mond. In ein paar Tagen haben wir Vollmond, der Sturm, ich wollte dich nicht wecken …»
«Du machst dir Sorgen. Ich glaube nicht, daß es Schwierigkeiten geben wird. Eine so problemlose Schwangerschaft. Wie ich damals mit Ali. Vielleicht ist das Baby schon da. Vielleicht wird es gerade jetzt, gerade in diesem Augenblick geboren. Freust du dich?»
«Worauf? Daß ich Großvater werde?»
Alice setzt sich auf, lehnt sich mit dem Rücken gegen die Wand und zieht die Beine unters Kinn. Mettler wundert sich immer wieder, wie leicht Alice erwacht. Eben noch schien sie tief zu schlafen, und jetzt beginnt sie ein Gespräch, als hätte sie nur darauf gewartet, mit Fragen über ihn herzufallen.
«Wenn es ein Junge wird, könnte er das Hotel übernehmen. Was glaubst du, wird es ein Junge oder ein Mädchen? Was möchtest du lieber?»
«Ich? Natürlich einen Jungen. Dann ein Mädchen. Dann wieder einen Jungen, ein Mädchen …»
«So viele Kinder wird Christina nicht haben wollen. Du nimmst mich auf den Arm. Sie werden uns doch benachrichtigen?»
«Vielleicht. Nach den Kiondos mußten wir uns allerdings auch erkundigen.»
«Das stimmt. – Bist du noch böse?»
«Ich?» fragt Mettler verblüfft. «Warum denn das?»
«Wegen der Kiondos?»
«Ich war nicht böse. Wie kommst du denn auf die Idee?»
«Böse ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber daß dir nicht gefällt, daß ich für Christina und Ali einkaufe … Auch wenn du so tust, als ob du mit allem einverstanden wärst …»
«Halt, halt. Wer ist hinter Lali hergehetzt? In Nairobi? Wer hat sein Büro im Ministerium gestürmt?»
«Wir beide.»
«Ja. Aber ich habe unseren Herrn Minister gezwungen, sich für uns einzusetzen. Ich lobte deine Idee über den grünen Klee …»
«Das stimmt. Du hast geredet wie ein Buch. Aber das meine ich nicht …»
«Ich habe dich zu diesem Zollbeamten begleitet, zu diesem … Den Lali uns empfohlen hat, der aussah wie ein Frosch? Zu Badawy! Ich habe alle Papiere Badawys mitunterschrieben, Papiere, die dich berechtigen, deine Einkäufe in die Schweiz zu exportieren …»
«Siehst du! Deine, meine. Unsere!»
«Nein, deine. Was um Himmels willen sollte ich in die Schweiz schicken? Ich versteh' doch nichts davon. Will ich auch nicht. Neinnein, das ist nun wirklich deine Sache. Es sind deine Geschäfte, auch wenn die ‹Ken-Art› uns beiden gehört. Die ‹Ken-Art›! Ein Papier, das uns erlaubt, Salatschüsseln und Holzmasken auszuführen. Daß es nicht einfach ist, Alis Laden mit wirklich schönen Waren zu beliefern, wissen wir mittlerweile beide. Allein um diese Kiondos zu finden, bist du drei volle Tage zwischen Mokowe und Malindi hin- und hergefahren …»
«Weil ich sie nicht bei irgendeinem Inder kaufen wollte, sondern von den Frauen, die die Taschen herstellen …»
«Ja, ich weiß. Und genauso müßtest du nun nach den schönsten Ohrringen und Halsketten suchen, nach Bastkörben, Holztierchen, nach allem und jedem. Wir führen ein Hotel. Ganz abgesehen davon, daß Ali und Christina von den Kiondos nicht begeistert waren …»
«Das wissen wir doch gar nicht. Es waren sehr schöne Sisaltaschen, schlichte und kunstvollere, eine ganze Palette …»
«Aber dreihundertundfünfzig!»
«Das ist nicht viel, letztlich ist es nicht viel. Ali kann ja einen Teil weiterverkaufen …»
«Ja, warum nicht. Und du schickst ihm noch einmal dreihundert. Tausend! In ganz Europa wird nur noch mit Kiondos eingekauft. Als hätten wir mit dem Hotel nicht schon genug zu tun.»
«Es macht mir Spaß.»
Mettler schweigt. Es kommt selten vor, daß Alice und er sich streiten. Alice ist nicht nachtragend, und er, du liebe Zeit,