Seifengold. Peter Höner

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Название Seifengold
Автор произведения Peter Höner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783038551140



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des Putzkarrens erwies sich ebenfalls als unergiebig. Ein paar leere Bierflaschen standen neben einem Plastikeimer. Zigarettenkippen und zerknüllte Belege bezahlter Rechnungen schwammen auf der trüben Brühe des Spülwassers. In einem Tontopf lagen ein zerbrochener Kamm, eine ausgepreßte Tube Zahnpasta, mehrere Seifenstückchen, ein Büschel verklebter Haare – wahrscheinlich aus einem Abfluß gefischt – und die aufgeschlitzte Verpackung eines Kondoms. Neben dem Eimer war ein Stoß Zeitungen aufgeschichtet, von denen die meisten bereits mehrere Tage alt waren. Hotelexemplare, die die Gäste mit aufs Zimmer nahmen und die fern der Hauptstadt auch Tage nach ihrem Erscheinen noch mit Interesse gelesen wurden.

      Tetu entschloß sich, auf die Wirtsleute zu warten, ging in die Gaststube zurück und setzte sich an einen Tisch. Das Restaurant war winzig, ein düsterer Raum mit zwei kleinen Fenstern. Ein paar Tische und Bänke. In einer Ecke des Raumes eine Theke. An der Wand hinter dem Schanktisch eine Bierreklame: ‹Tusker Premium›. Darüber ein Jugendbild seiner Exzellenz des Präsidenten.

      Nach etwa einer Stunde schaute ein kleiner Junge vorsichtig um den Türpfosten. Er spähte lange in den Raum, ohne sich hineinzuwagen. Tetu hockte regungslos hinter seinem Tisch. Er hoffte, der Kleine würde ihn nicht sehen und seinen Eltern melden, der dicke Mann sei nicht mehr da. Vergeblich. Der Knirps entdeckte ihn. Er drehte sich blitzschnell um und rannte davon.

      Rund um das ‹Eiffeltower› hatte sich der Alltag längst wieder eingependelt. Aus den Kneipen und Läden der Hauptstraße schmetterten die Kassettenrekorder die immer gleichen Lingala-Schlager. Ziegen meckerten, Kinder plärrten, Besen wischten über die Vorplätze, Matten wurden ausgeklopft, und auf dem Marktplatz lärmten die Hupen der Taxis und Kleinbusse. Nur in Tetus allernächstem Umkreis blieb es still. Im Auge des Zyklons.

      Kurz vor Mittag, Tetu wartete mittlerweile über drei Stunden, schlenderte ein junger Bursche vor den Fenstern vorbei. Er drehte sich plötzlich um, stemmte sich gegen den Türrahmen und grinste ins Restaurant. Zwei weitere Männer traten auf, von links kam eine Schar Halbwüchsiger, die am Türsteher vorbei in die Gaststube schlüpften. Dann näherte sich die Familie des Wirts. Seine Frauen. Und sein Vater, ein Chief. Ein schlanker, hochgewachsener Greis. Nur mit einer Toga und einem Lendenschurz bekleidet, die um die hageren Glieder schlotterten. Auf dem Kopf eine Kappe aus Lehm, Federn und Kaurimuscheln. Ein Häuptling der Turkana.

      Von überallher drängelten nun Leute in den Raum und scharten sich um den Tisch des Polizeichefs. Sie starrten ihn an, als sei er ein katholischer Pater. Tetu blieb auf seiner Bank hocken und glotzte zurück.

      Noch nie hatte er eine solch tiefe Abneigung gegen diesen Ort empfunden. Er sah lauter häßliche Menschen.

      Zur Hälfte geschorene Frauenköpfe mit Zöpfchen und Federn im Haar. Männer mit Lehmhauben. Dreiste Gesichter mit schmalen, vom Wüstensand geröteten Augen. Die Ohren von Dornen und Knochen durchbohrt oder voller Ringe. Überall Spangen, Ketten. Die Frauen mit einem wahren Halskranz aus Glasperlen, Dreck und Muscheln. Dumm grinsende Münder mit ausgebrochenen Schneidezähnen. Hagere Körper mit Narben übersät, Verzierungen, die sie sich auf den Bauch und in die Arme schnitten.

      Naserümpfend musterte er die notdürftig von Lumpen verhüllte Blöße der Männer, die nackten Brüste der Frauen. Lodwar, ein Reservat.

      Tetu zeigte auf eine der wenigen Frauen, die bekleidet waren, und verlangte einen Tee. Die Frau lächelte ihn an und senkte den Blick. Er wiederholte seine Bitte. Die Frau rührte sich nicht. Sämtliche Köpfe drehten sich nun nach dem Alten um. Der Greis murmelte etwas, worauf die Frau mit gesenktem Kopf den Zuschauerring verließ.

      Tetu stand auf und streckte dem Häuptling die Hand entgegen. Er begrüßte ihn in dessen Sprache. Der Alte erwiderte seinen Gruß, ohne freilich seine Hand zu nehmen. Ein Mißverständnis, das mehrere Männer dazu veranlaßte, Tetu begeistert die Hand zu schütteln. Der Turkana hielt nun eine längere Rede, von der Tetu kein Wort verstand. Danach verneigte er sich, gab einem seiner Leute ein Zeichen, verneigte sich ein weiteres Mal und verließ, ohne sich noch einmal nach Tetu umzuschauen, den Raum. Die meisten Leute folgten ihm.

      Ein paar Frauen blieben, Kinder und der Mann, dem der Alte zugenickt hatte. Offensichtlich der Wirt. Er jagte die Kinder aus dem Haus und schickte die Frauen in die Küche. Er befahl, dem Polizeichef den gewünschten Tee zu bringen, verlangte ebenfalls eine Tasse und setzte sich zu Tetu an den Tisch. Mit dem Arm über die Tischplatte fahrend, als wolle er andeuten, daß nun über alles gesprochen werden könne, fragte er auf englisch:

      «Was weiter nun?»

      Tetu bat um eine Übersetzung der Ansprache, worauf der Wirt achselzuckend meinte:

      «Das Geschwätz eines Greises. Er begrüßte Sie und wünschte Ihnen einen guten Aufenthalt.»

      «Weiß er denn nicht, daß ich seit zwei Jahren hier bin, daß ich die Polizeistation leite, daß ich …»

      «Doch, er hat davon gehört. Mein Vater ist einer der Chiefs. Er war ein bißchen beleidigt, daß Sie sich so lange nicht bei ihm gemeldet haben.»

      Tetu schwieg. Man hatte ihm vor zwei Jahren geraten, sich mit den lokalen Führern zu verständigen. Er ließ sich von seinem Fahrer von Dorf zu Dorf kutschieren und begrüßte reihum alle alten Männer. Die Chiefs lernte er nicht kennen.

      Die Frau brachte ein Tablett mit Tassen und Tee, schenkte ihnen ein und verschwand wieder.

      Tetu fand, er dürfe nun, ohne deswegen als unhöflich zu gelten, zur Sache kommen, schließlich wollte er nicht viel mehr als eine Auskunft. Und ohne Umschweife fragte er, ob dem Wirt bekannt sei, daß einer seiner Gäste letzte Nacht mit einem Messer im Rücken auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben sei?

      Der Mann, der eben noch fließend Englisch konnte, wollte plötzlich nichts verstanden haben. Er wischte mit seinem Arm über den Tisch, mehrmals, und wiederholte sein blödes ‹Was weiter nun?›. Eine Floskel, die er wohl für beschlagen hielt.

      Kopfschüttelnd begann Tetu dem Mann aufzuzählen, was er über den ermordeten Agenten wußte. Langsam, Schritt für Schritt und auf Suaheli, immer wieder das begreifende Nicken und bestätigende ‹eh› des Mannes herausfordernd, um zu verhindern, daß sich der Schlaumeier anschließend wieder hinter seinem Nichtverstehen verstecken konnte. Schließlich, nachdem er auch den Ermordeten sorgfältig beschrieben hatte, fragte er, ob seine Beschreibung auf einen seiner Gäste zutreffe? Der Mann schüttelte den Kopf, rief die Frau, der er umständlich alles aufzählte, was ihm Tetu berichtet hatte. Die Frau nickte und verschwand wieder in der Küche, der Wirt sagte:

      «Die Frau sagt, daß sie den Mann gesehen hat. Ob er hier übernachtet hat, weiß sie nicht, sagt die Frau, weil sie gestern bei einer kranken Schwägerin ausgeholfen hat. Und es war schon Mitternacht, und wegen des Gewitters ist sie nicht mehr nach Hause gegangen. – Ich war in Sigowa und bin erst heute morgen zurückgekehrt.»

      «Und all das hat sie Ihnen soeben zugenickt?»

      Tetus Spott ließ den Einheimischen zusammenfahren. Doch er gestattete ihm keine erklärenden Ausreden, sondern verlangte ungeduldig:

      «Bringen Sie mir jetzt einmal Ihr Gästebuch. Ihre Unterlagen, die Übernachtungsanzeigen, Quittungen … Und rufen Sie Ihre Frau. Sie soll mir sagen, wo das Reisegepäck des Toten geblieben ist.»

      Der Wirt rief nach seiner Frau, worauf die Frau in der Küche durch die Gaststube hetzte und aus dem Haus lief. Tetu verstand überhaupt nichts mehr.

      Der Inhaber des ‹Eiffeltowers› fischte nun hinter der Theke nach einem Notizblock, einer schmierigen Kladde, in die sich bestimmt keine Gäste eingetragen hatten. Im besten Fall handelte es sich um einen Block mit Quittungen, ein paar Zahlen. Schreiben konnten diese Leute alle nicht. Der Wirt wälzte eifrig die Zettel des Blocks hin und her, knickte schließlich fast den gesamten Blätterwust um die Leimkante und streckte Tetu eine Quittung entgegen.

      «Hier! Das ist die Unterschrift des Mannes. Drei Tage und drei Nächte war er unser Gast.»

      Tetu schaute sich den Zettel gar nicht erst an.

      «Wissen Sie vielleicht, was der Mann in Lodwar wollte? Wie er heißt? Was er gestern gemacht