Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit. Stefan Gesmann

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Название Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit
Автор произведения Stefan Gesmann
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783849781996



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bei der Konzipierung von Management

      Wenn Konzepte für Management entwickelt werden und wenn über die Angemessenheit von Managementhandeln diskutiert wird, kann dies nicht ohne Bezugnahme auf die Zwecke der jeweiligen Organisation und die Aufgaben geschehen, auf die sich die Managementbemühungen ausrichten. Um welchen »Organisationstypus« (Apelt u. Tacke 2012) es sich handelt, auf welche Zwecke eine Organisation also ausgerichtet ist, welche Produkte oder Leistungen sie erzeugt, in welchem institutionellen Umfeld sie sich bewegt, welche Interessenträger (»stakeholder«) eine spezifische Bedeutung für die Organisation erlangen, dadurch Anforderungen an die Organisation formulieren und die Organisation beeinflussen können u. a. m. Die Antworten auf diese Fragen sind elementare Gesichtspunkte, in deren Einflussfeld eine Organisation ihre Systemeigenschaften und ihre darin eingebetteten Interpretations- und Handlungslogiken herausbildet. Die Managementanforderungen und die Konstellationen, in denen sich Managementhandeln herausbilden muss, sind z. B. in einem Krankenhaus anders als in einem Kulturbetrieb (z. B. Theater), bei der Stiftung einer politischen Partei unterschiedlich zu denen bei einer länderübergreifend arbeitenden Menschenrechtsorganisation, bei einem Kunstmuseum anders als in einer Naturschutzorganisation und wiederum verschieden gegenüber denen in einer Einrichtung der Sozialen Arbeit. Zwar handelt es sich bei allen diesen Organisationen um Organisationen, die – ökonomisch gedacht – »Dienstleistungen« erbringen und deren Gemeinsamkeit darin liegt, dass sie – anders als Wirtschaftsunternehmen – nicht primär auf das Erzielen von Gewinn ausgerichtet sind und daher in der Kategorie der »Nonprofit-Organisationen« (NPO) zusammengefasst werden (Simsa, Meyer u. Badelt 2013).

      Die generalisierende Rede vom »Nonprofit-Management« (u. a. Helmig u. Purtschert 2006) oder vom »Management in Nonprofit-Organisationen« (Lichtsteiner et al. 2015; Stöger u. Salcher 2006) oder gar »Management der Nonprofit-Organisation« (Eschenbach et al. 2015) suggeriert, dass das Merkmal einer Nonprofit-Ausrichtung, das die in dieser Sammelkategorie zusammengefassten Organisationen von den auf das Formalziel »Gewinn« ausgerichteten Wirtschaftsunternehmen unterscheidet, den zentralen Tatbestand markiert, von dem aus Spezifika eines Managementhandelns in solchen Organisationen ausreichend erklärt werden könnten. Jedoch vermag diese Sammelkategorie nur sehr bedingt Aussagekraft zu vermitteln für die Frage, welche spezifischen Managementanforderungen sich in einem bestimmten Organisationstypus ergeben und zu bewältigen sind. Der Begriff der Nonprofit-Organisation ist dafür eine zu grobe Kategorie, weil darin sehr verschiedenartige Organisationstypen zusammengefasst werden, deren Unterschiede so weit im »Nonprofit-Etikett« verschwimmen, dass man bei der Lektüre der entsprechenden Veröffentlichungen häufig nicht mehr weiß, auf welche Organisationen bzw. Organisationstypen sich die Autoren bei ihren Managementableitungen eigentlich beziehen: Mitgliederverbände oder professionelle Dienstleistungsorganisationen, zivilgesellschaftlich geprägte Organisationen oder halbstaatlich konturierte Organisationen, durch ehrenamtliche oder hauptberufliche Akteure geprägte bzw. dominierte Organisationen, in verschiedenen Bereichen (Sport, Kultur, soziale Hilfen, Gesundheit, Menschenrechte, Naturschutz, Verbraucherberatung, …) angesiedelte Organisationen etc. Alles wird eingeordnet unter das große Dach des »Nonprofit-Bereichs«, dem ein für diesen Bereich zugeordnetes Management entsprechen soll.

      Solche Differenzen zwischen Organisationstypen jenseits einer generalisierenden Zuordnung zu einem »Nonprofit-Bereich« sind jedoch bedeutsam, wenn es um die Erörterung von Managementanforderungen und Managementhandeln geht. Denn die Systemeigenschaften und -logiken, die Organisationen herausbilden, entfalten sich immer auch unter dem Einfluss der jeweils spezifischen Zwecksetzungen der Organisationen und des jeweils für die Organisation relevanten Umfelds, für das die Organisation Leistungen erbringt oder das Erwartungen an die Organisation setzt, denen sie sich ohne Gefährdung ihrer Legitimation nicht ohne Weiteres entziehen kann. Mit der Wahl ihrer Programm- und Personalstrukturen begrenzen Organisationen die Breite der für ihr operatives Handeln relevanten Umwelten. Und gleichzeitig nimmt die Umwelt, in der sich eine Organisation »niederlässt«, Einfluss auf die Relevanzstrukturen und die Handlungsoptionen einer Organisation; die Organisation muss sich auf Vorgaben und einschränkende Anforderungen der Umwelt einlassen (vgl. Drepper u. Tacke 2010, S. 276). Zwecke, Organisationsprogramme, Organisationskulturen, Personal mit den Eigenheiten, Wissensbeständen und Kommunikationsmodi der an der Leistungserbringung beteiligten Professionen sowie Modi des Austauschs mit der Umwelt und der Legitimation gegenüber der Umwelt sind als bedeutsame Faktoren in Überlegungen zur Gestaltung von Managementhandeln und in Reflexionen zum Managementhandeln einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Formel »Nonprofit-Organisation« zur Herausarbeitung von managementrelevanten Systemfaktoren deutlich zu grob.

      Damit stellt sich Frage, welche Spezifika im Handlungsfeld »Soziale Arbeit« bzw. für den Typus »Organisationen der sozialen Hilfe« (I. Bode 2012) zu identifizieren sind, die einen markanten Unterschied konturieren zu anderen Managementfeldern bzw. Organisationsbereichen. Es sei zugestanden, dass auch die Rede von Sozialer Arbeit als »einem Handlungsfeld« eine Abstrahierung darstellt: Auch hier kann man zu Recht geltend machen, dass die Managementanforderungen in einer größeren Komplexeinrichtung der Erziehungshilfe (mit ambulanten, teilstationären und differenzierten stationären Angeboten) anders sind als in einer Drogenberatungsstelle mit einem überschaubaren Umfang an Angeboten und Mitarbeitern oder einer Kindertageseinrichtung oder einem Jugendamt oder einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung oder einem Verein, in dessen Zentrum die gesetzliche Betreuung steht, u. a. m. Insofern ist es sicherlich nicht unproblematisch, von »Organisationen der sozialen Hilfe« oder »Organisationen der Sozialen Arbeit« zu sprechen, darauf bezogene Managementanforderungen zu analysieren und dabei einige bedeutsame Spezifika des Handlungsfeldes und Charakteristika der Organisationsformen zu übergehen. Jedoch sind gewisse Abstrahierungen erforderlich, um einen Organisationstypus und die damit verkoppelten Managementanforderungen in den Blick zu nehmen. Eine solche Abstrahierung ist insofern zu rechtfertigen, als sich – trotz weiterer Differenzierungen auf der Mesoebene der Analyse – ein Bündel von Ähnlichkeiten herausgebildet hat, das handlungsfeldübergreifend spezifische Anforderungen und Fragestellungen im Management bei Organisationen der Sozialen Arbeit prägt (Lambers 2015; Merchel 2015a; Bieker u. Vomberg 2012).

      Organisationen der Sozialen Arbeit erbringen soziale Dienstleistungen. Es sind »Gebilde, die Zustände von Personen bearbeiten, die sich im ›normalen‹ sozialen Leben nicht hinreichend ›selbst helfen‹ bzw. funktionstüchtig sein können« (I. Bode 2012, S. 152); sie übersetzen die zum Teil diffusen Probleme der Hilfebedürftigkeit oder der Normabweichung in spezifischere Handlungsanforderungen und organisieren dafür möglichst zielentsprechende Veränderungsinterventionen. Soziale Dienstleistungen haben einen interaktiven Charakter; sie ereignen sich in Vorgängen der Betreuung, der Pflege, der personenbezogenen Förderung und Unterstützung, der Beratung, der Erziehung. Die reine Erbringung materieller Transferleistungen aufgrund von Versicherungsansprüchen (u. a. Arbeitslosengeld) oder wegen materieller Bedürftigkeit (Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im Alter) wird nicht zu sozialen Dienstleistungen gerechnet; allerdings wird der Erbringung materieller Transferleistungen bisweilen ein interaktives Element der Beratung oder der Betreuung angekoppelt, wodurch im Vorgang der Leistungserbringung sowohl materielle als auch soziale Elemente zum Tragen kommen. Die rechtliche Kodifizierung der zu organisierenden und zu gestaltenden Dienstleistungen erfolgt weitgehend in den (derzeit) dreizehn Teilen des deutschen Sozialgesetzbuches (SGB I–XII, XIV; von Boetticher u. Münder 2011). Für die Steuerung des politischen Rahmens zur Definition gesellschaftlich gewünschter und zur Erbringung sozialer Dienstleistungen hat sich ein Feld der »sozialen Dienstleistungspolitik« herausgebildet (Dahme u. Wohlfahrt 2015). In diesem rechtlichen und politischen Rahmen haben Organisationen der Sozialen Arbeit sich mit Bedingungen auseinanderzusetzen, die sie bei der Erbringung sozialer Dienstleistungen verarbeiten müssen und aufgrund derer sie organisationale Charakteristika herausbilden, die ihnen ein auf Effektivität und Wirtschaftlichkeit ausgerichtetes Managementhandeln ermöglichen. Solche Merkmale von Organisationen der Sozialen Arbeit, die sich als bedeutsame Bedingungsfaktoren für das Herausbilden von Managementhandeln erweisen, sind Gegenstand der Ausführungen in diesem Kapitel.

       2.1Politische Konstituierung sozialer Dienstleistungen

      Soziale