Название | Systemisches Management in Organisationen der Sozialen Arbeit |
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Автор произведения | Stefan Gesmann |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783849781996 |
Die politische Konstituierung sozialer Dienstleistungen und die Eingebundenheit in einen sozialstaatlichen Rahmen, der mit Begriffen wie ›soziale Hilfe‹, ›Chancengerechtigkeit‹, ›Gewährleistung eines menschenwürdigen Lebens‹, ›gesellschaftliche Integration‹ etc. normativ aufgeladen ist, haben zur Folge, dass die Organisationen Sozialer Arbeit sich in besonderer Weise politisch und normativ als Organisationen legitimieren müssen. Sie müssen sich als von gesellschaftlichen und (sozial)politischen Entscheidungen unmittelbar abhängige Organisationen legitimieren
•über die Art ihrer Leistungserstellung (Prozesse);
•über die Effekte der von ihnen erbrachten Leistungen, wobei diese Effekte zum einen auf die Verbesserung der Lebenssituation ihrer Leistungsadressaten und auf die Erfolge der in die sozialen Hilfen eingewebten Kontrollaktivitäten bezogen sind, aber zum anderen auch darüber hinausgehen, denn es geht auch um Effekte hinsichtlich der geforderten Integrationsleistungen für das gesellschaftliche Zusammenleben (u. a. Aktivierung gesellschaftlichen Engagements und Zusammenhalts, Vermittlung und Stabilisierung von Solidaritätsnormen, Erzeugen persönlicher Nähe u. a. m.);
•über die Darlegung von Prozessen und Effekten eines organisationsinternen Managements, das dem normativen Rahmen, in den die Organisation eingebettet ist, entspricht (»Corporate Governance«; Schuhen 2014).
Organisationen der Sozialen Arbeit sind aufgrund ihrer spezifischen gesellschaftlichen und politischen Umweltkonstellationen gefordert, im Hinblick auf unterschiedliche Interessenträger und hinsichtlich dieser drei Faktorenbündel Legitimation zu erzeugen und aufrechtzuerhalten sowie dadurch die eigene Organisation mit einem tragfähigen Vertrauenspotenzial ihrer Umwelt auszustatten. Die besondere Angewiesenheit sozialer Dienstleistungsorganisationen auf die Legitimation gegenüber ihrer Umwelt macht auf zwei für das Management relevante Mechanismen aufmerksam:
•Kongruenz zwischen Außendarstellung und Innenleben der Organisation: Organisationen der Sozialen Arbeit müssen in besonderer Weise Wert legen auf das, was Kühl die »Schauseite« der Organisation nennt (Kühl 2011, S. 136 ff.): Das Schaufenster, in dem die Organisation von außen betrachtet werden kann, darf nicht vernachlässigt werden. Zwischen der nach außen gerichteten Fassade, mit der zu Legitimationszwecken ein Bild von der Organisation gezeichnet und vermittelt wird, und der in der Organisation wahrnehmbaren Realität wird in der Regel keine vollständige Deckungsgleichheit herrschen. Jedoch muss die Organisation bemüht sein, die Entkoppelung von Fassade und realer Erlebbarkeit nicht allzu groß werden zu lassen. Denn wenn die relevanten Akteure aus der Umwelt die Fassade als »scheinheilig« (ebd.) erkennen, verliert das Schaufenster drastisch an Legitimationspotenzial. Insofern muss das Management für ein legitimationsfähiges Schaufenster sorgen und darauf auch entsprechende Sorgfalt aufwenden. Doch der Nutzen schöner Fassaden (u. a. Verbergen interner Konflikte und Unzulänglichkeiten, Ausbalancieren widersprüchlicher Anforderungen) darf nicht so in den Mittelpunkt rücken und damit »überzogen« werden, dass die Kommunikationsangebote des Schaufensters sich als nicht mehr ausreichend anschlussfähig erweisen an das wahrnehmbare Geschehen in der Organisation. Die Folge wäre ein Verfall von Glaubwürdigkeit, also das genaue Gegenteil der mit dem schönen Schaufenster beabsichtigten Legitimation.
•Legitimität über Verarbeitung von Erwartungen der Umwelt: Organisationen der Sozialen Arbeit müssen besonders sensibel diejenigen an sie gerichteten Anforderungen wahrnehmen und im Hinblick auf Markierungen für das Management interpretieren, die in dem jeweiligen gesellschaftlichen Sektor explizit formuliert und implizit kommuniziert werden, dem sie angehören. Sie müssen ihre inneren Strukturen und Verfahrensweisen nicht allein im Hinblick auf eine innere Systemdynamik interpretieren und herausbilden, sondern diese gleichermaßen konzipieren in der Verarbeitung von »Ansprüchen und Erwartungen seitens der institutionalisierten Umwelt« (Drepper 2010, S. 138). Das Erzeugen von Legitimität über die Aufnahme von spezifischen Handlungserwartungen der Umwelt wird ein zentrales Motiv für Organisationshandeln und Strukturbildung. Dabei muss nicht jedes Organisationshandeln einer internen Handlungslogik entsprechen. Organisationsprogramme können vielmehr mit dem übrigen Organisationsgeschehen lediglich lose verkoppelt sein; sie werden dann auf eine Art in das Organisationsgeschehen hineingenommen, dass sie intern »zumindest nicht allzu sehr stören«, aber nach außen eine Übereinstimmung mit Erwartungen aus der Umwelt signalisieren und daher legitimationsbedeutsam sind. Ein Beispiel ist hier »Qualitätsmanagement«: Der hohen legitimatorischen Bedeutung der Qualitätsformel und der damit einhergehenden Anforderung, »Qualitätsmanagement« zu betreiben, kann sich kaum eine Organisation der Sozialen Arbeit entziehen. Sie ist also legitimatorisch zur Übernahme dieser Anforderung verpflichtet; ob, in welcher Weise und Intensität aber intern Prozesse des Qualitätsmanagements realisiert werden, bleibt mit der Übernahme der Legitimationsanforderung höchst unklar und führt zu erheblichen Unterschieden, wie ein Blick in verschiedene Organisationen der Sozialen Arbeit zeigt. Die Anpassung an Regeln, die im jeweiligen organisationalen Sektor oder Umfeld institutionalisiert sind, beeinflusst das Entscheidungsverhalten der Organisation im Hinblick auf Ziele, Mittel, Theorieverwendung, Methodenkonstruktion etc. und sorgt für eine Angleichung an die Bedingungen und Erwartungen im institutionalisierten Feld. Das führt einerseits zu Phänomenen des »Isomorphismus« (Drepper 2010, S. 139 f.): Die Organisationen im Feld werden einander ähnlicher. Dadurch gewinnen sie andererseits wieder an Legitimität, da sie sich nicht nur über die Aspekte »Effektivität« und »Wirtschaftlichkeit« legitimieren können, sondern gleichermaßen über die »Aufnahme institutionalisierter Erwartungen, sichtbar in der Ähnlichkeit zu anderen Organisationen«, indem also die Kommunizierbarkeit der Vorgänge und Strukturen in der Organisation anschlussfähig gemacht werden an die Relevanzkriterien in der Umwelt. Ein Beispiel für solche Phänomene des Isomorphismus sind die Normen, die für Fallbearbeitungen in Jugendämtern (bzw. im Allgemeinen Sozialen Dienst, ASD) bestehen: Kaum ein ASD-Team kann es sich ohne Legitimationsverlust noch leisten, keine kollegiale Beratung durchzuführen, dabei kein Genogramm anzuwenden, nicht nach Ressourcen im sozialen Umfeld des Klienten (»Sozialraum«) gefragt zu haben, keine Form von »sozialpädagogischer Diagnostik« auf dem Arbeitsplan zu haben. Die Übernahme institutionalisierter Erwartungen aus der Umwelt und die Angleichung von Organisationen (»Isomorphismus«) bedeutet keinen Profilverlust der jeweiligen Organisation. Sie verarbeiten die aus der Umwelt entnommenen »Vorlagen« für ihre Strukturbildung (staatliche Vorgaben, Professionsstandards, Strukturmodelle vergleichbarer Organisationen, theoretische und methodische Entwicklungsimpulse und Anforderungen etc.) in einer organisationsspezifischen Weise, die den in der jeweiligen Organisation herausgebildeten Gegebenheiten und Dynamiken, ihrer jeweiligen Entstehungsgeschichte und Organisationslogik entspricht (Drepper u. Tacke 2010, S. 255).
2.4Soziale Dienstleistungsorganisationen im Spannungsfeld verschiedenartiger Anforderungen und Handlungslogiken
Soziale Dienstleistungsorganisationen sind angesichts ihrer spezifischen gesellschaftlichen und sozialpolitischen Eingebundenheit einer Vielzahl von Stakeholdern mit unterschiedlichen Erwartungen und Anforderungen ausgesetzt, denen gegenüber sie sich als anschlussfähig erweisen müssen. Die jeweiligen politischen Konstellationen mit ihren jeweils aktuellen und wechselnden Akteuren markieren ebenso Erwartungskonstellationen wie die (realen und potenziellen) Leistungsadressaten und die Organisationen, zu denen im Sinne einer adäquaten Leistungserbringung tragfähige interorganisationale Kooperationsbezüge hergestellt werden müssen. Das jeweilige Organisationssystem bewegt sich in einem komplexen Netz unterschiedlicher Akteure. Diese artikulieren sich in einem um die Organisation herum wirksamen Systemgebilde als Interessenträger. Deren als Erwartungen formulierte Kommunikationsimpulse dürfen nicht negiert, sondern müssen von der Organisation in den elementaren Programmmodi und situativ verarbeitet werden. Die interorganisationalen Bezüge richten sich nicht nur auf Kooperationen mit Organisationen in ähnlichen Handlungsfeldern, mit denen man in Fachgremien (regionale psychosoziale Arbeitsgemeinschaften, Arbeitsgemeinschaften nach § 78 SGB VIII, Fachverbände u. a. m.) oder in regelmäßigen einzelfallbezogenen Kontakten (z. B. Jugendämter, Sozialämter, Krankenkassen u. a.) kooperiert. Es bedarf auch der Kooperationen mit solchen Organisationen in anderen