Название | Ryloven |
---|---|
Автор произведения | Manuel Tschmelak |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991076872 |
Bis zu jenem Tag, an dem sein Leben zum dritten Mal vollkommen auf den Kopf gestellt wurde, war Keron insgesamt acht Jahre bei Sir Francis gewesen und er hatte einiges bei ihm gelernt, wie zum Beispiel das Reiten, wie man in der Natur überlebte, das Fallenstellen, um zu jagen, und noch viele andere Fähigkeiten und Techniken. Allerdings hatten sie mit seinem Kampftraining, das Keron benötigte, um ein Ritter zu werden, noch nicht so richtig begonnen. Sir Francis hatte immer gemeint, dass er noch nicht bereit dazu wäre. Dies sah Keron natürlich ganz anders, aber wenn sich der alte Ritter einmal eine Meinung gebildet hatte, war er nur noch schwer davon abzubringen.
Keron war nun ein junger Mann von 18 Jahren mit kurzen braunen Haaren und einem von der Arbeit mit Sir Francis recht muskulösen Körper, was man ihm aber wegen seiner drahtigen Statur nicht gleich ansah. Dies konnte, wie Keron herausfand, sich allerdings manchmal auch als Vorteil herausstellen, weil ihn seine Gegner oftmals unterschätzten, was wiederum dazu führen konnte, dass er sie mit einem unerwartet kräftigen Schlag überraschte.
Keron hatte zwar die grundlegenden Fähigkeiten, um alleine überleben zu können, aber wenn es zu einem richtigen Kampf kommen würde, käme er mit seinen bescheidenen Schwertkünsten nicht sehr weit. Ein Anflug von Zorn breitete sich in ihm aus. Hätte Sir Francis ihn schon früher im Kampf unterrichtet, wäre vielleicht alles anders gelaufen. Vielleicht hätte er dann etwas tun, hätte irgendwie helfen können.
Keron schüttelte seinen Kopf, um diese Gedanken zu verscheuchen, und Wasser spritzte in alle Richtungen, wie bei einem Hund, der sich nach einem Bad schüttelte, um wieder trocken zu werden.
Vor wenigen Stunden hätte Keron niemals damit gerechnet, dass er sich nun so schlecht fühlen würde. Es war ein wunderschöner Tag gewesen. Sir Francis und er waren vor einem Tag in Reduna, der Hauptstadt des Reiches, angekommen. Die Sonne schien vom blauen Himmel auf Keron herab, der versuchte mit seinem Lehrmeister Schritt zu halten, als sie durch die engen Gassen der Innenstadt marschierten. Er hatte schon viele Orte des Reiches mit Sir Francis besucht, aber in Reduna waren sie nur sehr selten gewesen. Alles schien etwas größer und wundervoller als sonst irgendwo.
„Junge! Pass doch auf, wo du hinläufst!“, rief Sir Francis plötzlich. Keron richtete seinen Blick erschrocken wieder nach vorne, konnte aber nicht mehr verhindern, dass er in einen Händler hineinlief, der gerade die Waren an seinem Stand an der Seite der Gasse neu ordnete. Bei dem Versuch noch auszuweichen, riss er den Mann mit sich zu Boden, was dazu führte, dass einige der Waren auf dem Steinboden klirrend zum Liegen kamen.
„Du verdammter Bengel!“, schrie der Händler wütend. „Geh gefälligst von mir runter, damit ich dir die Ohren lang ziehen kann!“ Sir Francis schnappte seinen Schüler am Kragen und richtete ihn wieder auf. Während Keron Sir Francis entschuldigend ansah, erhob sich auch der Händler und wollte schon wieder anfangen zu schreien. Dann allerdings erblickte er Sir Francis in seiner polierten silbernen Rüstung und das Emblem des Königs auf seiner linken Brust.
Er verstummte und sah zu seinem Verkaufsstand hinüber, wo einige Waren kaputtgegangen waren. „Meine kostbaren Gegenstände!“, jammerte er und funkelte Sir Francis böse an.
Dieser seufzte, holte einen kleinen Lederbeutel hervor und reichte dem verärgerten Händler einige Münzen. Danach wandte er sich ohne ein weiteres Wort zum Weitergehen um und Keron folgte ihm, nachdem er dem Händler noch einen entschuldigenden Blick zugeworfen hatte.
„Du musst wirklich besser aufpassen, Junge“, sagte Sir Francis streng, als Keron ihn eingeholt hatte. „Ein Ritter muss immer wachsam bleiben. Man weiß nie, wann man seinen Feinden gegenübertreten muss.“
„Entschuldigung“, murmelte Keron.
Sir Francis wollte gerade fortfahren seinem Lehrling eine Predigt zu halten, als plötzlich ein lautes Krachen von splitterndem Holz ertönte und er sich nach dessen Ursache umsah. Ein Mann war einige Meter vor ihnen aus einem Lokal hinausgeworfen worden. Vier Männer folgten ihm und halfen ihm aufzustehen. Doch offenbar war die Sache damit nicht erledigt, denn noch mehr Menschen kamen aus dem Gebäude und nahmen gegenüber der ersten Gruppe Aufstellung. Es lag eine bedrohliche Anspannung in der Luft. Keron konnte aus dieser Entfernung nicht verstehen, was die Leute sagten, aber es waren bestimmt keine Nettigkeiten. Dieser Eindruck verstärkte sich weiter, als die beiden Gruppen von Menschen begannen aufeinander loszugehen und sich zu prügeln.
„Vielleicht sollten wir die Stadtwachen holen?“, schlug Keron vor, doch da war Sir Francis schon an ihm vorbeigestampft und ging auf die tobende Menschenmenge zu, die sich gebildet hatte. In seiner schimmernden Rüstung sah er in der Sonne recht eindrucksvoll aus und Keron konnte ihn mit lauter, gebieterischer Stimme rufen hören, während er versuchte die Situation unter Kontrolle zu bringen: „Ihr Narren, prügelt euch nicht wie irgendwelche Tiere! Hört sofort auf!“ Die tobenden Menschen wirbelten den trockenen Staub auf der Straße auf und Keron musste näher herangehen, um erkennen zu können, was dort passierte. Im Vergleich zu ihm selbst sahen die Männer und Frauen, die sich vor ihm prügelten, um einiges stärker aus und er zögerte seinem Mentor zu Hilfe zu kommen. Schnell drehte er sich um die eigene Achse und versuchte irgendwo eine Stadtwache zu finden, als plötzlich ein schriller Frauenschrei die Luft zerriss und Chaos in der Gasse ausbrach.
Die Menschenmassen, die den Kampf bis jetzt mit einiger Begeisterung beobachtet hatten, stoben plötzlich in alle Richtungen davon. Panik stieg in Keron auf und er versuchte gegen den Menschenstrom anzukommen, um zu Sir Francis zu gelangen. Als er endlich an den verängstigten Leuten vorbeigekommen war, gefror ihm das Blut in den Adern. Nur noch eine Person war von den Leuten, die sich geprügelt hatten, übrig geblieben und lag bewegungslos am Boden.
„Fraaancis!“, schrie Keron und lief zu seinem Meister. Er drehte ihn auf den Rücken und sah einen Dolch mit einem aufwendigen Muster am Griff aus dem Bauch direkt unterhalb des Brustpanzers seines Lehrmeisters ragen. Keron legte sich schützend über den Körper seines Meisters und schluchzte, während um ihn herum die Menschen in der Gasse aufgeregt hin und her liefen. Keron konnte es nicht glauben, er rüttelte an Sir Francis, um ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen, aber es half nicht und die Blutpfütze unter ihm wurde immer größer. So viel Blut, das war viel zu viel Blut. Plötzlich wurde Keron von einem Mann in der Uniform der Stadtwache von Sir Francis weggerissen. Ein Dutzend Soldaten waren mittlerweile eingetroffen und versuchten die Lage zu beruhigen. Keron wehrte sich gegen den Griff des Mannes, der ihn festhielt, doch er konnte sich nicht befreien und musste zusehen, wie ein anderer Mann seinen Lehrmeister untersuchte und dann den Kopf schüttelte. Keron gab es auf, sich zu wehren, und heiße Tränen rannen ihm über das Gesicht, als die Soldaten Sir Francis’ leblosen Körper auf eine Trage hievten und davontrugen. Keron erkannte, dass jemand versuchte mit ihm zu sprechen, aber er war wie versteinert, sodass er es nicht schaffte zu antworten. Der Soldat, der ihn immer noch an den Schultern festhielt, schien zu demselben Schluss gekommen zu sein, denn er festigte seinen Griff und bewegte Keron so in dieselbe Richtung, in die sein Meister getragen worden war. Als man ihn zu einem kleinen Amtsgebäude führte, begann es leicht zu regnen. Dort wurde er zu den Geschehnissen befragt und durfte Sir Francis noch einmal sehen, bevor man ihm befahl, vor dem Gebäude auf dem kleinen Platz zu warten. Die Soldaten hatten durchaus Mitgefühl für seine Lage und wollten, dass er im Trockenen blieb, bis ihn jemand abholte, allerdings wollte Keron für den Moment lieber alleine mit seinen Gedanken sein und setzte sich draußen in den Regen an den Sockel der Statue vor dem Amtsgebäude.
Da war er nun und wartete, zu Beginn der Nacht, alleine mit seinen Gedanken. Er konnte es immer noch nicht fassen. Er verfluchte den Schöpfer, weil er alle Personen in seiner Nähe immer zu sich nehmen musste. Was sollte er jetzt nur tun?
Nach einiger Zeit des Grübelns, was nun mit ihm geschehen würde, denn irgendwie musste es doch weitergehen, bemerkte er plötzlich eine Gestalt, die im Dunkeln den Platz vor dem Gebäude der Stadtwache überquerte. Sie sprach kurz mit der Wache, die vor der Tür stand und Keron im Auge behalten hatte, und kam dann direkt auf ihn zu. Es war ein Mann von stattlicher Größe. Er trug einen braunen Mantel um die Schultern und bewegte sich sehr geschmeidig und leise. Man konnte keinen Laut hören, wenn er einen Schritt auf den Steinen des Weges tat. Er kam direkt