Название | Validation als Lebensphilosophie |
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Автор произведения | Wilfried Feurstein |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991076858 |
zeigt sich verängstigt, irrt herum, sucht etwas ihm Vertrautes oder sitzt ruhig da, um sich nicht zu verirren. (Vgl. Pflegewiki, Orientierung 2012)
2.2.2 Zeitliche Desorientierung
Der Dementierende
kann keine Angaben über die aktuelle Tageszeit, den bestehenden Tagesabschnitt oder das aktuelle Datum machen,
kann nicht bestimmen, wie lange er sich in einer Situation oder an einem Ort befindet,
kann keine Aussagen über den Verlauf und die Dauer von Ereignissen treffen,
kann den derzeitigen Monat oder die jeweilige Jahreszeit nicht bestimmen,
weiß über bevorstehende Ereignisse und ihre Bedeutung nicht Bescheid,
verwechselt Daten und Termine,
zeigt sich verunsichert,
zeigt einen veränderten Tag-Nacht-Rhythmus
und verwechselt lebende und verstorbene Personen. (Vgl. Pflegewiki, Orientierung 2012)
Ständig wiederkehrende Rituale geben Sicherheit:Alltagskleidung, SonntagskleidungFeiertage, TrauertageWechsel der Jahreszeiten oder wiederkehrende Ereignisse im Jahresablauf dekorieren (Advent, Ostern und Ähnliches)Essrituale (freitags fleischlos, Sonntagsfrühstück)Morgen- oder Abendgebete usw. (Vgl. Scharb 1996)
2.2.3 Personelle Desorientierung
Der Dementierende
kann seinen Familiennamen, Vor- und/oder Geburtsnamen nicht benennen,
weiß seinen Familienstand nicht,
weiß sein Geburtsdatum und/oder sein Alter nicht,
kann keine Auskunft über seinen erlernten Beruf geben,
kann keine Angaben darüber geben, ob und wie viele Personen im Haushalt leben,
weiß nicht, ob und wie viele eigene Kinder existieren,
zeigt sich verstört und sucht das Gefühl der Mutter (Liebe).
Die Logik unserer Denk- und Wahrnehmungsmuster ist in der Demenz ähnlich der eines Kindes. Beispielsweise suchen Dementierende die Mutter, wenn sie sich nicht geliebt und geborgen fühlen, obwohl diese schon vor langer Zeit gestorben ist. In diesem Fall ist es die Sehnsucht nach der Mutter, die die zeitlich verschobene Wahrnehmung bestimmt. Wenn sie sich durch Menschen in ihrer Umgebung überfordert fühlen, kann es passieren, dass sie selbst mit ihren nahen Angehörigen in einem sehr unpersönlichen Ton sprechen: „Was machen Sie in meinem Zimmer? Verlassen Sie sofort diesen Raum!“ Hilfreich für diese Menschen ist der Aufbau einer vertrauensvollen, fürsorglichen Interaktion. (Vgl. Scharb 1996)
2.2.4 Situative Desorientierung
Der Dementierende
kann Gründe für derzeitigen Aufenthalt oder für die gegenwärtige Situation nicht benennen,
kann keine Auskunft über die Art und Weise seiner Her- und Ankunft geben,
kann Eigenschaften von Dingen nicht beschreiben,
kann Funktionen und Positionen von Menschen nicht zuordnen,
kann Gebrauchsgegenstände nicht bestimmen und unterscheiden
oder zeigt sich ratlos.
Die Dementierenden erleben ihre Situation, sind aber nicht fähig, ihre Lage zu begreifen, was wiederum als stark existenzbedrohend erlebt wird.
Länger dauernde zeitliche Orientierungslosigkeit führt zum Verlust der ICH-Identität. (Vgl. Scharb 1996)
2.3 Demenz-Merksätze
„Demenz – Für viele ist es das schlimmstmögliche Ende: das Leben zu verlieren, lange vor dem Tod. … Vom Menschen bleibt nur mehr eine Hülle, der man den Tod wünscht, um dem langsam schleichenden Sterben ein Ende zu geben.“
„Kaum ein Schicksal wird so gefürchtet wie jahrelang im Siechtum der demenziellen Veränderung in einem Pflegeheimbett zu liegen.“
„Lieber lahm, blind oder besser gleich tot – nur kein Versinken im ewigen Vergessen.“
„So werden demenziell veränderte Menschen als dumpf dahindämmernde Hülle beschrieben. Das Leben wird ihnen abgesprochen und man redet vom lebenden Toten.“
„Die Medien erzeugen Angst und Abwehr, wenn sie die Demenz als bösartige Krankheit beschreiben, die den Menschen als Person auslöscht. Diese Meinung entsolidarisiert und grenzt demenziell veränderte Menschen aus und lässt die Frage zu, ob dieses vegetierende, menschenunwürdige Leben erhaltenswert sei.“ (Wißmann/Gronemeyer 2008, S. 20ff.)2
Was weiß die Medizin über Demenz?
„Es sind keine eindeutigen Ursachen oder Entstehungsgeschichten der Demenz bekannt.“
„Wo keine gesicherten Kenntnisse zu Ursachen und Entstehung vorliegen, kann es auch keine kausale Therapie und Heilung geben.“
„Der einzige gesicherte Risikofaktor ist das Alter.“
Wobei die Menschen mit der Diagnose „Demenz“ immer jünger werden
„Medikamentöse Behandlung der demenziellen Veränderung wird immer mehr in Frage gestellt.“
„In jüngster Zeit wurden vermehrt wissenschaftliche Untersuchungen und Positionen veröffentlicht, in denen die Wirksamkeit der Medikamente in Zweifel gezogen und auf die mangelhafte Qualität bisheriger Studien verwiesen wird.“
„Meist werden Medikamente zur Therapie von psychischen Begleiterscheinungen der Demenz verschrieben (Neuroleptika, Antidepressiva, Hypnotika und Tranquilizer). Diese Medikamente sind nicht demenzspezifisch, sondern wirken gegen die Verhaltensweisen, die von der Umwelt als störend und gefährdend eingeschätzt werden. Die Haupt- und die Nebenwirkungen können gravierend sein, deshalb muss sorgfältig damit umgegangen werden.“ (Wißmann/Gronemeyer 2008, S. 24ff.)2
2.3.1 Ist Demenz eine Krankheit?
Udo Baer sieht die Demenz als einen Erlebensprozess an: Auch in der Neurowissenschaft werde der Blick von der Denkstörung immer mehr auf die sozialen, emotionalen und anderen Aspekte des Erlebens und Verhaltens erweitert. (Vgl. Baer 2007, S. 33) Für Naomi Feil ist der Rückzug hochbetagter Menschen in ihre Vergangenheit keine Geisteskrankheit und kein Gebrechen, sondern eine Form des Überlebens. (Vgl. Naomi Feil, 1990, zitiert nach Scharb 1999, S. 1)
2.3.2 Ist Alzheimer ein normaler Alterungsprozess?
In der Literatur wie in Berichten und Geschichten tauchen immer wieder senile und sinnesgeschwächte Greise auf, deren Verhalten niemand mit einer Krankheit identifiziert hat. (Vgl. Wißmann/Gronemeyer 2008, S. 35)
Die Choctaw-Indianer begegnen Menschen, die ihr Verhalten im Alter verändern, mit mystischer Ehrfurcht. (Vgl. Wißmann/Gronemeyer 2008, S. 37)
Auch Amerikaner asiatischer oder pazifischer Abstammung sehen Demenz als nicht behandelbaren, natürlichen Alterungsprozess und afroamerikanische Pflegende weisen im Vergleich mit einer weißen Untersuchungsgruppe ein geringeres Belastungserleben auf.
Dem herausfordernden Verhalten von dementierenden Menschen wird in Entwicklungsländern eine sehr hohe Toleranz entgegengebracht. (Vgl. Wißmann/Gronemeyer 2008, S. 37f.)
Verschiedene alte Kulturen ehren demenziell veränderte Menschen. Die Inuit glauben, dass bei Menschen mit Demenz der Geist den Körper verlasse, in eine heilige Sphäre eintrete und neu wirke.
Es stellt sich die Frage, was ein Phänomen wie die Demenz einer Gesellschaft wie der unsrigen zu sagen hat und wie wir den Umgang mit dieser Bevölkerungsgruppe würdig gestalten können. (Vgl. Wißmann/Gronemeyer 2008, S. 22)
Vielleicht