Das lachende Baby. Caspar Addyman

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Название Das lachende Baby
Автор произведения Caspar Addyman
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783956144479



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Teil der Forschungen zu Vergnügen und Lust dreht sich um die Lust am Essen, nicht zuletzt, weil in Tierexperimenten die Belohnung durch Futter wunderbar funktioniert. Man kann eine Maus oder einen Affen schlecht nach ihren Lieblingssongs fragen, aber bei ihren Essensvorlieben sind sie sehr auskunftsfreudig. Das Gleiche gilt für Babys. Sobald ein Baby anfängt, feste Nahrung zu sich zu nehmen, müssen sich die Eltern auf viele Jahre mit Wutanfällen und Verweigerung einstellen, wenn ihr Kind etwas zu essen bekommt, das es nicht mag. Oder normalerweise schon mag, aber gerade heute nicht, vielen Dank Mami. Für jeden Gesichtsausdruck, der Abscheu vor Essen anzeigt, gibt es ein Pendant, das Entzücken signalisiert. Den Gemüserebellionen steht das Eiscremelächeln gegenüber.

      Erstaunlicherweise sind es in unserer erweiterten Affenfamilie immer die gleichen Gesichtsausdrücke, die diese Vorlieben übermitteln. Dieses Wissen verdanken wir einem ungewöhnlichen Experiment, das Berridge und sein Team 2001 unternommen haben (Steiner, Glaser, Hawilo und Berridge 2001). Zuerst gaben sie neugeborenen Babys (mit Saccharose) gesüßtes Wasser und (mit Chinin versetztes) bitteres Wasser und filmten die Gesichter, die sie dabei zogen. Dann wiederholten sie das mit einer bunten Schar unserer Affenverwandten. Sie testeten insgesamt elf andere Arten, darunter alle Menschenaffen (Gorillas, Orang-Utans und Schimpansen) und viele Affen mit fantasievollen Namen wie die Rotkopfmangabe und den Östlichen Graukehl-Nachtaffen. Zur Vervollständigung nahmen sie noch einen Mongozmaki dazu.

      Die grundlegende Erkenntnis war nicht allzu überraschend: Alle elf anderen Arten zogen Süßes dem Bitteren vor. Bemerkenswert war, dass sie das mit beinahe identischen Gesichtsausdrücken signalisierten. Menschenbabys und Affenbabys kniffen gleichermaßen die Augen zu und zogen die Nase kraus, wenn sie das bittere Gemisch bekamen, und streckten bei der süßen Limonade die Zunge vor. Und als die Videos noch einmal sorgfältig in Zeitlupe analysiert wurden, breiteten sich die Ausdrücke in genau der gleichen Geschwindigkeit über die Gesichter aus, wenn man die jeweilige Größe berücksichtigte. Bei einem Gorilla breitete sich die Grimasse also langsamer aus als bei einem Goldhandtamarin, aber es war dieselbe Grimasse. Interessanterweise drückten nur Menschen und die anderen Menschenaffen Vergnügen durch Lächeln aus.

      Die Schlussfolgerung aus dieser Studie lautet nicht nur, dass alle Affenbabys Limonade mögen, sondern dass unsere hedonistischen Reaktionen Millionen Jahre alt sind. Es ist nicht überraschend, dass die Früchte liebenden Mitglieder der Primatenfamilie allesamt Süßes mögen. Aber unser jüngster gemeinsamer Vorfahr mit den südamerikanischen Affen lebte vor 30–65 Millionen Jahren. Die Lemuren sind sogar noch entferntere Verwandte. Die Ausdrücke auf den Affengesichtern waren nicht alle identisch, aber doch so ähnlich, dass wir zuversichtlich sagen können, dass die Reaktionen gleich waren.

      Der Einwand liegt auf der Hand: »Na und? Die einfachen Genüsse von Babys und Affen sind eines, aber über die raffinierten Vergnügungen von Erwachsenen sagt das nicht viel.« Vielleicht doch. Denn selbst die raffiniertesten erwachsenen Gelüste wie die nach gutem Essen, teurem Wein und abstrakter Kunst spiegeln das gleiche grundlegende Vergnügen wider, das wir in dem glücklichen Gesicht eines Seidenäffchen-Babys erkennen.

      So sieht es Paul Bloom, ein kanadischer Psychologe, der an der Universität Yale arbeitet. Er ist Experte für Babys und hat drei Bücher über sie und das, was wir von ihnen lernen können, geschrieben. Aber er hat auch sehr viel über andere Themen publiziert, unter anderem über Moral, Empathie und Vergnügen. In seinem Buch Sex und Kunst und Schokolade: Warum wir mögen, was wir mögen (2011) vertritt er die »essenzialistische« Position, dass alle Dinge, die uns Vergnügen bereiten, etwas gemeinsam haben, das sie vergnüglich macht. Zum Beispiel verliert ein Kunstwerk, das einem großen Künstler zugeschrieben wird, den Kunstkenner sehr schätzen, schlagartig an Wert und Faszination, wenn sich herausstellt, dass es eine geniale Fälschung ist, weil nun die Essenz des Meisters nicht mehr da ist.

      Bloom spricht in seinem Buch nicht viel über Babys, aber ihre Freuden und Vorlieben sind der Ursprung dessen, was wir mögen und was uns Vergnügen bereitet. Eine meiner liebsten Süßigkeiten als Kind waren Cherry Lips, harte, wie Lippen geformte kirschrote Bonbons, deren Konsistenz und Geschmack an Plastik erinnerten. Meine Mutter aß sie in großen Mengen, als sie mit mir schwanger war. Wahrscheinlich stammte meine Vorliebe daher. (Woher ihre Gier danach stammte, wissen wir nicht.)

      Julie Mennella hat untersucht, wie Geschmacksvorlieben von Müttern an ihre Babys weitergegeben werden. Sie arbeitet am Monell Chemical Senses Centre in Philadelphia, und ihre frühesten Forschungen zeigten, wenn Mütter in der Schwangerschaft oder während der Stillzeit viel Karottensaft getrunken hatten, mochten ihre Babys Getreidebrei mit Karottengeschmack, sobald sie mit fester Nahrung begannen (Mennella, Jagnow und Beauchamp 2001). Passenderweise war sie durch frühere Untersuchungen mit Kaninchen zu dieser Studie angeregt worden. 1994 hatten Agnes Bilko und ihr Team festgestellt, dass kleine Kaninchen eine besondere Vorliebe für Wacholderbeeren zeigten, wenn ihre Mütter damit gefüttert worden waren. Diese Vorliebe wurde sogar dann weitergegeben, wenn die Wacholderbeeren den Kaninchenbabys nur im Kot der anderen Kaninchen im Nest begegneten. Natürlich konnte man diesen Versuch nicht mit Menschenbabys wiederholen, aber die Forschung zeigt, dass Vorlieben mit dem zusammenhängen, was Babys im Mutterleib oder durch die Muttermilch kennenlernen.

      Mennellas Forschungsteam testete Vanille, Anissamen, Minze und Knoblauch, und alle entsprechenden Vorlieben können von der Mutter an das Baby weitergegeben werden. Unsere landestypischen Essensvorlieben könnten mit der Muttermilch auf uns übergegangen sein. Mennella, die Amerikanerin italienischer Abstammung ist, erklärt auf diese Weise gern ihre Vorliebe für Gerichte mit viel Knoblauch. Doch solche Vorlieben haben Grenzen. Viele grüne Gemüse sind ziemlich bitter, und kleine Kinder nehmen Bitteres intensiver wahr. Kinder dazu zu bringen, dass sie Gemüse essen, übersteigt immer noch die Fähigkeiten der Wissenschaft.

       Kot und Kichern

       Wird das Kind

       vom Töpfchen hochgehoben,

       hört es von der Mutter

       das erste große Lob:

       Drum ist es, wenn wir erwachsen sind,

       ein gutes Omen,

       den Tag mit einem befriedigenden

       Schiss zu beginnen.

      W. H. Auden, »The Geography of the House«, in: About the House, 1965

      In seinem Buch About the House machte es sich W. H. Auden zur Aufgabe, aus der Perspektive jedes Raums über das Leben nachzudenken. Das Gedicht über die Toilette ist ein besonderer Höhepunkt. Es handelt von der elementaren Lust am Kacken, und Auden kombiniert dabei lustvoll Fäkalhumor mit intellektuellen Reflexionen über Luther, Freud und den heiligen Augustinus. Er erkennt an, welches Vergnügen uns allen ein befriedigender Schiss bereitet, und führt das zurück auf unsere frühesten Tage, als wir für diesen Akt der Selbstkontrolle sehr gelobt wurden. Er geht sogar so weit zu sagen: »Alle Kunst kommt von diesem Ur-Akt des Machens.« Leicht paraphrasierend könnten wir sagen, seiner Meinung nach seien alle Akte künstlerischer Kreativität nur Beispiele, wie ihre Urheber versuchten, die Lust eines guten Schisses zu reproduzieren.

      Auden hatte selbst keine Kinder und unterschätzt, wie viel Lob Babys für »gutes Kacken« bekommen, lange bevor sie auf den Topf gesetzt werden. Von der Geburt an hören Babys beifällige Laute von ihren stolzen Eltern, wenn sie zur richtigen Zeit ihre Windel füllen. Und das ist auch gut so, denn Eltern erfahren schnell, dass Neugeborene Freude und Scheiße in großen Mengen produzieren.

      Wie nicht anders zu erwarten, unterstützen Windelhersteller diese Begeisterung. Mamia und Pampers haben Werbefilme mit »Kackgesichtern« produziert. Sie zeigen eine Reihe von Babys, die eindeutige Gesichter ziehen, während sie glücklich ihre Windeln vollmachen. Beide Filme – gedreht in großartiger Zeitlupe und unterlegt mit bewegender klassischer Musik – haben Branchenpreise gewonnen. Das ist vollkommen einleuchtend, sobald man sich nicht mehr fragt, wie sie diese emotionsgeladenen Darmbewegungen eingefangen haben.

      Eltern