Название | TITANROT |
---|---|
Автор произведения | S. C. Menzel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783957658388 |
»Wenn du willst«, sagte er und kräuselte die Lippen, als schmeckten seine Worte bitter.
»Wenn ich will?«
»Es ist deine Entscheidung«, erklärte er und diesmal erkannte sie das Gefühl hinter seiner Miene überdeutlich: Hass.
»Das wäre das erste Mal«, sagte sie. Sein Verhalten verwirrte sie. Woher kam der Hass? Er kannte sie gar nicht. Und dann, als ihr auffiel, dass sie anscheinend gerade ihre erste Tanzanstellung bekommen hatte, verneigte sie sich vor ihm. »Danke.«
Aber das Wort hinterließ einen schalen Geschmack in ihrem Mund. Wieso freute sie sich nicht? Weil sie es nicht verdient hatte. Sie hatte keine gute Vorstellung abgegeben. Keine, die es wert war, genommen zu werden.
»Sie sollten mich nicht anstellen«, rutschte es ihr raus.
»Wieso nicht?«
»Weil ich nicht gut war.«
»Komm wieder und tanze noch einmal vor, wenn du willst«, erklärte er und diesmal zeigte er keine Gefühle. Wie eine sprechende Statue.
»Morgen? Um dieselbe Zeit?«
»Wenn du willst.« Er starrte sie mit einer Intensität an, die sie schaudern ließ.
»Danke. Ich werde so gut tanzen, wie noch nie. Ich werde die beste Tänzerin Inuas werden. Versprochen. Ich gebe mein Bestes morgen«, bedankte sie sich artig.
Aber als sie den Raum verließ, nagte sie an ihrer Unterlippe. Etwas stimmte hier nicht.
Bei Raka
Nomadenstation im Orbit über der Eiswelt Amarok
Rakas Innenhof erinnerte an altmodische Städte der Erde. Fassaden aus Glas ragten an allen Seiten in die Höhe. Auf Balkonen, die wie wahllos angeklebt wirkten, wucherte Grünzeug. Blumenbeete setzten pinke und weiße Farbtupfer ins Grün neben dem Weg. Alles hier sah aus, wie auf den Videos, die von der Erde oder ihr nachempfundenen Habitaten stammten. Nur das Licht besaß einen sanften Goldton, den Glenn von den Bildern der fremden Welt nicht kannte.
»Wie viel der Architekt für den Schund wohl kassiert hat?«, fragte er.
»Wieso? Willst du dich beruflich umorientieren?« Nance kicherte. »Ich seh’ dich schon mit Seidenschal und schwarzem Pulli Sekt schlürfen.«
»Wenn’s die Luft und den Schnaps bezahlt«, sagte Glenn und ging weiter. Vorbei an einem Fischteich, in dem fette Goldfische träge nach Wasserläufern schnappten.
In der Mitte des Hofes stand ein Terminal, um das dürre Leute saßen. Die Gesichter hinter breiten VR-Brillen versteckt, schienen sie nichts von ihrer Umgebung mitzubekommen. Ihre Haare hingen in verknoteten Zotteln bis auf die Sitzflächen der Sessel. Drohnen surrten um sie herum wie Fliegen und wechselten Flaschen an Anschlüssen aus, die ihre Körper mit Nährflüssigkeit versorgten. Diese Menschen hatten sich nicht vom Fleck bewegt, seit sie die Brillen vor Jahren aufgesetzt hatten, denn jedes physische Bedürfnis wurde ohne ihr Zutun gestillt. Im Traumland gefangene Leichen. Sie erreichte nur noch, wer sich zu ihnen auf die andere Seite begab.
Nance beschleunigte ihren Schritt in Richtung der in der VR Verlorenen. Er packte sie an der Schulter und hielt sie zurück.
»Wir sind hier nicht zum Spielen.«
»Schade«, flüsterte sie und echtes Bedauern schwang in ihrer Stimme mit.
»Du solltest Abstand von so was halten«, mahnte er. »Die Dinger sind extra so konzipiert, dass du sie nie mehr verlässt. Das weißt du doch.«
»Für wen hältst du mich?«, fragte sie. »Ich hab das im Griff.«
»Noch«, murmelte er.
»Sie mögen VR nicht?« Eine Frau mit Regenbogenhaar stand von einem der Sitze auf und nahm ihre VR-Brille ab. Darunter kam ein Gesicht aus weißem Synthik zum Vorschein. Silberglitter klebte um ihre Augen herum.
Glenn blieb stehen. Das Ding sah aus, wie eine Erscheinung aus einem Fiebertraum. Wieso verwendeten Leute und erst recht Maschinen so viel Zeit und Mühe in die Verunstaltung ihrer selbst?
»Mich interessieren Fantasiewelten nicht«, sagte er.
»Das glaube ich Ihnen sofort.« Sie zeigte ihre Zähne. »Wenn Sie nicht zum Spielen hier sind, wie kann ich dann helfen?«
»Sind Sie Raka?«, fragte er. »Wir sollen Sie vom Händler gegenüber grüßen.«
Die Androidin kniff die Augen zusammen, als sehe sie ihn jetzt erst richtig. »Ihr wollt, dass ich euch finanziell unter die Arme greife?«
»Bis wir das Geld für einen Auftrag eingesammelt haben.« Die Farbtupfer ihrer Kleidung verschwammen vor seinen Augen, je länger er darauf starrte.
»Ich bin wirklich gut darin, Leute zum Zahlen zu bringen. Gegen einen gerechten Anteil natürlich.« Sie sah aus wie eine Katze, die sich die Fischreste ihrer letzten Mahlzeit mit den abgenagten Gräten aus den Zahnzwischenräumen pulte.
»Deshalb sind wir nicht hier.« Glenn unterdrückte ein Schaudern. Jeder anständige Nomade machte einen Bogen um Blechbüchsen. Er sollte umkehren und das Geld vergessen. »Wir brauchen nur einen Kredit, bis die Zahlung eingeht. Wir begleichen unsere Schulden schnell und einfach.«
»So läuft das hier nicht«, antwortete sie weich. »Ich brauche gewisse Sicherheiten, bevor ich Geld unter den Leuten verteile. Es hat nur einen Wert, solange Menschen schwer drankommen. Eine ausstehende Schuld klingt allerdings vielversprechend. Wann rechnet ihr mit der Zahlung des Schuldners?«
»Sobald wir seinen Bruder im Krankenhaus enteist haben, kriegen wir das Geld. Wir brauchen allerdings Geld, um das Krankenhaus zu bezahlen.«
»Ihr habt jemanden auf Eis gelegt und könnt es euch nicht leisten, ihn aufzutauen, wenn er nicht bei Bewusstsein ist?«, fragte Raka und kicherte wie ein kleines Mädchen. »Wieso tut ihr so etwas?«
»Er war schon tot«, erklärte Nance und warf dem Androiden einen schwer zu deutenden Blick zu.
»Wieso?« Raka wirkte plötzlich ernst. »Woran ist er gestorben?«
»Schlaganfall«, sagte Glenn.
»Hat das euer Medisarg gesagt?«
Glenn öffnete den Mund, um zu verneinen, doch Raka hob die Hand. Ihre Nägel funkelten im Licht. »Ist schon gut. Eine Enteisung ist kostspielig. Kleine Beträge lohnen sich da nicht, und ich nehme ja noch Zinsen. Um wie viel geht es hier?«
»Drei Millionen Kuben«, erklärte Glenn.
»Das nenne ich einen Auftrag.« Raka pfiff durch die Zähne. Dann lehnte sie sich verschwörerisch zu Glenn herüber. »Kleiner Tipp für die Zukunft: Du brauchst den richtigen Betrag nicht zu nennen. Nur einen, der die Sache für deinen Gegenspieler lukrativ macht.« Sie stellte sich wieder gerade hin. »Gut. Ich kauf euch den Auftrag samt Leiche ab und nehme fünfzig Prozent. Meine Leute holen den Leichnam im Hafen ab.«
»Fünfzig?«, fragte Nance. »Auf keinen Fall!«
Raka warf ihr den Blick zu, den man einem Kind gönnte, das etwas Dummes sagte. »Ihr könntet das nicht selbst regeln, Liebchen. Fünfzig Prozent von drei Millionen sind mehr als nichts. Aber ich mag euch. Sagen wir fünfundvierzig Prozent.«
»Was heißt, wir könnten das nicht selbst regeln?«, fragte Nance. »Der hatte bei der Beschleunigung einen Schlaganfall. Das kriegt ein guter Medisarg wieder hin. Vielleicht finden wir jemanden, der im Gegenzug für Anteile einen bereitstellt.«
»Was, wenn er nicht an einem Schlaganfall gestorben ist?« Raka sah unheimlich zufrieden aus. »Was, wenn das Krankenhaus ihm nicht helfen kann?«
»Quatsch«, erklärte Nance und verschränkte die Arme. »Der ist frisch eingefroren.«
Raka verengte ihre Augen zu schmalen Schlitzen. »Wusstet ihr, dass die Konglomerate in die Körper ihrer teuersten Arbeitskräfte Nanobots injizieren?