Название | Vom Leben getragen |
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Автор произведения | Ajana Holz |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783863215606 |
Auf vielen Ebenen Raum geben und den Raum halten8, das sind zwei von unseren wesentlichen Aufgaben. Um uns wieder zu erinnern. Den Impulsen zu trauen und zu tun, was das Herz oder die Intuition, die innere Stimme uns sagt. Denn das bringt uns auf den eigenen Weg.
Dafür braucht es Zeit, ermutigende Anregung und Begleitung, die Schutz und Sicherheit gibt – und manchmal Stille und Langsamkeit. Kleinere Kinder stellen oft die Fragen, die sich Erwachsene nicht zu fragen trauen, und helfen – mit ihrer meist unbeschwerten Unbefangenheit – uns Älteren, innezuhalten und eine andere Wahrnehmung zuzulassen.
Dies ist ein Buch, in dem ich gerade auch den vielen unausgesprochenen Fragen zu Tod und Bestattung Raum geben will. Und ich will Mut machen.
Mut für den eigenen Weg beim letzten Abschied, für die ganz eigene unvergleichliche Art, wie jede und jeder von uns der Trauer Ausdruck gibt. Und auch Mut dazu, auf manche Fragen keine abschließende Antwort zu haben. Und sie trotzdem zu stellen.
Ich möchte dabei helfen, die Angst davor zu verlieren, sich von geliebten verstorbenen Menschen berühren zu lassen, indem wir sie ein Stück auf ihrem Weg – bei ihrem Übergang – hinaus aus diesem Leben begleiten. Und ich will einen Einblick geben in die Geschenke, die in der Erfahrung eines gut begleiteten Abschieds für uns alle liegen können.
1 Wenn ich in diesem Buch über Angehörige eines Geschlechts schreibe, dann benenne ich es auch so. Meines Erachtens sind alle derzeit gebräuchlichen Genderformen Kompromisslösungen. Da ich mich für eine Form entscheiden musste, verwende ich für die geschlechtergerechte Sprache in diesem Buch fortan das große Binnen-I, wenn es um alle Geschlechter geht (wie z. B. in BestatterInnen). Mir ist bewusst, dass sich bei keiner Genderform alle gleichwertig angesprochen fühlen, und ich weiß um die vielen Geschlechter, die es jenseits der momentan noch sehr festgelegten Norm der Polarität männlich-weiblich gibt. Mir ist ebenso bewusst, dass alles Weibliche (nicht nur) sprachlich untergeordnet wird.
2 Heute weiß ich, dass dies auf der ganzen Welt auch als Teil der Initiation von SchamanInnen gilt. Die Bezeichnung „SchamanInnen“ ist jedoch aus einem anderen Kulturkreis. In unserem Kulturkreis hießen wir früher unter anderem Weise Frauen, Heilerinnen, Kräuterkundige … Sage-femme (Weise Frau) heißt auch heute noch auf Französisch: Hebamme. Die Bezeichnung „Hexe“ wurde zum todbringenden Schimpfwort. Über diese Verfolgung und ihre verheerenden Folgen bis heute lernen wir in Schule und Bildungswesen so gut wie nichts (siehe Kapitel VI: Die Vernichtung der Weisen Frauen: An unseren Wurzeln beschnitten).
3 Angehörige sind für mich alle, die sich den Verstorbenen zugehörig oder verbunden fühlen: nicht nur die gesetzlich legitimierten Verwandten und die Familie, sondern auch die Wahlverwandten, die Wahlfamilie, die Freundinnen und Freunde.
4 In Deutschland gibt es mittlerweile zwar die Waldbestattungen unter Bäumen außerhalb von Friedhöfen, aber ausschließlich für Urnen. (Z. B. über Firmen wie Ruheforst oder FriedWald. Es gibt aber auch andere – teilweise auch kleine lokale – Anbieter und manchmal kann dadurch ein näher liegender Bestattungswald gefunden werden.)
5 Erst seit 2007 gibt es hierzulande den staatlich anerkannten Ausbildungsberuf der Bestattungsfachkraft.
6 Zitat eines jungen Bestattungsunternehmers
7 Sterbefälle im Jahr 2018. Statistisches Bundesamt, www.destatis.de (08.03.2020)
8 „Halten ist eine äußerst bewegliche Handlung; einer Art energetischem Muskeltraining vergleichbar, jenseits von Starre und Fest-halten.“ Ute Manan Schiran: Am Küstensaum der Zeit – Gedanken zu einer sinnlich-spirituellen Praxis jenseits bestehender religiöser/säkularer Systeme/2 Essays. München, 2008, S. 39
II Tod im Leben: Unser gesellschaftlicher Umgang
In diesem Buch geht es nicht so sehr um die großen philosophischen oder religiösen Fragen über ein mögliches „Leben nach dem Tod“ oder darüber, ob und wie es nach dem Tod weitergeht. Für mich bleibt dies ein Geheimnis, dessen Komplexität ich nicht erfassen kann. Und das ist auch gut so.
Mir geht es sehr konkret um diesen wesentlichen, unwiderruflichen und einzigartigen Zeitraum zwischen Tod und Bestattung, um den derzeit üblichen Umgang mit den toten Menschen und um den Umgang mit Trauernden. Das alles meine ich mit Bestattungskultur.
Wenn wir uns anschauen wollen, wie hier und heute mit Tod und Bestattung umgegangen wird, dann müssen wir uns speziell auf Deutschland konzentrieren. Denn es braucht zunächst noch nicht einmal den Blick über Europa hinaus, um große Unterschiede festzustellen – so scheint etwa in England, Italien oder Holland der Umgang mit den Verstorbenen um einiges angstfreier als hierzulande zu sein. Tote werden unter anderem in Italien ganz selbstverständlich geküsst und geherzt. Dort ist die Angst vor dem obskuren „Leichengift“ (das definitiv nicht existiert, aber darüber später mehr in diesem Buch) nicht so verbreitet wie hier, wo wir immer noch von Menschen gefragt werden, ob es wirklich ungefährlich sei, ihre Toten zu berühren. In England und Holland ist es vielerorts auch heute noch üblich und ganz selbstverständlich, die Verstorbenen offen zu Hause aufzubahren und dort Abschied zu nehmen. Warum ist das bei uns hier nicht (mehr) so?
Tod hier und heute: Schwermütiges Dunkel und Schweigen?
Es scheint, dass fast nirgends sonst das Thema Tod so tabuisiert ist wie hier bei uns. Woher kommt es, dieses Schweigen? Woher kommt die Angst, über den eigenen Tod oder den unserer Lieben zu reden oder sogar nur darüber nachzudenken? Woher kommt die Schwere, die unvermeidlich scheint, sobald es um Tod und Bestattung geht? Dieses Dunkle, das häufig noch im Äußeren auf unseren Friedhöfen zu finden ist: bedrückend düstere Trauerhallen, dunkle Friedhofskapellen und manchmal schäbig-schmutzige Aufbahrungsräume, schwarze Tücher auf dem Sargwagen und dunkle Särge …
Obwohl sich hier langsam glücklicherweise ein Kulturwandel bemerkbar macht und immer mehr TrauerrednerInnen und PfarrerInnen die Abschiednehmenden bei Trauerfeiern miteinbeziehen, findet sich bei den meisten Bestattungen noch überwiegend schwermütige Musik, die selten wirklich unterstützend „trägt“ und selten die Lieblingsmusik der Verstorbenen war, sondern eher eine Trauermusik ist, die die Abschiednehmenden meist noch mehr bedrückt. Die üblichen Trauerreden enthalten wenig Anekdoten, über die alle auch lachen können, obwohl diese Seite doch genauso zum Leben und zu der Persönlichkeit der meisten Verstorbenen dazugehört hat und das gemeinsame Lachen – neben den Tränen – sehr verbindend wirken kann. Die so wichtigen letzten Worte über die Verstorbenen werden meist nur von PfarrerInnen oder professionellen TrauerrednerInnen gesprochen und sind leider noch zu oft schmerzlich unpersönlich, distanziert und damit wenig tröstlich, berührend oder lebendig. Zu selten bekommen die Menschen, mit denen die Verstorbenen im Leben auf unterschiedlichste Weise verbunden waren, den Raum und die Unterstützung, auf der Trauerfeier zu sprechen. Helle, farbenfrohe und freundliche Gestaltungen der Abschiedsräume und Trauerhallen sind noch außergewöhnlich und nur manchmal bei aufgeschlossenen Bestattungsunternehmen und Friedhöfen (und ganz selten in Kliniken oder anderen Einrichtungen) zu finden. Viele haben Angst, dass zu „Fröhliches“ bei Bestattungen befremdlich oder gar als „pietätlos“ (= würdelos) empfunden werden könnte. Manche trauen sich kaum, von einer „schönen“ Trauerfeier zu sprechen, auch wenn sie es tatsächlich war, als wäre „schön“ dafür ein ganz und gar unpassendes Wort. Und um bei einer Trauerfeier, beim Abschied von den Verstorbenen, lachen zu dürfen, brauchen manche fast schon eine „Erlaubnis“, als wäre auch das absolut unvereinbar: die Trauer und das Schöne, der Schmerz und das Glückliche im Leben – obwohl Beerdigungen und Trauerfeiern Teil unseres Lebens sind und doch immer etwas aus dem Leben der Verstorbenen widerspiegeln sollten.
In England und den skandinavischen