Название | Vom Leben getragen |
---|---|
Автор произведения | Ajana Holz |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783863215606 |
Pränataldiagnostik: Entscheidung über das Leben vor der Geburt
VI Mit der Todin tanzen: Eine andere Kultur
Mexiko: Das bunte Fest für die Toten
Die Vernichtung der Weisen Frauen: An unseren Wurzeln beschnitten
Auf den Schultern der AhnInnen
Was heißt hier: Schamanin? Ein Teil meiner Geschichte
VII Wie will ich bestattet werden?
Wichtige Informationen für die erste Zeit nach dem Tod
Bestattungsablauf: Die kostbare Zeit zwischen Tod und Bestattung
Rechtliches: Darf ich … einen Sarg selber bauen? …
Weitere Anregungen zum Selbstgestalten
Wünsche-Fragebogen für die Bestattungsplanung
VIII Literatur- und Medienempfehlungen, Adressen, Quellenverzeichnis
I Mit unserer Liebe für die Toten …
… ehren wir das Leben.
Das ist ein Satz, eine der vielen Essenzen aus den Erfahrungen meines Bestatterinnen-Daseins.
Warum schreibe ich dieses Buch? Ich bin Bestatterin1 mit Leib und Seele. Ich bin auch „Seelen-Hebamme“ und Übergangsbegleiterin. Das ist meine Berufung und meine Lebensaufgabe.
Schon mit zwölf Jahren wollte ich Hebamme werden. Mich interessierte sehr früh alles, was mit Schwangerschaft und Geburt zu tun hatte – diesem ersten großen Übergang ins Leben – und mit den ganz Kleinen, den neu in diese Welt Hineingeborenen. Ich wollte auf jeden Fall Kinder. Heute habe ich eine Tochter und einen Sohn, zwei wunderbare Menschen, die ich sehr liebe und schätze, und ich bin tatsächlich eine „Hebamme“ geworden – wenn auch ganz anders, als gedacht. Offensichtlich sollte ich zuerst meine eigenen Erfahrungen mit Übergängen machen und dann bei einem anderen Übergang begleiten. Aber das wusste ich damals noch nicht.
Mein Weg führte mich unter anderem zu einem Leben als freie Künstlerin, Geburtsbegleiterin (Doula), Aktivistin für Naturschutz, für Frauenräume und für ein respektvolles Zusammenleben mit allem Lebendigen auf dieser Erde. Einige Jahre begleitete ich Frauen bei Lebensübergängen und leitete zusammen mit anderen ein Notrufzentrum für Frauen.
Ich lernte, die Welt nicht nur aus der ökologischen, sondern nun auch aus einer feministischen Perspektive zu sehen: mit Liebe für mich selbst und der Hochachtung für andere Frauen, für die Natur und die Erde. Die großen Übergänge bei der Geburt meiner Kinder und das Leben mit ihnen sowie die Krise einer lebensbedrohlichen Krankheit lehrten mich viel über Leben und Tod.
Im Jahre 1993 begann ich eine dreijährige schamanische Ausbildung, die bis heute eine wesentliche Grundlage meines Lebens und Wirkens in der Welt ist. Darüber werde ich später im Buch noch ausführlicher erzählen. In dieser Zeit erkrankten eine Mitschülerin und eine meiner Lehrerinnen an Krebs. Ich durfte beide Frauen bei ihrem Umgang mit dieser Krankheit erleben – oder genauer gesagt: bei ihrem Umgang mit den Zuständen und Veränderungen in ihren Körpern. Ich durfte erleben, wie die beiden jeweils von einem Netz von Freundinnen auf diesem Weg begleitet wurden und wie alle Beteiligten dabei bis über alle Grenzen hinaus herausgefordert und gleichzeitig reich beschenkt wurden. Kurz hintereinander war ich auf zwei Beerdigungen, die sehr besonders waren und von vielen Frauen getragen wurden. Das Glück, eine große Gemeinschaft um sich zu haben, die unterstützt und mitträgt, einander den Rücken freihält für das Wesentliche und tatkräftig mit begleitet, ist bis heute für die meisten Menschen, nicht nur in schweren Situationen, die Ausnahme.
Während der Ausbildungszeit erlebte ich noch eine dritte Beerdigungszeremonie. Bei dieser wurde eine Frauenstatue aus Holz sanft in ein kleines Holzboot gelegt und wir bildeten eine Passage, einen Weg der Seelenbegleitung, einen Übergang. So wurden wir die Ufer des Flusses. Zum ersten Mal saß ich am Totenfluss, aber das wurde mir erst sehr viel später klar. Als ich dort saß, direkt bei dem kleinen Boot, in dem die Dame gebettet lag, spürte ich mit einem Mal sehr stark: Hier gehöre ich hin, das ist mein Platz, das ist meine Aufgabe. In diesem Moment war sie geboren: die „Seelen-Hebamme“, die schamanische Übergangsbegleiterin. Und von da an wusste ich: Dieser Aufgabe bin ich verpflichtet. Jedoch sollte es noch Jahre dauern, bis ich dieser Verpflichtung nachkommen konnte, denn kurz nach der klaren Erkenntnis, dass ich Bestatterin werden muss, um wieder einen anderen Umgang mit Tod und den Toten in diese Kultur und zurück ins Leben zu bringen, wurde ich selbst schwer krank und war dem Sterben ganz nahe.2
Es war klar, dass ich mich nicht mehr allein um die Kinder kümmern konnte – und das war völlig undenkbar für mich. Da mussten mir erst Außenstehende gut zureden und mich darin unterstützen, dass ich Hilfe brauchte und dass es in Ordnung ist, mich in dieser Situation nicht mehr um die Kinder kümmern zu können. Es gibt wohl nur wenige Mütter in dieser Gesellschaft, die nicht immer wieder Schuldgefühle haben, obwohl sie so viel geben. „Rabenmutter“ ist eine rein deutsche Wortschöpfung und ein sehr bezeichnendes Beispiel dafür, dass immer noch die Hauptverantwortung für das Wohl der Kinder auf den Schultern ihrer Mütter liegt. Ich hätte sehr gern mehr der kostbaren und unwiederbringlichen Zeit mit meinen Kindern verbracht. Zum Glück fanden meine Kinder und ich gemeinsam eine Lösung. Sie waren damals zwölf und acht Jahre alt und zogen zu ihren noch jungen Großeltern, die sich über ein Leben mit ihren Enkelkindern freuten. Die Kinder und ich haben uns seitdem so oft es ging gegenseitig besucht.
Zunächst ging ich für eine Auszeit nach Cornwall in Südengland, meine geliebte zweite Heimat. Das war in vielerlei Hinsicht lebensnotwendig: Zum ersten Mal in meinem Leben eine Zeit, in der ich nur für mich selbst verantwortlich war und mich nur um mich selbst kümmern durfte in dieser weiten, wilden Küstenlandschaft am Atlantik. Und es war eine sehr besondere Lehrzeit. Dort erzählte ich einer Frau, dass ich von Herzen gerne Bestatterin werden wollte und was das für mich bedeutete. Sie sagte ganz einfach: „Oh, you are a soul midwife!“
Ja, das bin ich. „Seelen-Hebamme“. Kein Wort trifft es besser.
In Cornwall besuchte ich auch eine Frau, die ein Bestattungsunternehmen nur für Frauen eröffnet hatte: Martha’s Funerals. Sie sagte mir, dass es viele Frauen gibt, für die es sehr wichtig ist, nach ihrem Tod nur von Frauen versorgt und nackt gesehen zu werden. Scham und Gewalterfahrungen oder beleidigende Bemerkungen über ihre Körper, all das sind gute Gründe für Frauen, sich zu wünschen,