Название | Kommunikationswissenschaftliches Arbeiten |
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Автор произведения | Petra Herczeg |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846356395 |
1Zur Frage der Subjektivität: Bereits Popper hat darauf hingewiesen, dass die Festlegung der Forschungsfragen und das Aufstellen von Hypothesen immer bereits etwas mit der Subjektivität der Forscher zu tun hat. Wissenschaftler sind in ein bestimmtes Umfeld eingebettet und verfügen über Wertvorstellungen, die implizit in den Forschungsprozess einfließen. Daher ist auch die intersubjektive Nachvollziehbarkeit wichtig. Es geht dabei um die Gütekriterien sozialwissenschaftlicher Forschung: Objektivität, Reliabilität, Validität. Die einzelnen Gütekriterien sind aufeinander bezogen, denn ohne Objektivität ist keine Reliabilität und ohne Reliabilität ist keine Validität möglich. Und seit Max Weber wird in den Sozialwissenschaften intensiv darüber diskutiert, welche Bedeutung Werte und Werturteile in der Forschung haben.
2Die Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ gilt als eine Pionierarbeit der sozialwissenschaftlichen Forschung. 1930 erschien eine Sozialreportage über die Schließung der Textilfabrik in Marienthal, die auch einen Beitrag zur wissenschaftlichen Konzeption der Studie geleistet hat. Durchgeführt wurde die Studie unter der Leitung von Paul F. Lazarsfeld, der sie 1933 gemeinsam mit Marie Jahoda und Hans Zeisel unter dem Titel Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch über die Wirkungen langandauernder Arbeitslosigkeit publizierte.
3In ihren Ausführungen verweisen sie auch auf die historische Kontinuität und die Arbeit von Eric W. Allen, der 1927 im Journalism Bulletin „Journalismus als angewandte Sozialwissenschaft“ beschrieb (vgl. Allen, 1927).
3Publizistik- und Kommunikationswissenschaft – Anmerkungen zum Fach
3.1Das Selbstverständnis der PKW: Was ist sie und was tut sie?
Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich mit den Phänomenen der Kommunikation als einer Form des „sozialen Handelns“ (Burkart, 2019, S. 25–28), wobei die massenmedial vermittelte, also öffentliche Kommunikation – so die mehrheitliche Auffassung der Fachvertreter – im Mittelpunkt steht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Fach in verschiedenen Ländern verschiedene Institutionalisierungen erfahren hat und sich unterschiedliche Schwerpunkte gebildet haben. Die Problematik des fachlichen Selbstverständnisses beginnt bei seinem konstitutiven Begriff, von dem unzählige Definitionen existieren.
Kommunikation kann mit Gerhard Maletzke (1963, vgl. dazu Burkart, 2019, S. 21–23) als „Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen“ begriffen werden. Mit dieser Definition ist zum einen bereits gesagt, dass in unserer Wissenschaft Kommunikationsprozesse zwischen „Nicht-Lebewesen“ (wie bspw. datenverarbeitenden Maschinen) ausgeklammert werden. Zum anderen wird damit auf den „sozialen“ Aspekt von Kommunikation verwiesen: Ein Kommunikationsprozess benötigt stets (mindestens) zwei Partner.
Handeln bezeichnet die Fähigkeit von Menschen, bewusst und absichtsvoll Ziele zu verfolgen. Der wesentliche Unterschied zwischen Mensch und Tier besteht gemäß dieser Perspektive in der Instinktgebundenheit tierischen Verhaltens und in der – relativen – Instinktun- gebundenheit menschlichen Handelns. Der Begriff des „sozialen Handelns“ meint, dass sich das Handeln in seinem Ablauf an der Existenz bzw. am Handeln anderer Personen orientiert – m. a. W. „der Andere“ (lat. socius = der Gefährte) ist in der Vorstellung des Handelnden (mental) stets präsent. Spätestens seit Max Weber ist der Begriff des „sozialen [25] Handelns“ ein zentraler Begriff der Soziologie. Gleichsam in Entsprechung dazu ist der Begriff des „kommunikativen Handelns“ ein zentraler Begriff der Kommunikationswissenschaft (vgl. dazu Burkart, 2019, S. 25–33).
Die für den deutschsprachigen Raum maßgebliche „Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft“ (DGPuK) definiert den Gegenstandsbereich der Kommunikationswissenschaft in ihrem Selbstverständnispapier wie folgt:
Die Kommunikations- und Medienwissenschaft beschäftigt sich mit den sozialen Bedingungen, Folgen und Bedeutungen von medialer, öffentlicher und interpersonaler Kommunikation. Der herausragende Stellenwert, den Kommunikation und Medien in der Gesellschaft haben, begründet die Relevanz des Fachs.
Die Kommunikations- und Medienwissenschaft versteht sich als theoretisch und empirisch arbeitende Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen. Sie leistet Grundlagenforschung zur Aufklärung der Gesellschaft, trägt zur Lösung von Problemen der Kommunikationspraxis durch angewandte Forschung bei und erbringt Ausbildungsleistungen für eine seit Jahren dynamisch wachsende Medien- und Kommunikationsbranche. Geschichte, Gegenwart und Zukunft der gesellschaftlichen Medien- und Kommunikationsverhältnisse stehen im Mittelpunkt von Forschung und Lehre.
Forschung und Lehre in der Kommunikations- und Medienwissenschaft verändern sich, da sich Kommunikation, Medien und Gesellschaft durch Digitalisierung, Globalisierung, Individualisierung, Mediatisierung und Ökonomisierung wandeln. Vor diesem Hintergrund hat sich die DGPuK, die Fachgesellschaft der Kommunikations- und Medienwissenschaft, auf Eckpunkte für ein Selbstverständnis des Faches geeinigt.
Diese Eckpunkte sind weit ausgelegt, denn eine Fachgesellschaft sollte die Vielfalt der Fachgemeinschaft widerspiegeln. Das Selbstverständnis der Fachgemeinschaft bildet einen weiten Rahmen. Einzelne Lehr- und Forschungseinrichtungen können und sollen ein spezifisches Profil ausbilden und kommunizieren, auch um ihren verschiedenen Anspruchsgruppen eine klare Orientierung geben zu können. (DGPuK, 2008)
Aber auch diese Definition wird von unterschiedlichen Seiten kritisiert, etwa mit Blick auf die Nichteinbeziehung der direkten Kommunikation. So plädiert Hipfl dafür, dass sich die PKW nicht auf die indirekte, medial vermittelte Kommunikation beschränken soll, sondern [26] „auch tatsächlich Kommunikation als Ausgangspunkt ihrer Untersuchungen und Analysen“ (Hipfl, 2002, S. 13) nehmen soll. Allerdings hat Rühl in diesem Zusammenhang schon längst deutlich gemacht, dass mit dieser fraglos richtigen Hinwendung zum Kommunikationsprozess keineswegs der Anspruch verbunden sein kann, für jedwede Problematik aus dem Bereich der Humankommunikation zuständig zu sein (vgl. Rühl, 1985). Das erinnert ein wenig an den Wiener Ordinarius der 1970er-Jahre Kurt Paupiè, der die Publizistikwissenschaft selbstkritisch als „Bisserl-Wissenschaft“ bezeichnet hat und damit auf die Notwendigkeit verwies, sich auf ausgewählte Forschungsbereiche zu konzentrieren.4
Wie stark sich die Dynamiken der gesellschaftlichen Entwicklungen auf das Fach der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft selbst ausgewirkt haben, wird deutlich, wenn man sieht, welche unterschiedlichen Fachgruppen sich mittlerweile in der DGPuK etabliert haben: Digitale Kommunikation; Gesundheitskommunikation; Internationale und interkulturelle Kommunikation; Journalistik/Journalismusforschung; Kommunikation und Politik; Kommunikations- und Medienethik; Kommunikationsgeschichte; Medien, Öffentlichkeit und Geschlecht; Medienökonomie; Medienpädagogik; Mediensport und Sportkommunikation; Mediensprache – Mediendiskurse; Methoden der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft; PR- und Organisationskommunikation; Rezeptions- und Wirkungsforschung; Soziologie der Medienkommunikation; Visuelle Kommunikation; Werbekommunikation und Wissenschaftskommunikation (vgl. DGPuK, 2021). Diese Auflistung zeigt deutlich, wie die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft auf die gesellschaftlichen Herausforderungen reagiert hat. [27]
3.2Facetten der PKW
Wie weiter oben erwähnt, kann der Gegenstand der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft über ihr Materialobjekt und über ihr Formalobjekt bestimmt werden. Materialobjekte sind die einzelnen Mediengattungen (bspw. Print, Audiovisuell, Online), Gespräche zwischen Menschen („Kommunikationsakte“) sowie institutionalisierte kommunikative Handlungen wie der Journalismus. Formalobjekte zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass man die Materialobjekte aus einem bestimmten Blickwinkel/einer bestimmten Perspektive heraus betrachtet – also ob Kommunikationsprozesse bspw. für die Öffentlichkeit bestimmt sind, ob sie beeinflussen wollen, ob sie Objektivität für sich beanspruchen usw. (vgl. dazu Bonfadelli et al., 2010,