Название | Geländer Geschichten |
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Автор произведения | Lucie Panzer |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783948882181 |
Gott will, dass alle leben können. Ich glaube: Wer sich daran orientiert, der vertraut auf den richtigen Weg.
Christusglaube – nicht Bibelglaube
„Was für die Katholischen der Papst sein sollte, das ist für euch Evangelische die Bibel: unfehlbar!“ Das hat mir eine Frau geschrieben, weil ich in meinen Radiobeiträgen immer wieder auf biblische Geschichten hinweise. Die Frau war ein bisschen genervt: „Wie kann man sich so kritiklos auf ein so altes Buch verlassen? Ich kann nicht mehr alles glauben und für wahr halten, was in der Bibel steht. Da wissen wir heute einfach mehr.“
Hat die Frau Recht? Glauben wir Evangelische an die Bibel? Unbeirrt und unkritisch? Ich finde es tatsächlich wichtig, deutlich zu sagen, woher ich meine „Morgengedanken“ und „Anstöße“ im Radio nehme. Für so weise halte ich mich nicht, dass ich da einfach sagen könnte, was mir selbst richtig und wichtig scheint für unsere Zeit. Und ich finde, das sollen meine Zuhörer auch wissen, dass ich aus der Bibel lerne.
Aber ich glaube nicht an die Bibel. Christen glauben an Jesus Christus. In ihm, glauben wir, hat Gott sein Gesicht gezeigt. In ihm hat Gott sich den Menschen liebevoll zugewendet, damit sie gut leben können. Davon ist an vielen Stellen in der Bibel die Rede. Und genau deshalb darf man eben nicht kritiklos alles übernehmen, was dort steht. Nicht mal Martin Luther hat das getan, sondern alles daran gemessen, ob da von Christus die Rede ist. Oder, besser gesagt: von dem, was dem Geist und dem Reden und Handeln Jesu entspricht. Deshalb ist es wichtig, immer wieder zu fragen: Stimmt denn das, was ich an einer Stelle in der Bibel lese, mit dem zusammen, was von Jesus erzählt wird? Da wird sich dann zeigen, dass manches nicht zu dem Jesus passt, der zum Beispiel Männer und Frauen gleich behandelt hat und der zu dem Verbrecher, der mit ihm gekreuzigt worden ist, gesagt hat: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ Daran kann ich beurteilen, was im Einzelnen in der Bibel steht. Und dann manchmal sagen: Ich glaube, Jesus hätte das anders gesehen. Deshalb sehe ich das auch anders.
Manches, was in der Bibel steht, ist zudem gar nicht so wichtig, da kann ich ruhig bejahen, was die Wissenschaft inzwischen anders sieht. Aber dass Gott in Jesus zur Welt gekommen ist, damit wir Menschen gut leben können, das ist für mich wichtig. Das, scheint mir, ist keine veraltete und überholte Geschichte, „nicht Lesewort“, hat Martin Luther gesagt: „Nicht Lesewort … sondern Lebewort … nicht zum Spekulieren und Grübeln, sondern zum Leben und Tun.“ Die Geschichte von Jesus hat Konsequenzen. Und ich finde: Darüber sollten meine Hörerinnen und Hörer, Leserinnen und Leser selbst nachdenken können. Deshalb erzähle ich Geschichten aus der Bibel.
Kinderglaube?
Manche sagen, Märchen seien nichts für Kinder: Ein kleines Mädchen wird vom Wolf gefressen, das Schneewittchen von der Stiefmutter mit einem Apfel vergiftet, ein tapferes Schneiderlein erschlägt zwei Riesen … unmöglich! Und biblische Geschichten gehen schon gar nicht: David erschlägt Goliath, ein Reiterheer ertrinkt im Roten Meer, Jesus stirbt am Kreuz – das ist alles viel zu grausam für Kinder, sagen viele. Was passiert in den Köpfen der Kinder, wenn wir ihnen solche Geschichten zumuten? Was für ein Bild von der Welt bekommen Kinder durch solche Geschichten?
Ich fürchte bloß: Unsere Welt konfrontiert die Kinder jeden Tag mit noch viel grausameren Geschichten. Die Bilder von Verbrechen, von Kriegen und Katastrophen sind allgegenwärtig. Man kann Kinder spätestens ab dem Grundschulalter nicht davor schützen. In Zeitungen und Zeitschriften, im Fernsehen, im Internet, in den Gesprächen mit anderen steht ihnen die Wirklichkeit vor Augen. Deshalb brauchen sie Geschichten, die ihnen helfen, die komplizierten und schlimmen Ereignisse und Bilder zu verarbeiten. Märchen zum Beispiel, die ihnen sagen: Es gibt schlimme Situationen – aber am Ende kann es doch wieder gut werden. Solche Geschichten sind ehrlich und verbreiten trotzdem Zuversicht.
Erst recht brauchen Kinder die Geschichten der Bibel, glaube ich. Die sind zum Teil grausam, so wie die Wirklichkeit auch manchmal grausam ist. Aber die Kinder hören: Gott hilft dem kleinen David, tapfer gegen den schlimmen Riesen zu kämpfen. Und David gewinnt! Ich meine, so eine Geschichte hilft, wenn man sich selbst klein fühlt. Oder die Geschichten, die von Jesus erzählt werden: Er bleibt ruhig und besonnen, wenn es stürmisch wird und die Wellen hochschlagen. Er kann helfen, stürmische Zeiten durchzustehen. Er isst und trinkt mit denen, die kein anderer leiden mag.
Aber es ist wahr, Kinder erfahren auch: Die Menschen waren ungerecht und grausam. Auch Jesus konnte sich am Ende nicht dagegen wehren. Manchmal ist die Welt so – leider. Doch Gott hat ihn nicht im Stich gelassen. Obwohl nicht einmal Jesus selbst gespürt hat, dass Gott immer bei ihm war. So schlimm kann einen das Leben manchmal treffen. Aber am Ende ist Jesus auferstanden. Und Gott hat gezeigt: Er lässt keinen allein, der schlimm dran ist. Auch wenn man eine Weile nichts vom ihm spürt: Er ist da. Und hält mit denen aus, die in Not sind.
Ich glaube, solche Geschichten brauchen Kinder, damit sie stark werden – und der Wirklichkeit zuversichtlich begegnen können.
Bildersprache
„Candle in the Wind“ – „Kerze im Wind“ heißt eines der bekanntesten Lieder von Elton John. Es geht darin um die amerikanische Schauspielerin Marilyn Monroe. Obwohl er natürlich wusste, dass sie keine Kerze war, sondern eine schöne Frau. Aber sie war ihrem glamourösen Leben nicht gewachsen. Wie eine Kerze im Wind ist sie verloschen. Später hat Elton John dasselbe Lied bei der Trauerfeier für Prinzessin Diana gesungen. Jetzt hieß der Text: „Goodbye, England’s Rose“ – obwohl natürlich auch der schönen Diana nicht Rosenblätter auf dem Kopf gewachsen sind. Elton John wusste das. Und hat sein Lied trotzdem gesungen.
Was ich damit sagen will: Lieder, gerade die guten, müssen interpretiert werden. Man muss sich fragen: Was will das Lied sagen? Welche Wahrheit steckt darin? Und das gilt nicht nur für Lieder und Gedichte. Ich meine, das gilt für alle Texte, außer vielleicht denen in Chemie- und Physikbüchern. Da kenne ich mich nicht so aus.
„Candle in the wind“ – das ist Bildersprache. Kein Mensch würde sagen: „Das ist doch gelogen. Sie war gar keine Kerze. Das ist doch nicht wahr.“ Man darf solche Texte nicht wörtlich nehmen. Ich denke, dass es genauso mit vielen Geschichten aus der Bibel ist. Zum Beispiel mit der, dass Gott die Welt in sieben Tagen geschaffen hat. Manche nehmen das wörtlich und sagen dann: „Das ist doch nicht wahr. Da werden die Menschen für dumm verkauft. Das waren gewissermaßen die ersten Fake News.“ Andere sagen: „Sie haben nicht gelogen. Es war eben ein Irrtum, was sie da aufgeschrieben haben. Sie haben es damals halt nicht besser gewusst.“
Vielleicht aber ja doch! Elton John hat auch gewusst, dass Marilyn Monroe keine Kerze war und Prinzessin Diana keine Rose – und hat es trotzdem so gesungen. Weil er fand, dass es wahr ist, was er gesungen hat. Ich meine: Genauso wahr ist es, was die Bibel erzählt. Gott hat die Welt erschaffen – wie auch immer es dabei zugegangen, wie auch immer sich das Leben entwickelt hat. Gott hat ihm Ziel und Sinn und Segen gegeben. Und das nicht nur einmal, irgendwann ganz am Anfang, sondern immer wieder, wenn etwas Neues zur Welt kommt. Gott gibt ihm Leben und Segen.
Das ist die Wahrheit, die mir die biblische Schöpfungsgeschichte sagt. Und nun kann ich mir eine Meinung dazu bilden. Ich kann das glauben oder nicht. Aber eigentlich kann man nicht einfach sagen: Schöpfung in sieben Tagen – das stimmt doch gar nicht. Ich glaube: Man muss nach der Wahrheit fragen, die darin steckt. So wie ich mich fragen kann: Was war denn eigentlich mit Marilyn, wie hat sie gelebt, wie ist sie gestorben? Erst dann verstehe ich die Sache mit der Kerze im Wind.
Wirklich?
„Dass Jesus das alles wirklich so gesagt hat – woher wollen Sie das wissen?“, hat mich ein Mann gefragt. Er kannte sich ziemlich gut aus, denn